Lübcke-Mörder Stephan E. im Untersuchungsausschuss

Hätte der Mord am ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verhindert werden können, wenn die Behörden ihre Arbeit richtig gemacht hätten? Das ist die zentrale Frage im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags. Und heute Nachmittag ist dort eine der zentralen Figuren im Mordkomplex befragt worden: ausgerechnet Stephan E. selbst, der verurteilte Mörder von Walter Lübcke.

Begleitet von mehreren SEK-Beamten betritt Stephan E. den Gerichtssaal. Aus Gründen der Sicherheit wird der verurteilte Mörder nicht im hessischen Landtag, sondern im Landgericht Wiesbaden befragt.
Der Rechtsextremist ist im Januar vergangenen Jahres vom Oberlandesgericht Frankfurt zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil ers den früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 1. Juni 2019 spätabends zu Hause mit einem Kopfschuss getötet hatte.
Wie gelang Stephan E. an die Waffe, wie hat er sein Schusstraining organisiert? Einige der Fragen, die die Mitglieder des Untersuchungsausschuss Stephan E. stellen wollen.
Günter Rudolph, SPD, Obmann im Ausschuss
„Wir wollen wissen, gab es weitere Personen, die da mitgewirkt haben? Wir wollen auch wissen, mit der rechten Szene, er ist jetzt in einem Aussteigerprogramm, was kann er uns sagen, was waren die Motive? Die Familie hat Interesse daran zu erfahren: Warum wurde Dr. Lübcke ermordet?“
Stephan E. könnte einen Komplizen gehabt haben. Markus H.. Er war Mitangeklagter im Prozess, ist aber mangels Beweisen vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen worden. Beide waren für den Verfassungsschutz keine Unbekannten, das hat bereits der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Roland Desch vor dem Untersuchungsausschuss eingeräumt. Deshalb soll der Mörder von Walter Lübcke heute auch Auskunft über seine Kontakte zur rechtsextremen Szene geben.
Torsten Felstenhausen, Die Linke, Obmann im Untersuchungsausschuss
„Es geht für uns um die zentrale Frage: Wie ist die Einschätzung gewesen zur Person Stephan E.? Brandgefährlich versus abgekühlter Einzeltäter.“
Bringt die Aussage von Stephan E. neue Erkenntnisse? Der Ausschussvorsitzende zweifelt daran
Christian Heinz, CDU, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses
„Ich sehe es durchaus auch skeptisch, weil Herr E. auch ein umfangreiches Aussageverweigerungsrecht hat, für alle Delikte die noch nicht abgeurteilt wurden.“
Ein verurteilter Täter wird als Zeuge zu seiner Tat befragt. Und er gibt Antworten auf die Fragen der Mitglieder des Untersuchungsausschusses.
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Maike Dickhaus, Moderatorin: Und vor dem Landgericht in Wiesbaden, wo der Verurteilte heute vernommen wurde steht mein Kollege David Rischke. Ja, David, was hat Stephan E. denn nun heute gesagt?
David Rischke, Reporter: Nun ja, als allererstes hatte sein Anwalt, der heute als Rechtsbeistand auch vor Ort war, vor Sitzungsbeginn eine Erklärung abgegeben. Und darin hieß es, Stephan E. werde seine Aussage verweigern, und zwar überall dort, wo er sich selbst oder auch andere belasten könnte. Danach hat Stephan E. dann aber noch eine von sich selbst verfasste Erklärung vorgelesen. Darin hieß es, es tue ihm leid, was er getan hat, und es würde kein Tag vergehen, an dem er nicht an diese schreckliche Tat denken würde. Und danach hat sich der Ausschuss noch mal zurückgezogen, hat beraten, “Ja, sollen wir denn überhaupt noch eine Befragung starten?” und entschieden nach etwas mehr als einer halben Stunde: “Ja, wir starten die Befragung” und dabei ging es dann um Themen wie Waffenbesitz oder auch Verkauf, Schießübungen im Wald. Aber dazu muss man auch sagen, so wirklich neue, weltbewegende Details war nicht dabei.
Dickhaus: Welche Erkenntnisse kann der U-Ausschuss denn aus diesen Angaben gewinnen?
Rischke: Es zeigt zum einen auf jeden Fall, es ist ein wirklich dickes Brett, das dieser U-Ausschuss hier bohren will. Und es war ein wirklich zähes Ringen heute im Saal, hier im Gericht in Wiesbaden. Da wurde um jede Frage ja regelrecht gestritten. Es gab verbalen Schlagabtausch zwischen Ausschussmitgliedern und Stephan E. und seinem Anwalt. Bei manchen Fragen, da haben dann Stephan E. und sein Anwalt die Köpfe zusammengesteckt und erst mal sich selbst beraten. Und nicht zu beneiden war auf jeden Fall der Ausschussvorsitzende, Christian Heinz von der CDU, denn der musste dann immer entscheiden: Ist die Frage zulässig, darf sie gestellt werden, ja oder nein? Also es war schon eine … ein bisschen eine skurrile Situation hier heute.
Dickhaus: Ein Fall, der wohl nie so ganz aufgeklärt werden kann. Vielen Dank an dich, David Rischke, vor dem Landgericht in Wiesbaden.