Immer mehr Grippe- und Corona-Infizierte

Sind in Ihrem Umfeld gerade auch viele Menschen krank, haben Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen? Tatsächlich rollt gerade eine Erkältungswelle durch Hessen und Rheinland-Pfalz – und auch Corona-Pandemie ist noch nicht beendet.

Wenn der Sommer geht, sind die Erkältungsviren auf dem Vormarsch. Dass auch Krankheitserreger Saison haben, darauf war viele Jahre Verlass. Doch in diesem Jahr haben sich schon im Sommer ungewöhnlich viele Menschen erkältet.
Und der Trend setzt sich fort: Das Robert-Koch-Institut verzeichnet einen beachtlichen Anstieg an akuten Atemwegsinfektionen bei Erwachsenen. Bei den Hausärzten sorgt das für volle Wartezimmer.
Gleichzeitig infizieren sich nach wie vor viele Hessen und Rheinland-Pfälzer mit dem Corona-Virus, genauer mit der stark ansteckenden Omikron-Variante BA.5. Seit wenigen Wochen ist der auf diese Variante angepasste Impfstoff verfügbar, was die Nachfrage nach Corona-Schutzimpfungen wieder steigen lässt.
Gegen eine Erkältung gibt es keinen Impfschutz. Wohl aber gegen die echte Grippe – die Influenza. Sich an einem Tag gegen die Grippe und Corona impfen zu lassen, ist problemlos möglich.
So oder so empfehlen Experten: Wer krank ist, sollte zuhause bleiben und wenn das nicht geht, zum Schutz der anderen eine Maske tragen.
Vitaminreich essen und genug Bewegung – vor allem an der frischen Luft – stärken das Immunsystem. Und noch lädt das Wetter dazu ja auch ein.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Wir wollen das Ganze jetzt noch mal für Sie einordnen und deshalb schalten wir nach Frankfurt, zu Virologe Martin Stürmer, Hallo Herr Stürmer.
Dr. Martin Stürmer, Virologe IMD Labor: Hallo, ich grüße Sie.
Dieterle: Viele Menschen haben gerade eine laufende Nase, Halsschmerzen usw. Bei den meisten handelt es sich wahrscheinlich eher um eine Erkältung und nicht um eine Grippe, oder? Erkältungen sind doch deutlich häufiger?
Stürmer: Ja, wir haben tatsächlich mit Beginn der kalten Jahreszeit eben nicht nur eine Coronawelle, eine zusätzliche, sondern auch ganz klassische Erkältungskrankheiten, die wir ja jetzt in den letzten zwei Jahren nicht mehr so gewohnt waren durch die restriktiven Corona-Maßnahmen, die uns aber sonst in unserem Leben ja eigentlich alltäglich begleitet haben. Insofern passiert jetzt das, was die letzten zwei Jahre einfach dank dieser Maßnahme ausgefallen ist.
Dieterle: Was ist denn der Unterschied zwischen einer Erkältung und einer Grippe?
Stürmer: Es gibt verschiedene Definitionen. Die klassische Virus-Grippe wird durch ein Virus tatsächlich auch verursacht. Man kriegt sehr schnell hohes Fieber und ist 14 Tage so richtig platt. Dagegen der grippalen Effekt, also diese klassischen Erkältungserkrankungen, da baut sich das ganze Krankheitsbild auch langsam auf. Wir kriegen erst mal so sukzessive leichtes Fieber und sind entsprechend anders, auch vom Krankheitsgefühl verursacht. Es gibt eben verschiedenste Erreger, die diese Erkältungserkrankungen auslösen können. Das sind nicht nur Viren, sondern da gehören natürlich auch Bakterien mit dazu.
Dieterle: Sind diese Erkältungs- und Grippewellen denn jetzt stärker als in der Vor-Corona-Zeit oder auf dem gleichen Niveau?
