Menschen im Ahrtal verärgert nach Auftauchen neuer Flutvideos

Seit über einem Jahr kommt der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im rheinland-pfälzischen Landtag regelmäßig zusammen. Doch immer wieder taucht Material auf, das dem Ausschuss noch nicht vorlag. Zunächst hatte das Innenministerium Videos aus der Flutnacht zu spät weitergeleitet, kürzlich dann die die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion. Heute hat das Innenministerium dann mitgeteilt, dem Ausschuss 900 Mails des polizeilichen Lagezentrums nachgeliefert zu haben. Wie das im Ahrtal ankommt? Wir waren in Sinzig.

Noch immer führen nicht wieder alle Wege nach Sinzig. Auch fast eineinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe sind ihre Spuren noch deutlich sichtbar. Bei den Sinzigern hat sie Narben hinterlassen.
Andreas Geron, parteilos, Bürgermeister von Sinzig
„Ich muss Ihnen sagen, man ist nach der Flut ein anderer Mensch. Es geht einem oft nicht gut. Aber das ist kein Einzelschicksal in meiner Person, das geht ganz vielen so.“
Andreas Geron ist seit 2017 Bürgermeister der Stadt Sinzig im Kreis Ahrweiler. Die Flut hat auch sein Haus nicht verschont.
Die Zerstörung in seiner Stadt war gewaltig, 14 Menschen hat die Flut das Leben gekostet. Darunter zwölf Bewohner einer Lebenshilfe-Einrichtung, die sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.
Im letzten Winter ist diese Tiny-House-Siedlung entstanden, finanziert durch Spenden. Seit fast einem Jahr wohnen Menschen nun hier, in der Übergangslösung. Denn noch immer sind viele Häuser unbewohnbar, es fehlt an Handwerkern und für einige Menschen sind die Anträge auf finanzielle Hilfen zu kompliziert, erzählen die Sinziger.
Yilmaz Köse
„Viele warten auch wirklich noch auf Hilfe. Ich sag mal so, die haben schon versagt, sage ich ganz ehrlich, so wie es ist.“
Ulrich Neuenhöfer
„Es wird noch Jahre dauern, bis alles mal wieder in etwa so ist, dass man sagen kann, es ist einfach schön hier. Und das ist zurzeit nicht der Fall.“
Helmut Trampes
„Wenn ich dann sehe diese Leute in diesen kleinen Häuschen, in den Tiny Häusern, die werden wahrscheinlich noch Monate, vielleicht auch Jahre darin hausen müssen.“
Wir leben auf Deutschlands größter Baustelle, sagt Andreas Geron.
Die politische Aufarbeitung der Katastrophe hält er für wichtig. Der Bürgermeister verfolgt die Arbeit des Untersuchungsausschusses in Mainz, war selbst schon als Zeuge geladen. Dass nun aber scheibchenweise immer wieder Material auftaucht, das dem Ausschuss noch nicht vorlag, macht ihn wütend.
Andreas Geron, parteilos, Bürgermeister von Sinzig
„Das musste man erst mal verdauen. Und wenn jetzt sukzessive noch weitere Unterlagen und weiteres Bildmaterial auftaucht, dann macht einem das schon Sorgen und die Frage drängt sich auf: Kommt noch was oder kommt nichts? Ich hoffe nicht. Ich kenne die beteiligten Akteure und habe eigentlich nach wie vor Vertrauen in die Personen, aber das wird natürlich erschüttert durch das Nicht-Vorlegen von relevanten Unterlagen.“
Die weiteren Untersuchungen wird er trotzdem verfolgen.
Andreas Geron, parteilos, Bürgermeister von Sinzig
„Und dann erwarte ich mir die Antwort auf die Frage: Wie konnte es passieren, dass ich hier um 00.45 Uhr noch am Ahrufer stehe und keine Informationen darüber erhalte, was ahraufwärts eigentlich schon im Gange ist?“
Der Wiederaufbau in Sinzig wird wie vielerorts im Ahrtal noch lange dauern. Andreas Geron wünscht sich, dass das Ahrtal 2030 Gastgeber einer Gartenschau sein kann. Das wäre für die Menschen ein Ziel, auf das sie hinarbeiten könnten. Verbunden mit der Hoffnung, dass hier alles wieder schön wird.

Dass dem Untersuchungs-Ausschuss heute erneut bisher nicht vorgelegtes Material nachgereicht wird, stößt vor allem bei den Oppositions-Parteien auf massive Kritik. Die Freien Wähler sprechen von einem Skandal. Die AfD fordert Ministerpräsidentin Malu Dreyer dazu auf, ein Machtwort zu sprechen und dieses „unsägliche Spiel“ zu beenden. Die CDU wirft der Landesregierung vor, ihr Versagen in der Flutnacht vertuschen zu wollen.