Maßnahmen der 3. Corona-Welle verfassungskonform

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen in der dritten Corona-Welle waren verfassungskonform. Reaktionen dazu aus der hessischen und der rheinland-pfälzischen Politik.

Leere Straßen, leere Plätze, leere Fußgängerzonen. Wie ausgestorben wirkt das Land Ende April / Anfang Mai, nachdem die Bundesnotbremse in Kraft getreten war. In Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen durfte demnach zwischen 22 und 5 Uhr bis auf wenige Ausnahmen niemand das Haus verlassen. Und das war auch in Ordnung so, urteilt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute.
Zitat Urteil Bundesverfassungsgericht
„Die angegriffenen Ausgangsbeschränkungen waren in der konkreten Situation auch verhältnismäßig. Sie dienten als Teil eines Gesamtschutzkonzepts dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck des Schutzes von Leben und Gesundheit.“
Auch die Kontaktbeschränkungen, nach denen sich die Angehörigen eines Haushalts zeitweise mit nur einer weiteren Person treffen durften, und zwar im öffentlichen wie im privaten Raum, sind laut den Richtern verfassungsgemäß.
Zitat Urteil Bundesverfassungsgericht
„Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke.“
Gegen die am 23. April dieses Jahres in Kraft getretenen Regelungen im Infektionsschutzgesetz gab es viele Verfassungsbeschwerden. Einer der Kläger ist Joachim Streit von den Freien Wählern. Er zeigt sich enttäuscht von der Entscheidung des Gerichts. Es sei ein schwarzer Tag für die Grundrechte.
Joachim Streit, Freie Wähler, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Karlsruhe hat der Politik einen Freifahrtschein ausgestellt. Es kommt gar nicht mehr darauf an, ob Maßnahmen wirkungsvoll sind oder ob wir im Nachhinein sagen: ‚Das war falsch‘, sondern Karlsruhe sagt ganz deutlich: ‚Es kommt alleine auf die Einschätzung der Bundesregierung an und ob sie daran glaubt‘.“
Ganz anders sehen das CDU und SPD. Gemeinsam haben sie im April die Gesetzesneuerungen beschlossen und im Bundestag durchgesetzt.
Christian Baldauf, CDU, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Da hat der Gesetzgeber einmal richtig gut gearbeitet, richtig schnell gearbeitet. Wenn das Verfassungsgericht solche wirklich schweren Maßnahmen rechtfertigt, dann kann man nur sagen, dann war das auf dem richtigen Weg.“
Nancy Faeser, SPD, Fraktionsvorsitzende Hessen
„Ich habe mich, ehrlich gesagt, sehr gefreut über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, weil es nämlich was aussagt, was Politik sehr sorgfältig gemacht hat. Nämlich die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass in Ausnahmesituationen, in einer Krisenzeit, der Staat auch mal handeln darf und die Individualrechte jedes Einzelnen auch einschränken darf, wenn es dem Schutz anderer dient. Und das ist hier passiert.“
Auch die Grünen, die sich bei der Abstimmung im Bundestag noch enthalten hatten, zeigen sich erleichtert.
Carl-Bernhard von Heusinger. B‘90 / Die Grünen, stellv. Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Ich bin froh, dass jetzt für die Vergangenheit Rechtssicherheit besteht und da auch das Bundesverfassungsgericht die Erwägung, die die Bundesregierung damals getroffen hat, auch unterstützt. Das ist, wie gesagt, glaube ich, auch wichtig für die Bevölkerung, dass die Bevölkerung auch weiß, dass da richtige Entscheidungen getroffen wurden.“
Die dritte Ampelpartei, die FDP, akzeptiert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, warnt aber vor künftigen Grundrechtseingriffen.
Philipp Fernis (FDP), Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Wenn man heute entscheiden muss, entscheidet man auch als Gesetzgeber vor einer anderen tatsächlichen Situation. Die Entscheidung wurde getroffen in einer ungeimpften Bevölkerung, in einer Situation mit Impfstoffmangel, in einer Situation mit weniger Wissen. Das heißt nur, dass zum damaligen Zeitpunkt der Gesetzgeber die Entscheidungen so treffen konnte und durfte, wie das Verfassungsgericht festgestellt hat, heißt nicht, dass man sie heute nochmal so treffen dürfte.“
Und genau darum geht es jetzt: Was darf die Regierung, was muss die Regierung tun, um die Vierte Welle zu brechen? Mit der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden weitere Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren jedenfalls wieder etwas wahrscheinlicher.