Krankenhausreform bleibt umstritten

Stellen Sie sich vor, die Feuerwehr würde nur bezahlt werden, wenn es brennt. Wo es lange keinen Brand gibt, geht wohl die ein oder andere Feuerwache bankrott. Genauso finanzieren sich in Deutschland Krankenhäuser – sie müssen wirtschaften. Doch viele Kliniken machen Verlust, stecken in den roten Zahlen. Die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach soll Klinik-Schließungen verhindern. Doch von der geplanten Reform sind längst nicht alle begeistert.

Pflegerin: Na wie geht’s?
Dirk Steinfeld: Hallo Schwester, schön, dass Sie da sind. Mir ist etwas schummrig.“
Pflegerin: „Dann messe ich Ihnen Blutdruck.“
Dirk Steinfeld hat eine neue Hüfte eingesetzt bekommen. Finanziell bedeutet das: Die Kreisklinik Groß-Gerau hat an ihm Geld verdient.
Krankenhäuser erwirtschaften ihr Geld vor allem über Fall-Pauschalen: Für jede Behandlung erhalten die Kliniken einen festgelegten Betrag von den Krankenkassen – aufwendige OP´s bringen mehr Geld, als etwa die Versorgung von Knochenbrüchen.
Kliniken machen womöglich also Schulden, wenn sie zu wenige Patienten haben, oder die Patienten keine lukrativen OP´s brauchen. Auch habe die Höhe der Vergütungen bei den Fallpauschalen nicht mit den gestiegenen Personal- und Energiekosten in den letzten drei Jahren mitgehalten. Das bedeutet…
Erika Raab, Geschäftsführerin Kreisklinik Groß-Gerau: „ …das wir unsere Brötchen für 3 Euro herstellen müssen und für einen Euro verkaufen müssen. Und je mehr wir bezahlen für Löhne, für Energie, für Lebensmittel umso mehr, wird das Minus vorangetrieben.“
Mit diesem Minus ist die Kreis-Klinik Groß-Gerau nicht allein. In Hessen gibt es zurzeit 148 Krankenhäuser: Laut der Hessischen Krankenhausgesellschaft stecken 80% davon den roten Zahlen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit seiner Krankenhausreform Abhilfe schaffen. Die sieht vor: Fallpauschalen sollen nur noch einen Teil der Finanzierung ausmachen – Geld soll auch dafür fließen, dass Kliniken eine Grundversorgung an Betten und Personal vorhalten.
Erika Raab, Geschäftsführerin Kreisklinik Groß-Gerau: „Die Vorhalte-Finanzierung ist ein Taschenspieler-Trick. Es ist so, dass aus dem bestehenden Finanzierungssystem eine Umschichtung erfolgt: Zwei Drittel werden weiterhin Fallpauschalen gezahlt. Und ein Drittel wird als Vorhalte-Pauschale ausgezahlt, den Häusern, die eine entsprechende Leistungsgruppe haben.“
Denn nach der Reform sollen Krankenhäuser auch in bestimmte Leistungsgruppen eingeteilt werden. Nicht mehr jedes Haus soll jede Behandlung anbieten.
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  1. Alle medizinischen Leistungen, inklusive komplizierter Operationen wie Organtransplantationen, sollen nur Häuser aus der ersten Leistungsgruppe anbieten – etwa Uni-Kliniken.
  2. Leistungsgruppe zwei soll zuständig sein für bestimmte Fachgebiete – etwa Erkrankungen des Nervensystems oder des Herzens.
  3. Häuser der Leistungsgruppe drei sollen eine Grundversorgung anbieten.
Bestimmte Häuser müssten also womöglich Abteilungen abgeben – Groß-Gerau wohl seine Notaufnahme. Davor warnt Raab. 
Erika Raab: „Wir haben eine Notfallversorgung, die elementar ist für die Versorgung der Menschen unseres Kreises (…) weil die Menschen, die zu uns kommen, die brauchen eine Versorgung, die letztendlich kompensiert, dass die Hausärzte fehlen, dass Facharzttermine fehlen und die Menschen versorgt werden müssen.“ (20 Sekunden)
Doch auch ganze Kliniken könnten der Reform zum Opfer fallen: Denn die Reform schießt nicht mehr Geld ins System, sondern schichtet Geld für bestimmte Standorte um. Für Peter Coy, Professor für Management von Gesundheitsbetrieben sei das ein schmerzhafter aber nötiger Schritt.
Prof. Peter Coy, Professor für Gesundheitsmanagement Hochschule Rhein-Main: „Wir müssen anerkennen, dass wir in Deutschland 30% zu viele Krankenhäuser haben, das gilt auch für Hessen.“
In Zukunft müssten Krankenhäuser größer sein und viel höhere Standards erfüllen. Das seien …
Prof. Peter Coy, Professor für Gesundheitsmanagement Hochschule Rhein-Main:“ Anforderungen, die quasi unmöglich sind für kleinere Krankenhäuser, diese Standards in Zukunft so zu erfüllen, dass wir eine gute Versorgung haben.“
Unterm Strich: Ein Ergebnis der Reform könnte sein, dass es weniger Krankenhäuser gibt, die dafür ausreichend finanziert sind. Erika Raab warnt vor einem Gesund-Schrumpfen: Denn in den 2040er Jahren müssten die geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge gepflegt werden – dann seien vielleicht noch mehr Kliniken als heute notwendig.
Doch viele Krankenhäuser dürften es wirtschaftlich nicht mal mehr schaffen, bis die Krankenhausreform wirkt – und müssen schließen.