Nach Flutkatastrophe im Ahrtal – Versicherung will nicht zahlen

Und wir werfen jetzt nochmal einen Blick ins Ahrtal. Denn auch mehr als ein halbes Jahr nach der Flut wissen viele Menschen dort nicht, wie es weiter gehen soll. Es hakt beim Wiederaufbau. Das gilt auch für diejenigen, die eigentlich eine Elementarversicherung abgeschlossen hatten. Oft dauert es lange, bis das Geld endlich da ist – wenn es denn überhaupt kommt. Wir haben eine Familie aus Ahrbrück getroffen, bei der sich die Versicherung quer stellt.

Kaum zu glauben, dass hier einmal vier Häuser gestanden haben. Im Laufe von drei Jahrzehnten haben Heinz und Monika Sicken sie mit viel Herzblut aufgebaut, für ihre Kinder und Enkelkinder. Direkt an der Ahr, mit viel Grün. Nur eine Nacht hat alles zerstört. Die Straße ist weggebrochen, der Untergrund aufgeweicht. Die Häuser mussten sofort abgerissen werden. An diesen Ort zurückzukommen kostet viel Überwindung.
Nikolaus Sicken, Flutopfer
„Also, mein Haus, wo ich mit meiner Familie gewohnt hab‘, stand ungefähr da, wo der Weihnachtsbaum ist, ein bisschen weiter rüber noch. So ungefähr fünf Meter, da war dann meine Eingangstür. Ja, das war einmal leider.“
Eines der Häuser war eine Wohngemeinschaft für Jugendliche. Für dieses Gebäude hatten die Sickens eine Elementarversicherung bei der Provinzial abgeschlossen. Sie hat in Ahrbrück eine eigene Geschäftsstelle. Gegen Schäden durch Starkregen und Überschwemmung war die Familie also abgesichert.
Monika Sicken, Flutopfer
„Wir haben unser ganzes Geld letztendlich in dieses Projekt investiert. Dann denkt man, man ist versichert, bekommt auch erst eine positive Rückmeldung von der Versicherung und dann auf einmal ein Schreiben: ‚Das war‘s. Sie kriegen nichts von uns. Genau dieser Fall eben, Springflut, Flut, Sturmflut ist nicht versichert.‘ Dann stehen Sie da.“
Die Versicherung beruft sich dabei auf eine sogenannte Ausschlussklausel. Die Familie ist fassungslos und hat einen Anwalt eingeschaltet. Für Markus Krämer steht fest: Damit kommt die Provinzial nicht davon.
Markus Gerd Krämer, Fachanwalt für Versicherungsrecht
„Wenn ich als Versicherungsgesellschaft einen Ausschluss heranziehen möchte, dann muss ich ihn auch genau definieren. Das hat die Provinzial überhaupt nicht, da steht einfach nur Flut, Komma, Sturmflut, Komma Springtide. Wenn ich das lese und kurz nachdenke, wo ich das letzte Mal eine Sturmflut gesehen habe, dann komme ich schnell zum Ergebnis, das war nicht hier im Ahrtal und genau ist das Problem. Die Provinzial definiert oben, dass sie mir Versicherungsschutz gibt und unten versucht sie mir den wieder wegzunehmen mit einer Klausel, die hinten und vorne nicht passt.“
Zu Beginn wurden noch alle Versicherten im Ahrtal ausbezahlt. Das wurde wohl irgendwann zu teuer, vermutet Krämer. Daher stelle man sich jetzt quer. Wir fragen bei der Provinzial nach. Sie verweist darauf, es handele sich hier nicht um Schäden durch Starkregen. Schriftlich teilt man uns mit:
Zitat Provinzial
„Schäden durch Starkregen einerseits und Schäden durch Ausuferung von Gewässern andererseits sind nicht gleichzusetzen. […] Es sammelte sich kein Regen an der Geländeoberfläche und führte zum Gebäudeschaden, sondern ein Gewässer trat über die Ufer und richtete den Gebäudeschaden an.“
Somit handle es sich um eine Flut und die decke die Versicherung nicht ab – auch wenn die Flut durch Starkregen verursacht wurde. Familie Sicken und ihr Anwalt wollen sich damit nicht zufrieden geben. Sie werden klagen. Im Zweifelsfall auch dagegen, dass ihnen die falsche Versicherung verkauft wurde. Bis klar ist, wie es weitergeht, wohnen Tochter Sybille, ihr Mann und die Kinder vorerst bei den Großeltern im Nachbarort Lind. Der Schock über die Geschehnisse sitzt noch immer tief. Doch das Ahrtal ist ihre Heimat. Sie zu verlassen kommt nicht infrage.