Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen

Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen! Zu diesem Ergebnis kommt die neue Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung – kurz IGLU. Die Erkenntnisse der Studie, die heute in Berlin vorgestellt wurde, besorgen auch Pädagogen und Politiker in Rheinland-Pfalz und Hessen, denn der Trend zeigt schon seit 20 Jahren nur noch bergab.

Mario Michel ist besorgt. Die Ergebnisse der IGLU-Studie bestätigen das, was er als Leiter einer Grundschule bei Marburg bereits seit Jahren erlebt.
O-Ton Mario Michel, Vorsitzender Grundschulverband Hessen
„Wir können immer nur am Vormittag gewisse Dinge auffangen. Jedes Elternteil muss seine Rolle auch noch mal überdenken. Viel im Bereich Lesen geht über das Vorlesen, über das gemeinsame Lesen, über das Interesse am Lesen, und das können wir alleine als Schule, als Bildungseinrichtung nicht hinbekommen, sondern da müssen die Eltern uns ganz stark unterstützen.“
Die Studie legt die Missstände in Deutschland schonungslos offen. Rund ein Viertel der Grundschüler erreicht nach internationalem Standard keine ausreichende Lesekompetenz und muss im weiteren Verlauf der Schul- und Berufszeit mit großen Schwierigkeiten rechnen.
Platz eins der teilnehmenden Länder belegt Singapur – das stärkste europäische Land ist England. Deutschland landet im Vergleich der insgesamt 43 Länder nur auf Platz 19 und damit knapp unter dem Durchschnitt der europäischen Länder.“
Aus den Bildungsministerien in Hessen und Rheinland-Pfalz steht heute niemand für eine Reaktion zu den Ergebnissen der IGLU-Studie zur Verfügung. Schriftlich teilt uns das hessische Kultusministerium mit:
„In Zeiten, in denen die Schülerschaft durch Migration und Zuwanderung immer heterogener wird und zudem viele Kinder heutzutage aus dem Elternhaus leider nicht immer die nötige Unterstützung beim Lesen und Lernen erhalten, bestätigt die Studie den Weg in Hessen zur konsequenten […] Förderung der deutschen Sprache.“
Außerdem sei die Untersuchung während der Corona-Pandemie angefertigt worden, was die Daten negativ beeinflusst habe.
Für die Lehrergewerkschaft GEW ist die Lösung klar. Die Lage könne sich nur mit mehr Lehrkräften verbessern. Den Vorschlag der Kultusministerkonferenz, man könne den Fachkräftemangel mittelfristig dadurch bekämpfen, dass vorhandene Lehrkräfte mehr arbeiten und weniger in Teilzeit gehen, empört den Vorsitzenden der GEW Rheinland-Pfalz:
Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender GEW Rheinland-Pfalz
„Das was die KMK da gesagt hat, ist eine Bankrotterklärung der Politik der letzten Jahre. Jetzt versucht man mit massiven Stellschrauben alles rauszuquetschen, was in den Grundschullehrkräften noch drinsteckt. Jetzt müssen wir einen Maßnahmenplan entwickeln. Die Fachkräfte sind in der Tat nicht da, wie wir sie brauchen. Deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung auch mit den Gewerkschaften überlegt, was getan werden kann. Denn ohne mehr Köpfe an den Grundschulen werden wir bei der nächsten Studie wieder schlechter abschneiden und das kann ja nicht das Ziel sein.“
Über mehr Personal würde sich auch Mario Michel freuen. Doch ein Allheilmittel ist auch das nicht, sagt der Schulleiter.
O-Ton Mario Michel, Leiter Grundschule Kirschhain
„Wir müssen uns wieder auf wichtige Dinge besinnen und entschlacken. Nicht immer mehr, mehr, mehr, sondern lieber weniger und dafür das konsequent und intensiv. Und da ist das Lesen, das Rechtschreiben ganz zentral. Und nicht mehr Programme außen drumherum, sondern der Fokus muss einfach auf diesen Dingen liegen.“
In fünf Jahren steht die nächste IGLU-Studie an. Bislang deutet wenig darauf hin, dass der Abwärtstrend in Deutschland bis dahin gestoppt sein wird.