Innenminister Michael Ebling im Talk zum Thema Innere Sicherheit

Es sind Vorfälle wie der am Frankfurter Hauptbahnhof, die sich auch ganz generell negativ auf das Sicherheitsgefühl der Menschen auswirken. Viele fragen sich: Kann ich mich noch unbeschwert an Bahnhöfen und anderen Plätzen meiner Stadt bewegen? Vor allem die zunehmende Zahl von Berichten über Messerangriffe im öffentlichen Raum hat eine große Sicherheitsdebatte ausgelöst. Darüber sprechen wir mit dem rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling. Zuvor aber ein kurzer Überblick über die aktuelle Situation.

Am Montag hat die Bundespolizei bei der Vorstellung ihres Jahresberichts erschreckende Zahlen gemeldet: So hat die Zahl der Messerangriffe an Bahnhöfen, an Flughäfen sowie an den Landesgrenzen mit 853 Delikten einen neuen Höchststand erreicht. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung hätten dabei ausländische Staatsbürger sechsmal häufiger zum Messer gegriffen als Deutsche.
Um die Gefahr von Messerangriffen einzudämmen, haben die hessischen Städte Frankfurt, Limburg, Wiesbaden und Kassel Waffenverbotszonen eingerichtet. Vor allem rund um die Bahnhöfe, aber auch an anderen Brennpunkten gilt dort zu bestimmten Uhrzeiten: Messer mitführen verboten.
In Rheinland-Pfalz gibt es solche Waffenverbotszonen bislang noch nicht. Vor allem in Mainz werden die Forderungen danach aber in letzter Zeit lauter.
Um das Problem der zunehmenden Zahl von Messerattacken besser in den Griff zu bekommen, plant Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das Mitführen von Messern ab einer Klingenlänge von sechs Zentimetern im öffentlichen Raum zu verbieten. Bislang gilt das nur für Messer ab einer Klingenlänge von 12 Zentimetern. Laut einer Forsa-Umfrage würden 82 Prozent Bundesbürger eine solche strengere Regelung begrüßen – auch der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling hat bereits seine Zustimmung signalisiert.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Und mit ihm sprechen wir jetzt. Ich begrüße ihn bei mir im Studio, den rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling. Guten Abend!
Michael Ebling (SPD), Innenminsiter Rheinland-Pfalz:
Guten Abend.
Dieterle:
Herr Ebling, es wird gerade viel über die Klingenlänge diskutiert. Da stellen sich natürlich zwei Fragen. Zum einen ist es einem potenziellen Täter nicht völlig egal, wie lange eine Messerklinge sein darf? Und zum anderen die Frage: Bislang waren zwölf Zentimeter erlaubt, jetzt nur noch sechs Zentimeter. Aber mit sechs Zentimetern kann man ja auch einen enormen Schaden anrichten. Wo liegt da der Sinn?
Ebling:
Es ist schon sinnvoll, noch mal zu schauen, wie man das Waffenrecht nachschärfen kann. Das ist am Ende die Grundlage dafür, dass man auch eingreifen kann, dass eine Polizei oder kommunale Ordnungsbehörden auch verhindern können, dass überhaupt mehr im öffentlichen Raum an Waffen mitgetragen wird. Und da gilt es festzustellen: Messer haben im öffentlichen Raum nichts zu suchen. Die Messer gehören vielleicht noch in die Küche zu Hause, aber ansonsten gibt es auch keine Berechtigung oder keine Begründung dafür, dass im öffentlichen Raum getragen wird.
Dieterle:
Warum verbietet man sie nicht generell? Warum sind dann sechs Zentimeter in Ordnung?
Ebling:
Na ja, es geht am Ende darum, natürlich über einen Grad von Gefährlichkeit zu reden. Und da gilt sicherlich nicht der Kampf darum, sind es nun sieben oder sind es nun 4,3, sondern einfach eine klare Regelung zu finden, dass ab einer gewissen Klingenlänge es nun mal wahrlich durch das allgemeine Leben keine Begründung dafür gibt, warum ich überhaupt ein Messer mit mir führen kann oder sollte. Und allein aus diesem Grund heraus wäre es gut, das Waffenrecht würde für Klarheit sorgen. Das ist ein Auftrag an die Bundesregierung. Den unterstütze ich auch im Rahmen der Innenministerkonferenz sehr.
Dieterle:
In Rheinland-Pfalz gibt es keine Waffenverbotszonen. Sie planen auch nicht welche einzuführen, obwohl das ja schon den Beamten vor Ort auf Streife quasi ganz andere Befugnisse auch bei der Personenkontrolle geben würde.
