„Kalte Nahwärme“ in Bad Nauheim

In Neubauten löst die Wärmepumpe Gas- und Öl-Heizungen immer mehr ab. Auch Energiekonzepte wie die Fernwärme sind im Kommen. Bisher noch nicht weit verbreitet ist ein Modell, auf das die Stadt Bad Nauheim für ihre Neubaugebiete setzt: Die „kalte Nahwärme“.

Ob Winter oder Sommer, Hausschuhe braucht Familie Michael das ganze Jahr nicht. Beim Bau ihres Hauses im Neubaugebiet Bad Nauheim Süd entschied sie sich für das Energiekonzept „kalte Nahwärme“. Erzeugt wird die nur wenige hundert Meter entfernt. Im Boden unter den Erdbeeren liegt eine Art überdimensionierte Fußbodenheizung, insgesamt 22.000 Quadratmeter Fläche auf zwei Schichten verteilt. Die Rohre sind mit Sole, also einer Salzlösung gefüllt, die die natürliche Wärme des Bodens aufnimmt und in die Häuser leitet. Insgesamt 400 Wohneinheiten werden so versorgt. Das Energiekonzept mit dem etwas widersprüchlichen Namen ist ein Pilotprojekt der Stadtwerke Bad Nauheim.
Sebastian Böck, Stadtwerke Bad Nauheim: „Kalte Nahwärme ist erst mal ein Widerspruch, das stimmt. Es soll aber so ein bisschen verglichen werden mit der klassischen Fernwärme. Wir transportieren hier keine erzeugte Wärme durch den Boden, sondern die Umgebungstemperatur aus dem Erdreich, haben somit keinerlei Wärmeverluste, im Gegenteil, hier haben wir Wärmegewinne, was das ganze so effizient macht.“
Und so funktioniert‘s: Die Sole in den Rohren erwärmt sich durch die Bodentemperatur – im Jahresdurchschnitt – auf etwa 10 Grad. Deshalb spricht man von kalter Nahwärme. Weil das nicht warm genug ist zum Heizen, ist jedes Haus mit einer Wärmepumpe ausgestattet. Diese nutzt nicht wie viele andere die Außenluft und erwärmt sie, sondern komprimiert die in der Sole enthaltene Wärme. Das ist vor allem im Winter energieeffizienter. Denn der Boden, der die Sole erwärmt, kühlt nicht so stark ab wie die Luft. Für Familie Michael heißt das: warmes Wasser zum Händewaschen und eine angenehme Raumtemperatur über die Fußbodenheizung. Für die Anschaffung der Wärmepumpe gab es einen Zuschuss von den Stadtwerken und bis Ende 2025 eine Wärmepreisgarantie von 14,28 Cent pro Kilowattstunde.
Timo Michael, Anwohner: „Dann haben wir uns entschieden, weil das für uns so ein ökologisches Ding war, so eine Kombination aus ich heize für mich ökologisch, energieeffizient, dadurch, dass ich das 300 Meter entfernt hab beim Bauern um die Ecke und ich hab aber nicht die eigene Verantwortung, das heißt, ich habe immer noch jemanden als Ansprechpartner, wenn was schief läuft.“
In die kalte Nahwärme in Bad Nauheim Süd haben die Stadtwerke rund 7 Millionen Euro investiert. Rentieren wird sich das für sie erst in Jahrzehnten. Doch Bad Nauheim ist von dem Konzept überzeugt: Auch für ein zweites Neubeugebiet im Stadtteil Rödgen, wurde gerade ein kaltes Nahwärmenetz verlegt.