Ministerpräsidentin Malu Dreyer bilanziert Brüssel-Besuch

Sorgengeplagt sind die Ministerpräsidenten der Länder nach Brüssel gereist. Erstmals seit 2018 haben die Länderchefs dort gemeinsam zu den großen und wichtigen Themen getagt. Es ging unter anderem um den enorm hohen Strompreis in Deutschland und die Klimaschutz-Anpassungen, die das Land zunehmend wettbewerbsunfähig machen. Die Ministerpräsidenten forderten in Brüssel die EU dazu auf, den Mitgliedstaaten Subventionen beim Industriestrompreis zu gestatten – eine Forderung mit der sie die Bundesregierung unter Druck setzen wollen. Und auch die Migrationspolitik war eines der großen Themen in Brüssel.

Eva Dieterle. Moderatorin: Inwieweit die Länderchefs sich mit ihren Belagen bei der EU Gehör verschaffen konnten, darüber spreche ich jetzt mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der Staatskanzlei in Mainz, Frau Dreyer, guten Abend.
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz: Guten Abend, Frau Dieterle.
Dieterle: Frau Dreyer, ein Hauptgrund für die schwindende Wettbewerbsfähigkeit auch hier in Rheinland-Pfalz sind die hohen Kosten für Industriestorm. Wie steht die EU zu deutschen Überlegungen eines Industriestrom-Preises? Wird er kommen?
Dreyer: Ich glaube, wir konnten schon überzeugen der Kommission gegenüber, dass es wichtig ist, einen solchen Brückenpreis zu haben, einen günstigeren Strompreis für eine bestimmte Zeit lang, nämlich die Zeit, wo unsere Unternehmen in der Transformation sind – das heißt raus aus dem fossilen Zeitalter, hin zu den Erneuerbaren – und das fordert unsere Unternehmen zurzeit so stark, dass es wichtig wäre, dass man in dem Bereich der Energie, des Stroms einfach bessere Konditionen hätte.
Dieterle: Ist der Brückenstrompreis überhaupt mit den Regeln des EU-Binnenmarktes vereinbar?
Dreyer: Das ist eine schwierige Frage, aber unser Anliegen war ja gerade, in Brüssel deutlich zu machen, wie wesentlich es ist, damit die Industrie in Europa, aber natürlich vor allem dann auch jetzt bei uns in Rheinland-Pfalz, in Deutschland weiterhin eine gute Zukunft hat. Und uns wurde schon signalisiert, es ist kein einfacher Weg, aber er ist eben auch nicht ausgeschlossen. Und insofern glaube ich, machte es Sinn, dass wir da waren, dass wir tatsächlich noch mal für unsere Wirtschaft in unserem Land stark gekämpft haben. Und natürlich brauchen wir die Entscheidung der Bundesregierung und dann auch die offizielle Entscheidung der Kommission, aber ich denke, es war gut, dass wir dort waren und argumentiert haben,
Dieterle: Weiteres Top-Thema: Die drohende Überforderung deutscher Regionen, Landkreise und Kommunen durch die hohe Migration. Ist von der EU in kurzer Zeit Hilfe zu erwarten?
Dreyer: Na ja, der Kommissar hat uns noch mal sehr deutlich gesagt, auch die Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen, dass es tatsächlich zum ersten Mal in der Geschichte der EU, seit wir so viele Zuströme auch haben, gelungen ist, dass wir auf einem ganz, ganz guten Weg sind, dass es tatsächlich zu einer Struktur in der Europäischen Union kommen könnte, damit wirklich der Umgang mit Flüchtlingen in Europa anders läuft, als es in der Vergangenheit war. Es steht sozusagen kurz davor und der Optimismus war groß in Brüssel, dass es gelingt, sich mit den gemeinsam mit den Staaten tatsächlich zu einigen. Viele werden sich erinnern, die Bundesinnenministerin war ja mit den Innenministern, den europäischen, zusammen und da kam es da zu diesem Durchbruch, der auch diskutiert wurde in Deutschland. Ich glaube, es ist total notwendig, dass wir zu einer europäischen Lösung kommen. Nur so können wir unseren Kommunen dann auch deutlich machen: Ja, es gibt jetzt eine Lösung in Europa und man geht auch anders mit den Flüchtlingsströmen um in Zukunft.
Dieterle: Teilt die EU die Sorgen jener, die den Zusammenhalt der EU gefährdet sehen, wenn das Thema der Einwanderung nicht schnell gelöst wird?
Dreyer: Es gibt auch in der EU, wir haben dieses Thema auch gehabt, natürlich die große Sorge, dass das Thema Flüchtlinge / Einwanderung ein großes Thema werden könnte bei der Europawahl und zwar im negativen Sinne. Und deshalb hat die EU, bzw. die Kommission ganz stark vor, noch vor der Europawahl dann wirklich auch zu einem Rechtsrahmen in der Europäischen Union zu kommen, der uns allen hilft, die Menschen, die in Not sind und unsere Hilfe brauchen, diese Unterstützung geben zu können, aber auch eine ganz klare Verteilung in der Europäischen Union. Ein klarer Umgang mit den Menschen, die eben nicht bei uns bleiben dürfen, dass wir das besser geregelt bekommen, das ist für uns alle sehr notwendig.
Dieterle: Wie würden Sie den Besuch bei der EU einordnen? Haben Sie Handfestes erreicht – oder eher nur das Bekenntnis, die EU sei sich der Probleme in den Regionen bewusst?
Dreyer: Es war ein sehr wichtiger Besuch und ich glaube, dass wir auch sehr erfolgreich waren. Es ist immer so: Die Europäische Union ist eben für viele Mitgliedstaaten zuständig. Umso wichtiger ist es, dass die Belange auch eines Bundeslands, in dem Fall aller Bundesländer, wichtig und präsent ist. Auch in den Köpfen der Entscheider auf der europäischen Ebene. Und ich bin fest davon überzeugt, dass es wichtig war, dass wir dort waren.
Dieterle: Frau Dreyer, vielen Dank für das Interview.
Dreyer: Ich danke Ihnen, Frau Dieterle.