Nach dem Tod von Luise – Diskussion über Strafmündigkeit

Am vergangenen Samstag wird im Kreis Altenkirchen die zwölfjährige Luise erstochen. Tatverdächtig sind zwei andere Mädchen, zwölf und dreizehn Jahre alt. Im Internet – vor allem auf TikTok – werden die vermeintlichen Namen und Profile der zwei Mädchen verbreitet. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter spricht von einer regelrechten Hexenjagd. Da die zwei Tatverdächtigen aber noch keine 14 Jahre alt sind, ist die Geheimhaltung ihrer Identitäten laut Gesetz besonders schützenswert. Strafrechtlich können sie nicht belangt werden. Doch ist das noch zeitgemäß? Darüber ist nach der Tat eine Debatte entbrannt.

Wer unter 14 Jahre alt ist, gilt in Deutschland als Kind und ist somit schuldunfähig. Das heißt: Die beiden zwölf- und dreizehnjährigen Mädchen können nicht strafrechtlich verfolgt werden, obwohl sie gestanden haben, Luise erstochen zu haben. Dieser Grundsatz gilt ohne Wenn und Aber. Für den rheinland-pfälzischen Justizminister könnte diese Altersgrenze neu überdacht werden.
Herbert Mertin (FDP), Justizminister Rheinland-Pfalz
„In der Emotion sollte man keine Entscheidungen im Strafrecht treffen. Das ist nicht vernünftig. Es wird immer wieder behauptet, dass es Veränderungen in der Gesellschaft gibt, auch bei den Jugendlichen und Kindern heute. Und dann wäre ich dafür, dass man das durch eine empirische Forschung untermauert. Man schaut, was hat sich verändert und gibt das Anlass, gegebenenfalls im Strafrecht etwas nachzujustieren.“
Dem stimmt Alexander Glunz von der Deutschen Polizeigewerkschaft in Hessen zu. Geht dabei aber noch einen Schritt weiter.
Alexander Glunz, Geschäftsführer Deutsche Polizeigewerkschaft Hessen
„Es gibt durchaus gute Gründe, sich zu überlegen, ob das Strafmündigkeitsalter von 14 auf zwölf Jahre abgesenkt werden soll. Wir ermöglichen es Jugendlichen und jungen Menschen immer früher am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Wir geben ihnen mehr Rechte. Unter anderem das Wahlrecht möglicherweise schon mit 16, das begleitete Fahren mit 17. Dann müssen wir im Gegenzug natürlich auch gucken, dass diese jungen Menschen auch Pflichten haben. Und dazu gehört eben auch das sich halten an Gesetze und Normen.“
Bundesweit gab es 2021 rund 69.000 Kinder, die eine Straftat begangen haben sollen. Das sind 3.500 mehr als noch vor 30 Jahren. Allerdings schwankt die Zahl der Kinder, die einen Mord oder Mordversuch begehen, von Jahr zu Jahr stark. Es sind im Schnitt zwischen vier und 21 Kinder jährlich. Der hessische Justizminister sieht deshalb keinen Grund, das Strafmündigkeitsalter herabzusetzen.
Roman Poseck (CDU), Justizminister Hessen
„Unser Strafrecht ist ja schon am Ende daraus ausgerichtet, dass es auch zu einer Bestrafung kommen kann. Die Jugendstrafe ist dann eben eine Möglichkeit, wenn der Jugendliche über 14 Jahre alt ist. Und unter 14 ist jedenfalls die Einsichtsfähigkeit nicht regelhaft gegeben. Und auch die Jugendstrafe als Sanktion ist aus meiner Sicht nicht das richtige Instrument. Hier braucht man Maßnahmen der Jugendhilfe.“
Alexander Glunz, Geschäftsführer Deutsche Polizeigewerkschaft Hessen
„Nichtsdestotrotz müssen wir sagen, eine Straftat ist eine Straftat, egal von welcher Art von Straftat wir sprechen. Und ein Jugendlicher oder junger Mensch, der gegen das Gesetz verstößt, wird ja auch nicht mit seiner ganzen Härte bestraft. Dafür gibt es ja extra ein Jugendstrafrecht, das dann zur Anwendung kommt. Und dem Menschen entsprechende Einwirkungs- und Besserungsmöglichkeiten ermöglicht.“
Für die mutmaßlichen Täterinnen im Fall von Luise ändert das nichts mehr. Für sie ist nun das Jugendamt verantwortlich. Die beiden wurden vorerst aus ihrem gewohnten Umfeld genommen und gehen derzeit nicht zur Schule. Kontakt mit ihren Eltern dürfen sie aber haben. Gespräche mit Ärzten und Psychologen werden nun zeigen, wie es für die Mädchen weitergeht.
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Fünf Tage nach dem Tod von Luise hat die Polizei die Suche nach der Tatwaffe jetzt übrigens eingestellt. Gleichzeitig geht nun an Luises Schule der Regelbetrieb langsam wieder los. Die Rückkehr zum Stundenplan solle aber ohne Druck passieren, versicherte ein Sprecher der Bezirks-Regierung Arnsberg als Schulaufsichtsbehörde. Wo Schülerinnen und Schüler noch den Wunsch nach Gesprächen hätten, stehe der reguläre Unterricht hinten an.