Ebling:
Das hat einfach einen Grund darin, dass wir uns objektiv erst mal an den Zahlen orientieren sollten und Tatsache: In Rheinland-Pfalz gehen Delikte mit dem Messer in den letzten Jahren zurück. Wir haben im vergangenen Jahr einen minimalen Anstieg gehabt. Also insofern: Wir haben diese Art der Brennpunkte, über die natürlich in Deutschland zu Recht diskutiert wird, und wofür ich auch bin, dass wir Waffenrecht verschärfen, in Rheinland-Pfalz an der Stelle nicht. Darüber können wir erst mal nur froh sein. Wenn sich Dinge verändern, lageorientiert angepasst will ich nicht ausschließen, dass wir auch zu Verbotszonen kommen, aber aktuell ist es aus der objektiven Lage heraus auch gar nicht ableitbar.
Dieterle:
Warum macht wieder jedes Bundesland sein eigenes Ding? Warum gibt es nicht ein generelles Waffenverbot auf deutschen Straßen? Das würde doch unweigerlich für mehr Sicherheit sorgen.
Ebling:
Das würde wirklich für mehr Sicherheit sorgen. Und das macht eklatant eines deutlich, dass die Bundesregierung diese Lücke im Moment nicht schafft zu schließen. Und das ist tatsächlich etwas, was schwierig ist. Wir erleben eine Diskussion um eine allgemeine Zunahme von der Tatwaffe Messer im öffentlichen Raum und wir schaffen es nicht, dass die Bundesregierung diese waffenrechtliche Klarheit jetzt sorgt. Das bedauere ich sehr und deswegen nun noch mal mit Nachdruck: Der Bundesgesetzgeber ist gefordert, hier jetzt auch zu handeln. Dann haben wir einheitlichere Regelungen. Und in der Tat, das würde auch verhindern, dass wir in den Ländern immer wieder zu unterschiedlichen Regelungen kommen müssen.
Dieterle:
Herr Ebling, Sie bleiben noch bei uns, denn wir haben jetzt ein weiteres wichtiges aktuelles Thema. Und zwar geht es bei uns jetzt um Grenzkontrollen. Die illegale Einwanderung nach Europa nimmt zu. Das Hauptziel ist Deutschland. Um das einzudämmen, finden gerade vorübergehende Kontrollen an den deutschen Grenzen statt. Schon seit längerem an den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz und temporär auch an der Grenze zu Frankreich. Ein Blick auf die Lage.
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Stichprobenartig kontrolliert die Bundespolizei aktuell hier an der B9 im südpfälzischen Scheibenhardt den Grenzverkehr zwischen Frankreich und Deutschland.
Während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland haben schon einmal stationäre Grenzkontrollen zu den westlichen Nachbarn stattgefunden. Dabei hat die Bundespolizei tausende unerlaubte Einreisen verhindert.
Für die Deutsche Polizeigewerkschaft Grund genug, die Grenzen zu Frankreich, aber auch den Benelux-Ländern dauerhaft stationär zu kontrollieren.
Denn nur so könnten die Beamten den Menschen, die keine Papiere für Deutschland haben, die Einreise direkt an der Grenze zu verweigern.
Wird jemand im Landesinneren ohne Aufenthaltserlaubnis angetroffen, könne er nicht einfach zurückgewiesen werden.
Heiko Teggatz, stellv. Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft
„Wir bringen ihn erst mal in eine Erstaufnahmeeinrichtung, dann wird entschieden darüber, was mit der Person weiter passiert. Dann läuft ein langwieriges Anbietungsverfahren nach Frankreich. Dann sagen die französischen Behörden irgendwann: ‚Ja, ihr könnt uns den wiederbringen, weil der kam ja aus Frankreich.‘ Aber vielleicht erst zwei / drei Monate später.“
Doch bisher findet die Forderung der Polizeigewerkschaft nach dauerhaften Kontrollen an den westlichen Grenzen wenig Gehör. Und so wird die Bundespolizei ihre Kontrollstation hier in der Südpfalz bald wieder abbauen.
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Dieterle:
Herr Ebling, die Grenzkontrollen haben sich bewährt. Da ist es ja eigentlich ein ganz natürlicher Reflex zu sagen: “Prima, das lassen wir weiterlaufen.” Warum passiert das nicht?
Ebling:
Ich würde sagen, da, wo es sich bewährt hat, sollen sie weiterlaufen. Wir reden hier zum Teil auch über die Frage: Wie können wir illegale Migration bekämpfen oder gerade auch Schleuserbanden bekämpfen? Das aber nicht unser Thema an den Grenzen zu Frankreich oder Benelux, das ist unser Thema an den Grenzen, zum Beispiel zu Österreich oder zu Tschechien. Und da ist es richtig, dass die Grenzkontrollen auch aufrechterhalten werden. Die Grenzkontrollen zu Frankreich hatten ihre Berechtigung bei den internationalen Sportereignissen EM oder Olympiade oder jetzt auch noch die Paralympics, weil da insbesondere die Sorge war, dass auch durch Anschläge Menschen motiviert werden könnten, einzureisen. Aber das ist ein temporäres Ereignis, und deswegen halte ich das auch nicht für notwendig, dass wir das dauerhaft aufrecht erhalten.
