Nach dem Autogipfel: Prof. Sven Henkel im Gespräch

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise. Das vielgepriesene E-Auto ist derzeit ein Ladenhüter. Jobs – auch bei uns – stehen auf der Kippe. Wie hier bei Opel in Rüsselsheim oder bei Volkswagen in Baunatal – VW hat erst vor zwei Wochen angekündigt, die Jobgarantie, die seit 30 Jahren besteht, zum Ende des Jahres zu kündigen. Bundeswirtschatsminister Robert Habeck hat gestern Vertreter der Automobilindustrie zu einem Gipfel eingeladen. Ein ganz konkreter Vorschlag von der SPD wurde dabei diskutiert: die Abwrackprämie. Also wer seinen alten Verbrenner abwrackt und ein neues E-Auto kauft, soll einen Bonus von 6.000 Euro bekommen. Für den Kauf eines gebrauchten Elektro-PKW soll es dann 3.000 Euro geben. Beim Thema Abwrackprämie zeigte sich der Wirtschaftsminister zögerlich, es solle keine Schnellschüsse geben. Habeck stellte aber staatliche Unterstützung in Aussicht.

Markus Appelmann, Moderator:
Ja, mal wieder stehen Subventionen im Raum, Steuergeld also. Darüber spreche ich jetzt mit Professor Sven Henkel, Mobiltätsexperte der EBS-Universität in Oestrich-Winkel. Ich grüße Sie.
Prof. Sven Henkel, Mobilitätsexperte EBS Universität Oestrich-Winkel:
Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann:
Herr Henkel, Subventionen hat Hessens Ministerpräsident Boris Rhein bereits Anfang September ins Gespräch gebracht, jetzt gibt es einen Abwrackprämien-Vorschlag von der SPD im Bund. Was halten Sie von solchen Fördermaßnahmen?
Henkel:
Zunächst mal glaube ich, dass diese Förderung, diese einseitige Förderung wenig bringt. Wir sehen auch in früheren Abwrackprämien, solange es die Prämie gibt, werden die Fahrzeuge gekauft. Sobald die Prämie eingestellt wird, gehen die Verkaufszahlen wieder runter. Wir müssen eine nachhaltige Veränderung in der Mobilität erreichen. Das werden wir mit rein monetären Maßnahmen nicht erreichen.
Appelmann:
Also nur Geld ist nicht die Lösung – sagen Sie. Wie also schaffen wir den Übergang vom Verbrennermotor zum Elektro-Auto ohne dass Zehntausende Jobs bei uns in Deutschland verloren gehen? Also dass Elektro-Mobilität kein Jobkiller ist.
Henkel:
Ich glaube, wir müssen uns mehr Zeit geben und wir müssen stärker auch auf unsere eigenen Stärken schauen. Elektromobilität ist ein gutes Thema, ich glaube aber, wir müssen weiterhin technologieoffen sein. Es gibt andere alternative Kraftstoffe. Es gibt beispielsweise auch Wasserstofftechnologien. Es gibt eine hocheffiziente Dieseltechnologie und meiner Überzeugung ist technologieoffen bestimmte Maßnahmen, bestimmte Funktionen zu fördern, wäre besser, um der Industrie auch die Chance zu geben, basierend auf den Kompetenzen, die sie hat, sich zu entwickeln und so auch die Elektromobilität für die Zukunft zu stärken.
Appelmann:
Sie werben also für Technologieoffenheit. E-Motoren UND Wasserstoffantrieb UND Diesel-Technologie. War es also falsch von der Politik auf ein Verbot des Verbrenners ab 2035 in der EU zu setzen?
Henkel:
Ich glaube, in dieser strikten Art und Weise durchaus. Ich glaube, wir müssen diesen Übergang besser moderieren. Wir müssen uns mehr Zeit nehmen, um einfach auch die Menschen, die hier in Deutschland am Standort arbeiten, auch mitzunehmen. Und da müssen wir akzeptieren, dass es andere Technologien gibt, die uns vielleicht von unseren Kompetenzen näher sind. Das heißt, warum nicht ein wenig länger den Übergang gestalten und verschiedene Technologien fördern, um so eben auch wirklich mehr Menschen mitzunehmen? Also in der Kürze gesprochen: Dieser radikale Schritt ist aus meiner Sicht durchaus falsch.
Appelmann:
Er wirbt für einen Technologiemix. Professor Sven Henkel, Mobiltätsexperte der EBS-Universität in Oestrich-Winkel. Ich danke Ihnen.
Henkel:
Danke schön.