Langes Warten bei der Ausländerbehörde

Tausende Geflüchtete aus der Ukraine sind schon in Deutschland angekommen. Sie erleben eine große Hilfsbereitschaft, von Privatpersonen, aber auch von behördlicher Seite. Doch so unkompliziert wie die Ukrainer in großen Teilen ihren Start in Deutschland erleben, geht es nicht allen. Wir haben eine Ägypterin getroffen, die uns ihre Geschichte erzählt hat. Eine Geschichte von bürokratischen Mühlen und Frustration. Ihre Identität will sie nicht preisgeben – aus Angst vor Stigmatisierung und davor, dass alles nur noch schlimmer wird.

Geboren 1983 in Kairo. Eine junge Frau mit abgeschlossenem Master-Studium und gutem Job. Sie engagiert sich politisch, organisiert Demonstrationen gegen den damaligen Präsidenten Ägyptens und für Frauenrechte.
Ihr Engagement bringt sie 2014 für fast zwei Jahre in Haft, wo sie vergewaltigt und gefoltert wird. 2018 flieht sie mit ihrem Mann nach Deutschland, der gemeinsame Sohn kommt 2019 hier zur Welt.
Geflüchtete aus Kairo: „Die Leute hier haben ein großes Herz. Und das ist warum wir hier her gekommen sind. Und weil wir gesehen haben, dass dieses Land Menschenrechte respektiert.“
Die Familie beantragt in Deutschland Asyl, doch der Antrag wird abgelehnt. Ende 2020 entscheidet das Verwaltungsgericht Trier allerdings, dass die Familie aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht nach Ägypten abgeschoben werden darf. Das Abschiebungsverbot wird im Februar 2021 rechtskräftig.
Die Anwaltskanzlei der Familie erklärt uns auf Anfrage, dass die Ausländerbehörde des zuständigen Landkreises – in dem Fall Mainz-Bingen – jetzt verpflichtet ist, eine Aufenthaltserlaubnis oder wenigstens eine sogenannte Fiktionsbescheinigung auszustellen. Ein Dokument, das die Aufenthaltserlaubnis vorläufig bestätigt, bis sie dann endgültig erteilt ist.
Doch darauf wartet die Familie jetzt seit 15 Monaten. Mit schwerwiegenden Folgen:
Geflüchtete aus Kairo: „Die Ausländerbehörde gewährt mir nicht, was mir zusteht. Ich kann deshalb keine Sprachkurse machen, darf nicht arbeiten, ich kann gar nichts machen außer zuhause zu bleiben und mich um meine Zukunft zu sorgen.“
Geflüchteter aus Kairo: „Wenn ein Freund meines Sohnes ihn irgendwann einmal fragt, was macht dein Vater beruflich, dann empfinde ich es als Schande, wenn er sagen muss, mein Vater ist zuhause und macht nichts. “
Ute Kerber und ihr Mann engagieren sich ehrenamtlich, haben die Familie heute zum Kaffee eingeladen. Das Schicksal der Ägypter sei bei weitem kein Einzelfall. Ute Kerber kennt viele Geflüchtete, deren Anliegen bei der Ausländerbehörde des Kreises Mainz-Bingen wenn überhaupt nur schleppend vorangingen.
Ute Kerber, Arbeitskreis Asyl und Integration Mainz-Bingen: „Ich muss natürlich niemanden bestechen, der muss mich noch nicht mal mögen. Der macht das, weil es seine Aufgabe ist und das finde ich toll. Und auf einmal sehe ich, es gibt offensichtlich Behörden, wo dieses Selbstverständnis, das ich von unserem Staat hatte, nicht herrscht.“
Die Kreisverwaltung teilt auf unsere Anfrage von Freitagmorgen mit, den Fall zu prüfen. Bis Redaktionsschluss heute bekommen wir aber keine Antwort.
Kreisverwaltung Mainz-Bingen: „“
In einer Pressemitteilung erklärt sie am vergangenen Freitag, binnen einer Woche 732 Geflüchtete aus der Ukraine registriert und mit vorläufigen Aufenthaltserlaubnissen ausgestattet zu haben.
Ein Erfolg, den die ägyptische Familie jedem einzelnen Ukrainer gönnt. Doch auf exakt dieses Formular warten sie selbst schon seit 15 Monaten.
Geflüchteter aus Kairo: „Ich möchte nur einfach wie sie sein. Meine Papiere bekommen, zum Sprachkurs gehen und nach über einem Jahr endlich einen Job bekommen. Ich will nur gleich sein, ich missgönne ihnen nichts.“
Die Familie möchte ihr Leben in Deutschland bald richtig beginnen können. Voll integriert sein und eigenes Geld verdienen – bislang ist es für sie allerdings nur ein Traum.