Nahwärme für das Ahrtal

In der Krise Chancen sehen – und nutzen. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im letzten Sommer haben viele Bürger und Politiker genau das gefordert, denn wenn Infrastruktur und Gebäude verwüstet sind, warum nicht katastrophensicher und klimaneutral wiederaufbauen? Aus dem Katastrophengebiet sollte eine klimaneutrale Modellregion werden. In Marienthal bei Dernau nimmt diese Vision Gestalt an – eineinhalb Jahre nach der Flut können die Bewohner dort wieder ihre Wohnungen beheizen – CO2-neutral.

Gregor Kriechel, Einwohner von Marienthal
„Man konnte halt nicht mehr weg vom Haus. Das kam alles zu schnell. Da hat man oben auf dem Speicher gesehen, hat ins Haus reingeguckt, wie das Haus dann langsam vollläuft und irgendwann hat man gesagt, der Speicher reicht nicht mehr aus und dann ging es aufs Dach hoch.“
Weiter ist das Wasser nicht gestiegen in der Nacht auf den 15. Juli 2021. Doch das Elternhaus von Gregor Kriechel ist vollkommen zerstört. Und nach dem Wasser kam die Kälte – vergangenen Winter lebt er in einem Wohnwagen, heizt mit einer Elektro-Heizung.
Aber bei unseren Besuchen merken wir: Stück für Stück wird sein Haus wieder ein Zuhause. Und seit wenigen Tagen gibt es in diesem Zuhause auch wieder Wärme.
Gregor Kriechel, Einwohner von Marienthal
„Mittlerweile geht es halt auch ohne Elektroheizung und ohne Öfchen, halt normale Wärme aus dem Heizkörper. Das ist schon sehr praktisch. Die Tür reinzukommen und es ist warm, das ist eigentlich – seit mehr als 1 1/2 Jahren – das ist schon enorm. Man hat irgendwie ein gutes Gefühl beim Heizen, finde ich auf jeden Fall.“
Denn fast alle Gebäude in Marienthal heizen jetzt klimaneutral. Möglich ist das durch ein Nahwärme-Kraftwerk – die Marienthaler nennen das Projekt „Dorfwärme“.
Bei der Dorfwärme haben die Häuser keine eigene Heizung mehr – in der Mitte des Dorfes steht das Kraftwerk, das mit CO2-neutralen Holzpellets betrieben wird. Dort wird die erzeugte Wärme direkt in die Häuser geleitet. Solarpanels auf dem Dach liefern zusätzlichen Strom.
Er ist der Kopf hinter dem Projekt: Rolf Schmitt. Der ehemalige Bundespolizist wurde nach der Flut zum Helfer, dann zum Organisator und Kommunikator für die Einwohner – „Dorfkümmerer“ nennen sie Schmitt. Der Dorfkümmerer ist bei der Dorfwärme vor allem auf eines Stolz.
Rolf Schmitt, „Dorfkümmerer“ Marienthal
„Von dem ersten Spatenstich, den wir hier beim Bau des Wärmenetzes gemacht haben, in die Erde bis jetzt zum Heizbeginn, das waren keine fünf Monate. Das ist eine Leistung, die funktioniert nur im Team. Von daher nochmal ein dickes, fettes Dankeschön an die beteiligten Firmen. Alle haben mitgezogen, alle hatten ein Ziel, 01.11 Heizbeginn, und das haben wir geschafft.“
Für die Einwohner soll sich das Kraftwerk auch finanziell lohnen: Laut Schmitt sollen die Kosten für Heizen und Warmwasser in einem durchschnittlichen Haus höchstens 2.500 Euro betragen – weniger als vor der Flut und viel weniger als die jetzigen Öl- und Gaspreise.
Es geht voran. Gregor Kriechel muss keinen zweiten Winter im Wohnwagen verbringen.

Schon sehr bald – um genau zu sein, am Sonntag – geht das Dorfwärmekraftwerk ans Netz,