Klinikmitarbeiter streiken für Arbeitsplätze

Die Lage am Universitätsklinikum Gießen und Marburg spitzt sich weiter zu. Nachdem der Betreiber Rhön-Klinikum AG einen Vertrag mit dem Land Hessen zum Beschäftigungsschutz einseitig gekündigt hat, fürchten viele Krankenhausmitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft ver.di hatte die Beschäftigten deshalb für heute in Gießen zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen.

Während drinnen über ihre Zukunft verhandelt wird, machen die Mitarbeiter der Universitätskliniken Gießen und Marburg draußen ihrem Ärger Luft: Sie fordern eine Beschäftigungsgarantie, weniger Überstunden und bessere Arbeitsbedingungen.
Franziska Portjanow, operationstechnische Assistentin Neurochirurgie
„Jeder ist überlastet. Jeder ist überarbeitet. Das geht an die physische und psychische Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen. Und es ist einfach nur noch unschön, hier zu arbeiten. Und eigentlich kommt man nur noch her, weil man eine Verpflichtung dem Patienten gegenüber hat.“
Uli Stroh, Krankenpfleger Intensivstation
„Wir stopfen nur Löcher. Wir springen ständig ein. Kommen aus der Freizeit, arbeiten in Unterbesetzung.“
Anita Kocwin, Krankenpflegerin Intensivstation
„Auf Intensivstation eine Besetzung von fünf Pflegekräften, das ist viel zu wenig. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen einfach. Wo Sachen übersehen werden, nicht weitergegeben werden.“
Viktor Wildemann, Mitarbeiter Krankentransport
„Die Mitarbeiter machen sich große Sorgen. Und ich persönlich mache mir auch große Sorgen. Ich habe zwei kleine Kinder zu Hause. Ich habe eine große Verpflichtung. Ich arbeite seit zwölf Jahren hier. Ich möchte einen sicheren Job haben für die Zukunft.“
Seit das Land Hessen die Universitätskliniken in Gießen und Marburg im Jahr 2006 an die Rhön-Klinikum AG verkauft hat, habe sich die Situation für die Beschäftigen immer weiter verschlechtert. Mit der Übernahme von Rhön-Klinikum durch den Asklepios-Konzern und der Kündigung der vertraglichen Vereinbarung über die Sicherung der Arbeitsplätze werde nun wohl alles noch viel schlimmer, fürchtet die Gewerkschaft ver.di – und fordert Garantien.
Fabian Dzewas-Rehm, ver.di Mittelhessen
„Wir erwarten erst mal, dass es Sicherheit für die Kolleginnen und Kollegen gibt. Das ganz klar sein muss, dass hier niemandem gekündigt wird, dass niemand um seinen Arbeitsplatz fürchten muss. Dass die Bedingungen sich nicht noch weiter verschlechtern. Dass die Tarifverträge Bestand haben.“
Forderungen, von denen die Geschäftsführung der Unikliniken Gießen und Marburg aber erstmal nichts wissen will. Schriftlich teilt uns die Klinikleitung mit:
Dr. Gunther K. Weiß, Vorsitzender Geschäftsführung UKGM
„In der jetzigen Situation, mitten in den Verhandlungen mit dem Land Hessen und noch ohne konkrete Ergebnisse, sehen wir keine Grundlage für die Forderungen der Gewerkschaft ver.di nach einem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. Daher fordern wir unsere Beschäftigten auf, sich nicht an den Arbeitsniederlegungen zu beteiligen.“
Die Privatisierung der Unikliniken in Gießen und Marburg war von Anfang an heftig kritisiert worden. Doch die hessische Landesregierung wollte Geld sparen– die Rhön-Klinikum AG versprach sich ein lukratives Geschäft. Jetzt fordert der Eigentümer aber hohe Zuschüsse vom Land. Keine einfache Situation für die zuständige Ministerin.
Angela Dorn, B‘90 / Grüne, Wissenschaftsministerin Hessen
„Ich möchte eine Einigung erreichen mit Rhön. Ich finde es unverantwortlich, dass dieses Zukunftspapier gekündigt worden ist. Die Gespräche sind nicht nur einfach. Aber wir sind weit gekommen. Sehr weit gekommen. Und aus meiner Sicht können wir zu einer Einigung kommen, und das auch sehr zügig.“
Vielleicht auch, weil die Wissenschaftsministerin noch einen Trumpf auf der Hand hat: Sie könnte Rhön und Asklepios damit drohen, das UKGM zurück in die öffentliche Hand zu führen, wie das auch viele Mitarbeiter und der Betriebsrat fordern.
Frank Eggers, Betriebsrat UKGM
„Als ich 1985 in die Gesichter meiner Kollegen geguckt habe, sah ich dort Freude und Zuversicht. Freude über gute Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, und Zuversicht, dass das so bleibt. Wenn ich heute in die Gesichter reingucke, sehe ich Frustration und Befürchtung.“
Rund 600 Mitarbeiter sind heute an dem Warnstreik beteiligt. Die Unikliniken Gießen und Marburg arbeiten nur mit einer Notbesetzung. Ob es zu weiteren Streiks komme, sagt die Gewerkschaft, hänge vom weiteren Verlauf der Verhandlungen ab.