Ministerpräsident Rhein als Zeuge im Lübcke-Untersuchungsausschuss

Hätte der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verhindert werden können, wenn die die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit richtig gemacht hätten? Um diese zentrale Frage geht es im Lübcke-Untersuchungs-Auschuss im hessischen Landtag. Heute im Zeugenstand: der ehemalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Boris Rhein. Er ist sich sicher: Den Verfassungsschutz trifft keine Schuld. Der Mord an seinem Freund und Parteikollegen Walter Lübcke wäre trotz aller Kenntnisse über den späteren Mörder Stephan E. nicht zu verhindern gewesen.

Ungewohnte Rolle für Hessens Ministerpräsidenten Boris Rhein: Statt Regierungsbank heißt es heute für ihn: Zeugenstand. Die Mitglieder des Lübcke-Untersuchungsausschusses wollen von ihm wissen, was er als Innenminister in den Jahren 2010 bis 2014 wusste – über den Rechtsextremismus in Nordhessen und über den Lübcke-Mörder Stephan E.
Die Antwort: so klar wie ernüchternd.
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Die Namen E. und H. sind mir erst nach dem Mord an Walter Lübcke bekannt geworden.“
Für Günter Rudolph von der SPD liegt genau hier das Problem: Wie kann es sein, dass der Innenminister nichts über die beiden Kasseler Rechtsextremisten wusste, obwohl der damalige Verfassungsschutz-Chef zumindest Stephan E. als „brandgefährlich“ eingestuft hatte? Und wie konnte es passieren, dass der Mörder von Walter Lübcke trotz dieser Einschätzung schon kurze Zeit später als „abgekühlt“ galt und vom Schirm der Verfassungsschützer verschwand?
Günter Rudolph, SPD, Fraktionsvorsitzender Hessen
„Die zentrale Frage – warum konnte der Mörder von Herrn Dr. Lübcke, E., jahrelang unerkannt in der rechten Szene weiter agieren, in sozialen Netzwerken, auf Demos? – die Frage bleibt unbeantwortet. Und das ist ein zentraler Punkt auch nachher bei der Bewertung und dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Darauf konnte Herr Rhein heute keine Antwort geben.“
Auch für Torsten Felstehausen von der Linkspartei bleiben heute viele Fragen offen. Er ist sich sicher: In Sachen Stephan E. hat der hessische Verfassungsschutz auf ganzer Linie versagt.
Torsten Felstehausen, DIE LINKE, Abgeordneter Landtag Hessen
„Der Verfassungsschutz war nicht in der Lage, Sachinformationen, die sie gewonnen haben, vernünftig zuzuordnen. Ich nenne als Beispiel Fotos von der Sonnenwendfeier, auf denen deutlich zu sehen ist, dass Stephan E. nicht abgekühlt ist. Dass er nicht als abgekühlter Extremist zu bezeichnen ist.“
War der hessische Verfassungsschutz bis zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten vielleicht sogar auf dem rechten Auge blind? Dieser These widerspricht Boris Rhein heute im Ausschuss vehement.
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Der Rechtsextremismus hat immer für uns eine große Rolle gespielt. Rechtsextremismus war uns immer klar als wirklich eine der größten Bedrohungen für den Rechtsstaat. Und deswegen hatte der Rechtsextremismus eine enorme Aufmerksamkeit im Amt. Aber natürlich auch Islamismus und andere politisch motivierte Kriminalität.“
In Kürze wird sich der Lübcke-Untersuchungsausschuss zum letzten Mal treffen. Dann sollen noch der ehemalige Ministerpräsident Volker Bouffier und der amtierende Innenminister Peter Beuth in den Zeugenstand treten. Spätestens im Sommer will der Ausschuss seinen Abschlussbericht vorlegen.