Stürmer: Wenn man sich jetzt die letzten Jahre mal so anguckt, wir sind ein kleines bisschen früher dran, so eins, zwei Wochen, als wir es sonst gehabt haben. Und natürlich ist zu erwarten von dem, was wir auf der Südhalbkugel beobachtet haben, wo eine sehr heftige Virusgrippewelle, also ein Influenzawelle durchgelaufen ist, dass Ähnliches bei uns zutreffen wird. Wir haben in den zwei Jahren tatsächlich viel vermeiden können. Das hat uns, glaube ich, allen auch mal gutgetan, mit weniger Schniefnase durch das Leben zu gehen. Aber das rächt sich natürlich so ein bisschen, weil unser Immunsystem natürlich relativ wenig Kontakt mit diesen Erregern hatte. Jetzt, durch nahezu Wegfall aller Maßnahmen haben wir natürlich deutlich intensiver wieder Kontakte und werden entsprechend auch heftiger reagieren.
Dieterle: Wir stecken ja gerade auch mitten in einer Energiekrise – das heißt uns erwartet ein Herbst und ein Winter, in dem vermutlich deutlich weniger geheizt werden wird. Macht uns das virenanfälliger?
Stürmer: Grundsätzlich ist es erst mal ganz wichtig zu verstehen, warum wir im Herbst und Winter häufiger uns anstecken. Das liegt natürlich zum einen daran, dass wir vermehrt in der kalten Jahreszeit uns in geschlossenen Räumen aufhalten. Da ist es jetzt unabhängig davon, ob er warm oder kalt ist, der Raum, dass unsere Atemwege, unsere Schleimhäute etwas gereizter, etwas empfänglicher sind für Infektionen durch die durch die Heizungsluft. Das würde jetzt so ein bisschen reduzieren. Aber insgesamt denke ich nicht, dass wir in größere Probleme kommen. Natürlich, das, was wir für Corona empfehlen, gerade in Schulen mit dem viel Lüften, das wird natürlich etwas kritischer, wenn ich jetzt den Raum danach nicht wieder ordentlich anheizen kann. Insofern wird das ganz spannend sein, herauszufinden, wie sich das tatsächlich jetzt entwickelt in den nächsten Monaten.
Dieterle: Schützen die Corona-Impfungen denn auch gegen Erkältungs- und Grippeviren?
Stürmer: Also grundsätzlich hilft oder schützt eine Impfung, wenn sie denn vor Infektionen bei Corona schützt, tatsächlich auch nur gegen das Virus spezifisch. Was natürlich passiert nach einer Impfung: Unser Immunsystem besteht ja aus mehreren Komponenten und wir haben auch eine sogenannte angeborene Immunität, das heißt, da reagiert das System, das Immunsystem sehr unspezifisch, mit eben zum Beispiel Fieber. Und wenn ich jetzt durch eine Impfung eine entsprechende Immunaktivierung dieses angeborenen Immunsystems bekomme, das hilft natürlich auch ein bisschen gegen alle anderen Erreger, die ich im Körper trage. Aber von der Spezifität her, also die Antikörper, bzw. die zelluläre Immunität, das richtet sich natürlich nur gegen den Erreger, gegen den ich geimpft habe.
Dieterle: Das ganze Jahr über ist die Rede davon, dass wir nach all den Lockerungen auf einen Corona-Herbst zusteuern. Jetzt ist Oktober, der Herbst ist da. Was erwartet uns?
Stürmer: Ja, wir haben ja schon die steigenden Zahlen beobachten dürfen und sehen j auch teilweise schon wieder, dass die Krankenhäuser etwas mehr zu tun bekommen, dass Intensivstationen etwas mehr zu tun bekommen. Das spiegelt halt eben das dynamische Infektionsgeschehen wieder. Dementsprechend muss man davon ausgehen, dass sich das in den Herbst und Winter weiter hineinziehen wird. Außer wir steuern adäquat gegen. Wir haben im Infektionensschutzgesetze, ja, diverse Maßnahmen drin, die natürlich deutlich abgespeckter sind, als in den letzten Jahren möglich war. Nichtsdestotrotz haben die Bundesländer individuelle Möglichkeiten gegenzusteuern. Ich denke, wenn wir jetzt konsequent die Maskenpflicht erst mal umsetzen, wenn wir tatsächlich noch mal mit einer Impfkampagne an den Start gehen, mit den angepassten Impfstoffen, dann sollten wir in der Lage sein, die Corona-Herbst- und Winterwelle abzumildern und relativ gut durch den Winter kommen zu können.
Dieterle: Herr Stürmer, vielen Dank für Ihre Einordnungen.
Stürmer: Sehr gerne.