Mainzer Uniklinik fehlen Fachkräfte

Die Corona-Pandemie ist vorbei und auch die Zeit der Grippe ist so langsam ausgestanden. Man sollte meinen, in den Arztpraxen und Kliniken kehrt jetzt etwas Ruhe ein. Doch dem ist nicht so. Den Einrichtungen fehlt Personal und das bedeutet für Patienten: schon wieder werden Operationen verschoben. Darüber spricht Markus Appelmann mit dem Chef des größten rheinland-pfälzischen Krankenhauses, der Mainzer Universitätsmedizin.

Die Zeiten waren schon rosiger an der Mainzer Universitätsmedizin. Es fehlen bis zu 100 Pflegekräfte. Vorstandschef Norbert Pfeiffer wirbt zwar damit, die besten Tarife der Region zu zahlen – Mitarbeiter erhalten nach einem Jahr einen monatlichen Treuebonus von 300 Euro, die Dienstpläne werden so flexibel wie möglich gestaltet -, aber trotzdem: Es fehlt Personal.
Das liegt auch daran, dass die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung aktualisiert wurde. Ein sperriger Begriff, der meint: Eine Pflegekraft muss sich heute um weniger Patienten kümmern als früher.
Der Vorteil: Die Pfleger werden entlastet. Der Nachteil: Um die gleiche Anzahl an Patienten zu versorgen, braucht die Unimedizin mehr Pfleger.
Da diese aber fehlen, sieht sich die Klinikleitung gezwungen, das Behandlungsangebot einzuschränken. Planbare stationäre Behandlungen und Operationen werden verschoben. Wer sich hier also beispielsweise ein neues Hüft- oder Kniegelenk einsetzen lassen will, braucht Geduld.
Akute Knochenbrüche werden aber operiert oder wer zum Beispiel wegen Krebs behandelt wird, muss nicht warten. Auch Notfälle werden weiter versorgt, garantiert die Unimedizin.
Viele Patienten müssen aber lange Wartezeiten in Kauf nehmen, in denen ihr Leiden zumindest auch nicht besser werden dürfte.
Für die Mainzer Unimedizin bedeutet das Aufschieben von Operationen auch finanzielle Einbußen, denn gerade diese bringen gutes Geld.
Wie lange Norbert Pfeiffer Behandlungen aufschieben muss, kann er noch nicht absehen. Klar ist aber: Die jetzige Situation, sie kann für alle Beteiligten nur eine Notlösung sein.
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Markus Appelmann, Moderator: Darüber sprechen wir jetzt mit Professor Norbert Pfeiffer, dem Vorstandsvorsitzenden der Universitätsmedizin in Mainz. Guten Tag.
Prof. Norbert Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender Universitätsmedizin Mainz: Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann: Es werden aktuell viele stationäre Aufnahmen und Operationen verschoben. Das bedeutet für die Patienten mehr Leidensdruck und für die Uniklinik weniger Umsatz. Das kann nicht gut für Sie sein, oder?
Pfeiffer: Es ist so, dass natürlich, wenn wir weniger behandeln, auch die Einkünfte geringer sind. Man muss sich da aber mal ehrlich machen, wir brauchen eine gute Medizin, wir brauchen gute Teams. Und nur wenn wir dauerhaft gute Teams haben und damit meine ich Ärztinnen und Ärzte und Pflegende und viele andere auch, nur dann können wir dauerhaft auch gute Leistung bringen, qualitativ hochwertige Leistung. Und das muss im Vordergrund stehen. Wenn die Teams nicht mehr Bestand haben, wenn wir Menschen verlieren, dann können wir dauerhaft die Leistung nicht bringen. Das ist jetzt der richtige Weg, damit wir dauerhaft in Deutschland eine sehr, sehr gute Medizin anbieten können.
Appelmann: Eine sehr gute Medizin – diesen Eindruck haben nicht alle Patienten. Immer mehr Krankenhäuser werden dichtgemacht. Aktuelles Beispiel: Im Krankenhaus Gerolstein ist nach und nach das Verhandlungsangebot ausgedünnt worden. Erst die Geburtsklinik, dann die Chirurgie und nun die Innere Medizin. Für Menschen mit einem Knochenbruch oder einem Herzinfarkt heißt das jetzt weite Wege bis zum nächsten Krankenhaus nach Prüm oder Daun. Wird das nun zum Regelfall? Gerade in ländlichen Regionen?
