Letzte Kabinettssitzung mit Malu Dreyer

Heute ist der letzte volle Arbeitstag von Malu Dreyer als rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. Und an dem ging es für die scheidende Regierungschefin und ihre Minister nochmal an den Ort der schlimmsten Katastrophe ihrer Amtszeit: ins Ahrtal, wo sich diese Woche die Flutkatastrophe zum dritten Mal jährt. 135 Menschen sind dort ums Leben gekommen. Der Wiederaufbau der Region läuft seitdem. Und wer sich im Ahrtal umsieht, der weiß, dass dieses Thema auch den neuen Regierungschef noch lange Zeit begleiten wird.

Das Hotel „Villa Aurora“ in Bad Neuenahr. Die Flut hat große Teile des Jugendstil-Gebäudes zerstört. Mittlerweile ist es kernsaniert. Rezeption, Lobby und Restaurant sind erneuert. Vieles ist geschafft, doch noch immer gibt es im Hotel Baustellen. Inhaber Christian Lindner blickt mit gemischten Gefühlen auf die Zeit nach der Flut zurück.
Christian Lindner, Inhaber Hotel „Villa Aurora“ Bad Neuenahr
„Es war schon eine schwere Zeit. Oder ist es jetzt auch noch eine schwere Zeit. Oder auch gerade im letzten Jahr, was sehr anstrengend war, weil wir immer noch nicht fertig sind, weil es sich immer wieder verzögert durch unterschiedliche Problematiken. Weil die Kosten natürlich auch nach oben gehen überall. Also, das ist schon ein Kräfte zehrender Prozess, den wir hier vollführen.“
So wie bei der Villa Aurora sind viele Bauprojekte im Ahrtal noch nicht abgeschlossen. An nahezu allen Straßen der betroffenen Orte stehen noch immer Gerüste und Kräne. Obwohl sich augenscheinlich schon viel getan hat, geht vielen hier der Wiederaufbau nicht schnell genug voran.
Sabine Tanck
„Wie Sie sehen, stehen noch viele Immobilien leer in der Stadt. Und es müsste auch mal wieder die ganze Infrastruktur, sprich die ganzen Brücken, die Straße nach Heimersheim, die Umgehungsstraße müsste auch mal wieder gemacht werden.“
Udo Förtsch
„Wenn wir nicht zwei Enkel gehabt hätten, die irgendwann mal kamen und uns geholfen haben, ständen wir im Regen. Also wir waren ganz alleine auf uns gestellt. Und danach haben wir auch nie wieder was gehört.“
Eine aktuelle Umfrage von Infratest-Dimap zeigt: Fast drei Viertel der Bewohner sind mit dem Krisenmanagement der Landesregierung unzufrieden. Mit ihrer heutigen Ministerratssitzung in Dernau will die Landesregierung zeigen, dass sie die Probleme der Bewohner ernst nimmt. Das Treffen mit Vertretern der Kommunen ist zugleich der letzte offizielle Termin von Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Immer wieder wurde sie dafür kritisiert, sich nicht bei den Menschen im Ahrtal entschuldigt zu haben. Von Dreyer gibt es heute ein letztes Statement, in dem sie auf den bisherigen Wiederaufbau zurückblickt.
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Ich bin immer wieder in das Ahrtal gekommen. Ich habe immer versucht, mein Versprechen einzuhalten den Wiederaufbau auch als Chefin dieser Landesregierung nach vorne zu schieben. Natürlich auch den Hochwasserschutz und den Katastrophenschutz neu aufzustellen. Auch da gibt es viele, viele Fortschritte. Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir nicht noch sehr viel zu tun hätten.“
Morgen wird Dreyer von ihrem Amt als Regierungschefin zurücktreten. Die politische Verantwortung für den Wiederaufbau tragen künftig andere, unter anderem Alexander Schweitzer. Er steht als Dreyers Nachfolger bereit. Schweitzer sieht im Wiederaufbau des Ahrtals einen Schwerpunkt seiner Arbeit.
Alexander Schweitzer (SPD), designierter Ministerpräsident Rheinland-Pfalz
„Offen gesagt hat sich jetzt mein Blickwinkel gar nicht so verändert. Weil ich war die ganze Zeit über als Sozialminister, als Arbeitsminister auch im Ahrtal. Da war die Aufmerksamkeit durch die Medien nicht so groß. Aber ich war ja trotzdem da. Das heißt, ich kann da auch an viele Begegnungen anknüpfen. Und das wird auch insofern meine Arbeit auch in Zukunft prägen.“
Messen lassen muss sich die Landesregierung unter anderem daran, wie schnell Großprojekte wie die vollständige Öffnung der Ahrtalbahn vorangehen. Sie ist für Ende 2025 vorgesehen. Zuletzt gab es Kritik an der Landesregierung, wegen immer noch offener Auszahlungen durch die Investitions- und Strukturbank des Landes.
Cornelia Weigand (parteilos), Landrätin Kreis Ahrweiler
„Da häufen sich im Moment Ansprachen von Antragsstellenden. Sei es privat, sei es gewerbliche. Die sagen: ‚Mein Antrag läuft jetzt schon eine ganze Weile. Ich versuche, entsprechende Unterlagen beizubringen. Das reicht alles nicht.‘ Und da scheinen die Verfahren im Moment verhakt zu sein. Und das haben wir adressiert.“
Ohne das Geld stocken viele Bauprojekte im Ahrtal. Vergleichsweise schnell geht es in der Villa Aurora voran: Christian Lindner hat eine Schadenssumme von seiner Versicherung erhalten und rechnet damit, im Oktober mit der letzten großen Baustelle in seinem Hotel fertig zu sein: Dann soll der neue Wellness-Bereich öffnen und das Hotel wieder voll nutzbar sein.
An anderen Orten im Ahrtal dürfte der Wiederaufbau hingegen noch einige Jahre andauern.