Kliniken mit dem Rücken zur Wand

Geschlossene Notaufnahmen, gesperrte Intensivbetten, noch nie dagewesene Krankenstände beim Personal. Viele Kliniken stehen aktuell mit dem Rücken zur Wand. Nachdem sie sich gerade von der Corona-Pandemie ein wenig erholt haben, führen jetzt Inflation und steigende Energiepreise zu großen Problemen. Die Krankenhausgesellschaften warnen: Wenn die Politik nicht sofort handelt, seien Insolvenzen unvermeidbar.

Die Station 5 des DRK-Krankenhauses in Alzey ist verwaist. Der Grund: das Personal fehlt, daher musste der Betrieb seit März eingeschränkt werden. Eines von vielen Problemen, mit denen das Klinikum derzeit zu kämpfen hat. Die Energiekosten werden sich voraussichtlich vervierfachen, die Inflation macht alles teurer. Allein für die Wäscherei bezahlt es bereits knapp 24% mehr.
Michael Nordhoff, Kaufmännischer Direktor DRK-Krankenhaus Alzey
„Die Energiekosten müssen Sie zahlen, müssen wir zahlen, wie jeder andere daheim auch. Wir müssen Gehälter zahlen und wir hoffen, dass wir das weiter tun können, das ist ganz entscheidend. Und wenn wir das nicht mehr tun können, dann sind wir irgendwann an einem Punkt, an dem wir sagen müssen, wir befinden uns auf der Kippe, wir befinden uns im Bereich der roten Zahlen.“
Rund 60% der Krankenhäuser machen aktuell Verluste. Geht es so weiter, könnten es im nächsten Jahr 80% sein, damit rechnen zumindest die 16 Krankenhausgesellschaften des Landes. Zusammen haben sie eine Petition gestartet, in der sie die Politik dazu aufrufen, die Kliniken zu retten.
Hartmut Münzel, Vorstandsvorsitzender Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz
„Ich weiß, dass Krankenhäuser oft schon in schwieriger Situation waren und immer hieß es: Jetzt ist es soweit. Aber ich bin seit vielen Jahren im Krankenhausgeschäft tätig und ich denke, so ernst wie in diesem Jahr war die Situation noch nie.“
Allein bei den Sachkosten klaffe in Rheinland-Pfalz eine finanzielle Lücke von 87 Millionen Euro. Der Zusammenschluss fordert einen Inflationsausgleich für alle deutschen Kliniken, um die Folgen abzumildern. Um Energie und Kosten zu sparen, haben sie hier in der Kreisklinik im hessischen Groß-Gerau schon ihr Möglichstes getan. Eine Solaranlage auf dem Dach und drei Gas-Heizkessel sollen die Versorgung sichern. Im Notfall können diese auf Öl umgestellt werden.
Stefan Kohlschreiber, Technischer Leiter Kreisklinikum Groß-Gerau
„Wir haben momentan 70.000 Liter Öl eingelagert. Schauen wir mal, wie lange das hält. Das hängt natürlich vom kommenden Winter ab.“
Mehr Energie einzusparen, indem zum Beispiel die Temperatur runtergedreht werde, sei hier so gut wie unmöglich, sagt die Klinikchefin.
Prof. Erika Raab, Geschäftsführerin Kreisklinik Groß-Gerau
„In einer Klinik im medizinischen Bereich zu sparen, ist ganz schwierig. Man kann das OP-Licht nicht dimmen, man kann nicht die Arzneimittel-Kühlschränke sozusagen wärmer machen, weil dann die Arzneimittel verderben. Wir haben ganz viele Hygienevorgaben, wie warm muss das Wasser sein, damit die Leitungen keine Keime haben.“
Der hessische Gesundheitsminister Kai Klose verweist bei den Forderungen nach mehr Geld auf die Investitionsmittel des Landes, die stetig gestiegen seien. 300 Millionen Euro stünden den Kliniken dieses Jahr zur Verfügung. Die Energiekosten dürfen davon aber nicht bezahlt werden.
Am Personal sparen oder Leistungen herunterfahren? Für Michael Nordhoff steht fest: auch das hilft ihnen nicht aus der Krise.
Michael Nordhoff, Kaufmännischer Direktor DRK-Krankenhaus Alzey
„Es wäre jetzt kein kluger Rat, zu sagen: Wir fahren jetzt Stockwerk für Stockwerk die Belegung runter, wie Sie das hier sehen, und wir hören auf zu arbeiten. Dann haben wir irgendwann unser Unternehmensziel auf den Kopf gestellt und dann macht der Letzte das Licht aus.“
Für die Kliniken ist es mal wieder ein Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Gesundheit. Doch dieses Mal geht es um ihr eigenes Überleben.