Koalitionsverhandlungen in Hessen beginnen

Jetzt geht es also los: In Wiesbaden haben CDU und SPD heute Nachmittag mit ihren Koalitionsverhandlungen für ein neues Regierungsbündnis begonnen. Nach zehn Jahren Schwarz-Grün stehen die Zeichen in Hessen also auf Veränderung. Auch wenn allen klar ist: Einfach dürften die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien, die sich im Parlament in den vergangenen Jahren eher feindlich gegenüberstanden, keinesfalls werden.

Noch strahlen die Vertreter von CDU und SPD fast um die Wette: Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen zeigen sich beide Seiten zuversichtlich, dass ihnen der große Wurf gelingt – ein Koalitionsvertrag, mit dem sich Christ- und Sozialdemokraten gleichermaßen identifizieren können. Und der das Land in den kommenden fünf Jahren in vielen entscheidenden Punkten voranbringen soll.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen
„Wir haben Gespräche auf Augenhöhe geführt. Wir haben sehr klar miteinander Vereinbarungen getroffen. Ich bin sehr beeindruckt, wie das miteinander funktioniert hat. Wir empfinden uns als eine Koalition aus der Mitte für die Menschen mit sehr realpolitischen Lösungen in dieser multiplen Krisenzeit, in der wir uns befinden.“
Dabei ist es vor allem die CDU, die zurzeit vor Kraft kaum laufen kann: Bei der Landtagswahl Anfang Oktober erhielten die Christdemokraten fast 35 % der Wählerstimmen – sehr viel klarer kann ein Regierungsauftrag nicht sein. Mit einem Stimmanteil von gerade einmal gut 15 % wäre die SPD in einer neuen Koalition also bestenfalls Juniorpartner. Trotzdem wollen sich die Sozialdemokraten in den anstehenden Verhandlungen nicht unterbuttern lassen: Sie erwarten, dass ein möglicher Koalitionsvertrag auch eindeutig ihre Handschrift trägt.
Kaweh Mansoori (SPD), Bundestagsabgeordneter
„Die SPD ist angetreten, um mehr Bildungsgerechtigkeit in Hessen zu schaffen, um Wohnen bezahlbarer zu machen, um Hessen auch als Standort für Beschäftigung, Produktion, für Industrie zu sichern und die medizinische Versorgung in weiten Teilen des Landes zu garantieren. In allen vier Bereichen finden Sie auch sozialdemokratische Positionen im Sondierungspapier. Es ist ja völlig klar bei den Kräfteverhältnissen, dass da mehr CDU drin steht. Aber das Papier trägt eine klare sozialdemokratische Handschrift.“
Zunächst hält nun aber die CDU sämtliche Trümpfe in der Hand. In den kommenden vier Wochen wollen sich SPD und CDU regelmäßig treffen, um die Eckpunkte für eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten. Einigt man sich dabei auf einen Koalitionsvertrag, müssten die Parteigremien danach noch grünes Licht geben. Sollten sich beide Parteien nicht auf ein gemeinsames Papier festlegen, könnten die Karten auch noch einmal völlig neu gemischt werden – dann wäre sogar eine Wiederaufnahme von Sondierungsgesprächen mit den Grünen denkbar.
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Schon jetzt ist klar, bei diesem eindeutigen Kräfteverhältnis wird der Koalitionsvertrag eine klare CDU-Handschrift tragen und die SPD wird sicher nicht mehr Ministerien bekommen als die Grünen bisher. Doch um Posten geht es erst mal noch nicht, zunächst müssen sich die potentiellen Koalitionspartner auf Inhalte einigen. Die Grundlage dafür bildet ein Eckpunktepapier, in dem vieles vage, einiges aber auch schon ganz konkret formuliert ist.
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Sechs Seiten voller Ideen. Überschrieben mit dem Arbeitstitel: „Hessenkoalition der Verantwortung“. Christlich-sozial soll der Kurs der neuen Landesregierung werden.
Das Papier markiert eine Abkehr vom bisher durch die Grünen mitgeprägten Kurs. Das zeigt sich nicht nur darin, dass die Klimapolitik an vorletzter Stelle steht. Höchste Priorität haben stattdessen klassische CDU-Themen: Sicherheit, Wirtschaft und Migration.
Sicherheit:
Die CDU will einen starken Staat und deshalb mehr Polizisten einstellen, die besser ausgestattet und bezahlt werden sollen. Zudem soll der öffentliche Raum schärfer überwacht werden. Auch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz.
Migration:
Weniger irreguläre Migration, mehr Abschiebungen. Das ist der Kern der von der CDU angestrebten Migrationspolitik. Um der hohen Zahl der Geflüchteten aktuell gerecht zu werden, sollen die Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen vergrößert werden. Flüchtlinge sollen verpflichtet werden, Deutsch- und Rechtsstaatlichkeitskurse zu belegen.
Wirtschaft:
Mehr Tempo bei Planungsvorhaben, weniger Bürokratie. Zudem soll ein Fonds eingerichtet werden, um Unternehmen bei Investitionen und Forschung zu unterstützen.
Die Belange der Landwirtschaft werden künftig in einem eigenen Ministerium behandelt. Bisher waren sie mit dem Ressort Umwelt zusammen in der Zuständigkeit der grünen Ministerin Priska Hinz.
Verkehr:
Der Ausbau von Autobahnen soll vorangetrieben werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte beschleunigte Verfahren für sieben hessische Autobahn-Projekte angeboten, die der bisherige grüne Verkehrsminister Tarek Al Wazir ablehnt. Schwarz-rot will sie annehmen.
Bildung:
Hessen soll mehr Lehrer bekommen. Zudem wird das letzte Kitajahr verpflichtend.
Nicht gendern! Auch das soll verpflichtend werden. Staatliche und öffentlich-rechtliche Einrichtungen sollen künftig auf Genderstern, Binnen-i und Doppelpunkt verzichten.
Das alles sind Eckpunkte. Ob und wie diese im Detail in einem Koalitionsvertrag niedergeschrieben werden, verhandeln CDU und SPD jetzt in den kommenden vier Wochen.