Dieterle:
Die Bundespolizei sieht das anders. Sie sagt: “Wir haben genau auch an diesen Westgrenzen sehr viele Menschen abgewiesen.”
Ebling:
Also wir weisen im Moment Menschen ab an den Grenzen innerhalb zum Osten hin und zum Süden hin. Das sind auch die Fluchtrouten. Da halte ich es auch für angemessen. Zum Westen hin ist unser Thema nicht, dass es ein Hotspot der illegalen Migration wird. Anders ausgedrückt: Wir leben in einem Europa, das auch von offenen Grenzen im hohen Maße profitiert. Gerade Rheinland Pfalz profitiert davon. Es gibt Pendlerinnen und Pendler tausendfach hin und her, Wirtschaftsbetriebe, Handwerksbetriebe. Also hier Grenzen wieder hochzuziehen, ist kein kluges Konzept, sondern dann muss man auf das setzen, was zum Glück hoffentlich jetzt auch stärker passiert. Wir müssen insgesamt die europäischen Grenzen besser schützen. Ja, das ist notwendig, um Migration auch zurückzudrängen.
Dieterle:
Ich möchte noch mal kurz an den Westgrenzen bleiben, Da hat Grenzabweisung stattgefunden. Das war effektiv zu dieser Zeit. Und trotzdem wird dieses Instrument künftig nicht genutzt. Die Menschen verstehen das nicht.
Ebling:
Wir, die Menschen, verstehen aber auch nicht – wir erinnern uns an eine Corona-Pandemie, da gab es Grenzkontrollen und plötzlich kam auch der Grenzverkehr zu Frankreich zum Erliegen. Das ist keine Banalität, das ist ein Rückschritt in die 60er Jahre. Was wir da dauerhaft und auch nachhaltig brauchen, ist ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen. Und die finden nicht zwischen Frankreich und Deutschland statt. Und was wir brauchen, ist ein Blick darauf, dass die Migrationsbewegung nicht über Frankreich uns ein Problem beschert, sondern insbesondere über den Osten und den Süden. Und deshalb, an dieser Stelle wäre es dann auch sinnvoll, weiterhin Grenzkontrollen zu halten. Rheinland-Pfalz im Herzen von Europa sollte sich dafür einsetzen, dass die Grenzen offen bleiben.
Dieterle:
Es gibt natürlich Pendler, die davon betroffen waren. Es hat Verzögerungen gegeben, aber die waren nicht immens. Glauben Sie nicht, dass die Leute zwar ein freies Europa wollen, wenn es aber dann um die Frage geht, dass sie auch ein sicheres Europa wollen, dass sie dann Verzögerungen an den Grenzen in Kauf nehmen würden, auch dauerhaft?
Ebling:
Und deshalb meine ich trotzdem, wenn wir Europa auch frei halten sollten und das als Wirtschaftsraum, aber natürlich auch als Raum, in dem Bewegung und Kontakt stattfindet, brauchen wir mehr Energie für die Sicherung der Außengrenzen. Dazu gibt es auch einen entsprechenden Kompromiss der europäischen Länder. Dazu gibt es jetzt auch nationale Umsetzung innerhalb von Deutschland. Ich finde, das ist der richtige Weg. Die Grenzen wieder hochzuziehen innerhalb von Europa höhlt am Ende die Einheit Europas aus und wir verlieren wichtige Effekte, die wir für unsere Wirtschaft, für unseren Wohlstand am Ende auch brauchen.
Dieterle:
Gerne wird in diesem Zusammenhang dann der Asylkompromiss genannt. Noch greift er ja aber gar nicht. Und auch wenn er dann kommt, wissen wir nicht, wie effektiv er sein wird. Warum wartet man nicht zumindest so lange ab, bis der Asylkompromiss positive Effekte zeigt und hält die Grenzkontrollen so lange aufrecht?
Ebling:
Erst mal ist es gut, dass es überhaupt diesen Asylkompromiss gibt. So weit war man auf der europäischen Ebene noch nie. Man war auch noch nie so weit, in der deutschen Innenpolitik einen Konsens darüber zu haben, dass wir Migration auch begrenzen müssen. Genau das geschieht deshalb jetzt auch konsequent in der Umsetzung von EU-Recht zu nationalem Recht. Davon gehe ich fest aus. Und gleichzeitig: Die Hauptfucht oder Routen, über die Migration stattfindet, das ist nicht die Bewegung zwischen Frankreich und Deutschland, sondern das ist viel, viel stärker die Bewegung, die über den Süden Europas dann auch uns an den südlichen Grenzen erreichen. Und da dezidiert bin ich auch der Ansicht, ist es gut, wenn man weiterhin Grenzkontrollen hat.
Dieterle:
Das sagt der rheinland-pfälzische Innenminister. Wir sind gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Herr Ebling, vielen Dank.
Ebling:
Danke schön.