Pfeiffer: Ich kenne die Situation in Gerolstein nicht genau genug. Aber wenn ein Krankenhaus wegfällt oder Abteilungen nicht mehr da sind, muss man sich ja fragen: Woran liegt das? Und meistens liegt es an einer von zwei Sachen. Das eine ist, es gibt nicht mehr die Nachfrage. Und das andere ist, wir haben nicht mehr das Personal, um diese Abteilung aufrechtzuerhalten. Und dann glaube ich, ist der Weg konsequent, dass man sagt: “Wir machen hier nicht mehr etwas, was wir gar nicht mehr richtig darstellen können, weil wir das Team nicht mehr haben”. Sondern dann sollte man sagen, dann müssen sie ins nächste Krankenhaus. Ja, nach Daun sind es etwa 20 Kilometer, glaube ich. Das ist durchaus noch vertretbar. Manchmal sind aber die Abstände, die Distanzen viel größer und ich könnte mir vorstellen, dass man in keinem dieser Krankenhäuser wirklich zum Beispiel eine Schlaganfallbehandlung machen kann, wenn man ein Gefäß wieder eröffnen muss.
Ich glaube, da brauchen wir eine bessere, eine schnellere Versorgung in einer Verlegung. Und ich würde persönlich, wenn es mich beträfe oder einen Verwandten, würde ich sagen: ‘Na, dann möchte ich mit dem Hubschrauber eigentlich lieber nach Koblenz oder nach Trier oder Mainz oder Bonn geflogen werden”. Und ehrlich gesagt, mit dem Hubschrauber ist die Verlegung schneller als mit dem Krankenwagen in das nächste Krankenhaus. Es ist einfach wichtig, dass man sofort an die richtige Stelle kommt und dafür müssen wir sicher die Rettungssysteme ausbauen, wenn wir weniger Standorte haben.
Appelmann: Jetzt wird es eine große bundesweite Krankenhausreform geben, wenn man Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach glauben darf. Das wird aber kurzfristig nichts ändern. Wie sieht auf kurze Frist nun Ihre Lösung aus?
Pfeiffer: Ein ganz Wichtiges ist, dass wir unsere Ausbildung verstärken. Wir haben also Ausbildungskurse nicht nur für Krankenpflege, Kinderkrankenpflege, sondern auch für Operationstechnische Assistenten, für Anästhesiologischee Assistenten. Also wir bilden selber verstärkt aus und da kommt dann in jedem Jahr ein neuer Jahrgang, der auch die Arbeit schon kennt. Und damit gewinnen wir Menschen. Insgesamt haben wir rund 700 junge Menschen in der Ausbildung. Das zweite ist, wir sehen bundesweit, dass insbesondere in der Krankenpflege viele – meistens sind es ja Frauen – nach einigen Jahren wieder gehen, wenn sie Kinder bekommen, wenn die Familie im Vordergrund steht. Und als nächsten Schritt noch recht zeitnah, werden wir die Zahl unserer Kinderkrippenplätze hier auf dem Gelände von 40 auf 120 verdreifachen. Und wir hoffen, dass dann doch die oder der eine oder andere sagt: “Na ja, mein Kind ist gut untergebracht, dann kann ich auch ein bisschen mehr arbeiten”.
Wir wollen Menschen gewinnen, die schon bei uns sind, ein bisschen mehr zu arbeiten oder schneller wieder auch aus einer Pause zurückzukommen. Wir müssen an vielen Schrauben drehen. Wir müssen vieles tun. Wir müssen aber vor allem dafür sorgen, dass Menschen gut bei uns arbeiten können. Und da strengen wir uns wirklich sehr an!
Appelmann: Der Fachkräftemangel in der Pflege führt dazu, dass schon wieder Operationen verschoben werden müssen. Danke an Professor Norbert Pfeiffer, der medizinische Vorstand der Unimedizin in Mainz.
Pfeiffer: Gerne, Herr Appelmann.