Ministerpräsidenten beraten Flüchtlingslage

Zu wenig Geld. Zu wenig Platz. Zu wenig Personal. Die Kommunen geraten in Sachen Flüchtlinge an die Grenze ihrer Belastbarkeit, sie fordern Unterstützung vom Bund. Heute haben sich die Ministerpräsidenten zu ihrer regelmäßigen Konferenz getroffen, auch da ging es natürlich um das Thema Flüchtlinge. Was sie besprochen und verabredet haben, dazu gleich mehr, vorher werfen wir einen Blick in eine Sammelunterkunft in Bensheim im Kreis Bergstraße.

Niedrige Trennwände. Kaum Möbel. Ein ständig hoher Geräuschpegel. Toiletten und Duschen im Container. Unter diesen unwürdigen Umständen leben rund 800 Menschen in einer Zeltstadt im südhessischen Bensheim. Von Privatsphäre keine Spur. Rund eine Million Euro kostet die Zeltstadt pro Monat. Doch es fehle nicht nur an Geld, sagt Christian Engelhardt, der Landrat des Kreises Bergstraße.
Christian Engelhardt (CDU), Landrat Kreis Bergstraße
„Wir sind am Limit. Es geht ja nicht nur darum, dass uns der Raum fehlt, um die Menschen unterzubringen, so eine Zeltstadt ist keine würdige Unterkunft für Dauer, sondern es fehlt das Personal, es fehlt Kapazitäten an Kindergarten, Schulen, überall, um die Menschen, die zu uns kommen und bleiben dürfen zu integrieren. Und deshalb fordern wir ja auch, dass am Ende nur die zu uns kommen, die auch bleiben dürfen.“
Im vergangenen Jahr sind allein aus der Ukraine rund eine Million Menschen nach Deutschland geflüchtet. Darüber hinaus haben rund 220.000 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten hier erstmals einen Asylantrag gestellt.
Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an den von Bundesinnenministerin Nancy Faeser einberufenen Flüchtlingsgipfel Mitte Februar. Die Enttäuschung danach war groß, zu unkonkret waren die Ergebnisse. Im April sollte es ein weiteres Treffen geben, dann mit den Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Scholz – seit gestern steht fest: Man trifft sich erst am 10. Mai.
Doch die Zeit drängt, betont der Direktor des rheinland-pfälzischen Landkreistages Burkhard Müller.
Burkhard Müller, Direktor Landkreistag Rheinland-Pfalz
„Die Kapazitäten sind erreicht. Das Land kann oder will uns nicht mehr weiterhelfen. In den Aufnahmeeinrichtungen wird behauptet, es sei auch alles voll, man kann uns keine Puffer mehr zur Verfügung stellen. Der Bund hat uns Adressen von Bundeswehrliegenschaften, meistens Kasernen, gegeben – die sind zu 90 Prozent unbrauchbar, völlig unbrauchbar, das hilft also auch nicht weiter.“
Wieder Turnhallen zu schließen, um darin Flüchtlinge unterzubringen, das wolle man so lange wie möglich vermeiden.
Die Ministerpräsidenten haben heute formuliert, was sie vom Bund nun erwarten. Die Länder seien sich einig darin, dass der Bund mehr Geld zur Unterstützung der Kommunen und Liegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen soll. Außerdem soll es mehr Kontrollen an den EU-Außengrenzen und mehr Rückführungsabkommen geben, damit Menschen ohne Bleiberecht leichter abgeschoben werden können.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hatte den Bund schon im Vorfeld aufgefordert, den Weg für mehr Abschiebungen freizumachen. Im vergangenen Jahr hätten von 17.800 Ausreisepflichtigen in Hessen nur rund 1.000 das Land verlassen. Die Rückführung sei zwar Ländersache, aber den Ländern seien die Hände gebunden, wenn die Herkunftsstaaten die Rücknahme verweigerten.
Auch der Landrat des Kreises Bergstraße fordert bessere Grenzkontrollen und schnellere Abschiebungen. 60 Flüchtlinge kommen momentan pro Woche im Kreis an. Allein im vergangenen Jahr waren es insgesamt 4.000 Menschen. Christian Engelhardt blickt mit Sorgen in die Zukunft.
Christian Engelhardt (CDU), Landrat Kreis Bergstraße
„Die müssen in die Schule, in den Kindergarten gehen, wohnen können – nicht nur in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Und Arbeit finden und für all das fehlen uns die Ressourcen. Das heißt: Diese Integration kann nicht stattfinden. Und das merkt auch unsere Gesellschaft und es gibt eine Konkurrenz um die knappen Möglichkeiten. Und wenn dann noch viele wissen, dass eigentlich hier viele ankommen, die kein Recht darauf haben, weil unser Rechtsstaat das nicht organisiert bekommt, dann ist das ein Problem.“
Jetzt warten also alle auf das Treffen zwischen den Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler am 10. Mai.
Bis sich die unwürdigen Zustände in der Bensheimer Zeltstadt und in vielen weiteren Flüchtlingsunterkünften ändern, wird es also noch dauern.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat an der heutigen Konferenz übrigens nicht teilgenommen. Er hat heute zum Abschluss seiner Rom-Reise im Vatikan Papst Franziskus getroffen, um mit ihm unter anderem über den Ukrainekrieg und die aktuelle Energiekrise zu sprechen. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz wurde er von Staatsminister Axel Wintermeyer, dem Chef der Hessischen Staatskanzlei, vertreten.