Lkw-Fahrer in Gräfenhausen treten in Hungerstreik
LKW-Fahrer – ohne sie würde so manches Supermarktregal leer bleiben. Die Fahrer transportieren täglich Güter wie Nahrung, Rohstoffe oder Medikamente und sind damit unverzichtbar für uns alle. Viele Fahrer – die meisten aus dem Ausland – arbeiten allerdings unter miserablen Bedingungen. An der Raststätte Gräfenhausen bei Weiterstadt streiken nun zum zweiten Mal dieses Jahr LKW-Fahrer, weil ihr Arbeitgeber ihnen monatelang keinen Lohn gezahlt hat. Seit gestern sind viele von ihnen in einen Hungerstreik getreten.
Shukhrat Karimov kämpft ohne zu essen, er kämpft, indem er nichts mehr isst. Er nutzt den Hunger seit gestern als Waffe – gegen seinen Arbeitgeber, die polnische Spedition Mazur. Die zahle ihm keinen Lohn.
Shukhrat Karimov, LKW-Fahrer
„Ich bin jetzt schon seit zwei Monaten hier und die haben uns noch kein Geld gegeben. Ich bin im Hungerstreik, weil meine Familie auch hungert. Wir glauben, dass ist unsere letzte Chance, um das Geld zu bekommen und es unseren Familien zu schicken.“
Der Vater von vier Kindern befindet sich mit rund 30 Fahrern im Hungerstreik. Etwa 80 Fahrer streiken seit mehr als einem Monat für ihren Lohn – an der Raststätte Gräfenhausen an der A5.
Schon im Frühjahr haben hier Fahrer derselben Spedition gestreikt. Die schickte am Karfreitag Schlägertrupps und ein Panzerfahrzeug, um den Streik zu beenden.
Am Ende erhielten die Fahrer ihren Lohn. Auch wegen Edwin Atema von der europäischen Transportarbeitergewerkschaft. Der ist auch dieses Mal Verhandlungsführer der Fahrer.
Edwin Atema, Verhandlungsführer Europäische Transportarbeitergewerkschaft
„Die Fahrer kämpfen eigentlich nicht nur für sich selber. Die Probleme der Familien zu Hause sind noch größer. Da ist ein Fahrer aus Usbekistan, seine Tochter hat Tuberkulose, die können keine Medikamente bezahlen, die Kinder können nicht in die Schule, haben nichts zu essen. Das ist so so schwer. Diese Männer sind nach Europa gekommen, man gesagt: ‚Komm nach Europa, hier ist alles gut‘ und die sind komplett ausgenutzt worden und haben eine noch schlimmere Situation, seitdem sie von zu Hause weggegangen sind.“
Zwei Gesetze müssten die Ausbeutung der Fahrer eigentlich verhindern. Der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn von 12 Euro. Und das Lieferkettengesetz, das seit Januar in Kraft ist, das fordert von bestimmten Unternehmen die Einhaltung sozialer Mindeststandards in Lieferketten. Doch ob die Gesetze auch angewendet werden, überprüfe man nicht streng genug, beklagt der Bundesverband Logistik&Verkehr.
Thomas Hansche, Bundesverband Logistik&Verkehr
„Und dann entsteht ein System nach Angebot und Nachfrage, das Dumping-Löhne hervorruft, dass die Leute hier für 6, 7 oder wenn einer noch billiger fährt, für 3, 4 Euro die Stunde hier fährt. Und das ist hier das Ende der wirtschaftlichen Nahrungskette, die Leute sind sozial am Ende, die werden ausgebeutet, es ist moderne Sklaverei.“
So verfüge der Staat über viel zu wenige Mitarbeiter – um rund 15 Millionen Fahrten ausländischer Dienstleister pro Monat auch tatsächlich auf die Einhaltung des Mindestlohns zu prüfen.
Die einzige Antwort, die die Fahrer in Gräfenhausen von ihrem Arbeitgeber bislang erhalten haben: eine Anzeige wegen Erpressung. Karimov ist davon nicht beeindruckt.
Shukhrat Karimov, LKW-Fahrer
„Wir bleiben hier bis zum Ende, wir bleiben auch bis zum Tod. Wo sollen wir denn sonst hingehen? Wir bleiben hier, bis wir das Geld bekommen, dass uns für die Arbeit zusteht.“