Landesregierung will kommunale Schulden übernehmen

Das war eine schallende Ohrfeige für die rheinland-pfälzische Landesregierung, als der Verfassunsgerichtshof in Koblenz vor zwei Jahren zu dem Urteil kam: Die Kommunen in Rheinland-Pfalz werden vom Land nicht ausreichend mit Geld ausgestattet. Daher gibt es ab dem nächsten Jahr einen neuen Kommunalen Finanzausgleich. Und jetzt kommt ein weiterer Geldregen vom Land – zumindest stellt es die rheinland-pfälzische Finanzministerin so dar. Das Land will von den Kommunen ein Viertel der Schulden übernehmen. Und das ist mehr als dringend, denn Rheinland-Pfalz und seine verschuldete Kommunen, das ist seit Jahren eine Never Ending Story.

Ja, Pirmasens, immer wieder Pirmasens. Nach wie vor trägt die Stadt den zweifelhaften Titel „größter Schuldenkönig“ in ganz Deutschland. Einst war die Stadt das wohlhabende Mekka der deutschen Schuhindustrie – doch als die Schuhe gingen, kamen die Schulden – bis heute eine halbe Milliarde Euro. Viele Städte in Rheinland-Pfalz sind verschuldet. Das Land will Abhilfe schaffen und 3 Milliarden Euro – ein Viertel der Schulden – den Städten abnehmen. Das nötige Gesetz dazu hat die Regierung heute vorgestellt:
Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Finanzministerin Doris Ahnen sind sich sicher:
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Im Haushalt für die Jahre 2023/2024 schaffen wir für die rheinland-pfälzischen Kommunen langfristige Zukunftschancen.“
Doris Ahnen, SPD, Finanzministerin Rheinland-Pfalz
„Das ist nicht mehr und nicht weniger, als ein Beitrag zu einem finanziellen Neustart für die besonders belasteten Kommunen.“
Familienministerin Katharina Binz sagt, Nachhaltigkeit bei den Finanzen sei Voraussetzung für Nachhaltigkeit beim Klimaschutz.
Katharina Binz, Bündnis 90/Die Grünen, Familienministerin Rheinland-Pfalz
„Und deshalb ist es richtig, dass wir in die Teil-Entschuldung der kommunalen Haushalte gehen. Deswegen ist es richtig, dass wir hoch verschuldeten Kommunen hier wirklich die Unterstützung geben.“
Die Ministerpräsidentin bedankt sich heute bei der CDU und den Freien Wählern: Im Frühjahr hatten die beiden Oppositionsfraktionen zusammen mit den Regierungsfraktionen im Landtag für eine Änderung der Landesverfassung gestimmt – denn die sah eine Übernahme kommunaler Schulden durch das Land gar nicht vor.
Erst mit der Verfassungsänderung war der Weg frei, um die Übernahme von drei Milliarden Euro durch das Land in Gesetzesform zu gießen. Fundamental-Opposition gegen das Gesetz gibt es von CDU und Freien Wählern deshalb heute nicht – die Kritik liegt im Detail. Die CDU kritisiert, dass die Schuldenübernahme zu spät komme:
Christof Reichert, CDU, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
“Man muss ja auch immer sehen: Warum kam es dazu? Weil das Land die Kommunen über Jahre zu wenig mit Finanzmitteln ausgestattet hat und darum ist die Misere entstanden.“
Die Freien Wähler kritisieren, die Landesregierung wolle hochverschuldete Städte zu stark entlasten. Dadurch würden insgesamt zu wenige Städte von der Schuldenübernahme profitieren. Sie hätten als Partei…
Joachim Streit, Freie Wähler, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„…dafür gesorgt, dass eine möglichst hohe Anzahl in diese Altschuldenregelung kommt. Jetzt haben wir in der Summe ja nur 600 Gemeinden und ich sehe, dieses Gesetz ist gemacht worden, um die Oberzentren möglichst zu entlasten, hier werden zum Teil über 50% der Alt-Schulden übernommen, das war ja gar nicht Ziel des Ganzen.“
Auch die AfD fordert, dass die Landesregierung die Finanzprobleme der Kommunen grundsätzlich angeht.
Michael Frisch, AfD, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Wir wollen, dass es eine nachhaltige Finanzausstattung gibt, um eine weitere Verschuldung zu verhindern und natürlich, muss die Landesregierung dafür sorgen, dass die Schulden abbezahlt werden.“
Noch kritischer wird die Schuldenübernahme vom Bund der Steuerzahler gesehen.
Frank Senger, Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz
„Im Grunde ist es ein Linke-Tasche-rechte-Tasche-Spiel: Die Schulden gehen bei den Kommunen weg und tauchen beim Land wieder auf – ein Nullsummenspiel.“
Durch die Schuldenübernahme würde bei den Kommunen zwar die finanzielle Last sinken, aber beim Land steigen.
Pirmasens allerdings dürfte sich freuen: Die Stadt könnte um 284 Millionen Euro erleichtert werden – und damit vielleicht auch den unrühmlichen Titel des Schuldenkönigs.