Integrative Kitas vor dem Aus?

Heute haben in Kaiserslautern Eltern, Kinder und Kita-Mitarbeiter gegen das neue rheinland-pfälzische Kita-Gesetz demonstriert, das regelt, wie Kinder mit einer Beeinträchtigung in Kitas künftig betreut und unterstützt werden. Betroffene Familien befürchten durch die Neuerungen eine schlechtere Versorgung für ihre Kinder. Große Sorgen machen sich auch die fünf integrativen Kitas der Lebenshilfe in Kaiserslautern.

Gemeinsam spielen, lernen und aufwachsen – in der integrativen Kita Wipo-Wichtel in Kaiserslautern eine Selbstverständlichkeit. Und – sehr wichtig. Denn Behandlungen für Kinder mit einer Behinderung finden direkt vor Ort statt.
Susanne van der Meijden, Physiotherapeutin Kita „Wipo-Wichtel“
„Er kann hier einfach seinen Alltag erleben. Er ist hier im Kindergarten, er ist hier integriert. Seine Eltern müssen außerhalb nicht noch einmal extra zur Therapie fahren, was oft vormittags ist, da kann er nicht in den Kindergarten kommen. Ich kann jetzt auch so direkt Rückmeldung geben an die Gruppe, wo sie drauf achten können und wo nicht. Was für ihn wichtig ist, wie sie mit seiner motorischen Beeinträchtigung umgehen sollen.“
Mit dem neuen Kita-Gesetz von Rheinland-Pfalz könnte sich die Situation ändern. Es hat die Versorgung der Kinder mit Behinderung in die Hand der Kommunen gelegt und sieht vor, dass ab 2023 jedes Kind erst einmal in eine Regel-Kita kommt. Dort würde jährlich neu beurteilt werden, welche Behandlungen das Kind benötigt. Die Behandlung selbst würde dann nicht mehr in der Kita stattfinden.
Monika Sadaune, Psychologin Kita „Wipo-Wichtel“
„Es ist halt ganz, ganz schlimm, weil wir haben halt auch doch Kinder von Eltern, die selbst beeinträchtigt sind. Oder halt Hilfe nötig haben bezüglich wie kriegt mein Kind überhaupt Therapie, was muss ich tun, dass es Therapie bekommt. Und das nehmen wir hier ja alles den Eltern ab.“
Die Eltern fürchten außerdem, nicht mehr so leicht an finanzielle Zuschüsse zu kommen wie bislang. Momentan sammeln die Kommunen die Gelder im Hintergrund ein und stellen sie der Kita zur Verfügung. Mit der Neuregelung müssten Eltern alle Hilfeleistungen einzeln bei der Krankenversicherung beantragen. Hinzu komme, dass durch die jährliche Neueinschätzung der Kinder, Kitas ihr Personal nur vage planen könnten. Dagegen demonstrieren heute Familien und Kitas in Kaiserslautern.
Erzieherin
„Unsere Sorge ist natürlich, dass der Personalschlüssel sich zu Ungunsten der Kinder und auch zu Ungunsten von uns verändern wird. Dass Kinder nicht mehr entsprechend betreut werden können.“
Natalie Forell, Unterstützerin
„Es tut mir leid für die Eltern und die Kinder.“
Christine Schanz, Angehörige
„Ich glaube, die meisten verstehen das einfach nicht, warum so eine Entscheidung getroffen wurde. Es gibt bestimmt irgendwelche Entscheidungskriterien oder warum sie sich so entschieden haben. Aber ich glaube, wir sind alle fassungslos.“
Das rheinland-pfälzische Sozialministerium verteidigt das Kita-Gesetz.
Alexander Schweitzer, SPD, Sozialminister Rheinland-Pfalz
„Maßgeblich für den Anspruch eines Kindes auf einen Kita-Platz ist schon immer ausschließlich das Alter des Kindes – und nicht individuelle Merkmale. Dies entspricht dem inklusiven Gedanken. Zusätzliche Mehrbedarfe sind nicht einfach im Regelbetrieb von den Erzieherinnen und Erziehern zu stemmen.“
Für David Lyle von der Lebenshilfe ist das aber in der Realität so nicht umzusetzen.
David Lyle, Vorstand Lebenshilfe Westpfalz e.V.
„Regel-Kitas sind für mich in Rheinland-Pfalz, sicherlich auch in anderen Bundesländern, chronisch unterfinanziert. Die sind überlastet, weil man versucht, Massen an Kinder zu versorgen. Und jetzt soll man, weil Kinder ja Kinder sind nach dem rheinland-pfälzischen Gesetz, auch noch deutlich mehr schwerbehinderte Kinder aufnehmen. Das ist nicht durchdacht. Die Grundidee ist super, da stehen wir auch dazu. Aber nicht einfach Hals über Kopf und ohne dass die Rahmenbedingungen in den Regeleinrichtungen korrekt sind.“
Er steht derzeit in Verhandlungen mit den zuständigen Kommunen, die für die Ausführung des Gesetzes zuständig sind. Findet man dort keine Einigung, sieht er sich gezwungen, seine fünf integrativen Kitas in Kaiserslautern zu schließen.