Im Studio: Hessens Justizminister Roman Poseck

Knapp ein Jahr ist er im Amt – Hessens Justizminister Roman Poseck. Und er hat viel zu tun. In dieser Woche steht die Justizministerkonferenz in Berlin mit vielen verschiedenen Themen an.

Es ist ein ungewöhnlicher Weg, der Roman Poseck ins Amt des Hessischen Justizministers geführt hat: So arbeitet sich Poseck zunächst vom Richter am Oberlandesgericht zum Vorsitzenden des Hessischen Verfassungsgerichts die Karriereleiter hoch und ist zuletzt Hessens höchster Richter. Ende 2021 urteilt er in dieser Funktion, dass das Corona-Sondervermögen der Landesregierung gegen die Verfassung verstößt – kein Jahr später gehört er eben dieser Regierung selbst an, als Ministerpräsident Boris Rhein ihn für die geschasste Eva Kühne-Hörmann in sein erstes Kabinett beruft.
Ein Mann aus der Praxis also, dem es seit seinem Amtsantritt nicht an Herausforderungen fehlt. Die sehnlich erwartete Einführung der digitalen „E-Akte“ lässt weiter auf sich warten, Straftäter müssen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil die Prozesse nicht schnell genug umgesetzt werden können und an den Hessischen Gerichten fehlt es massiv an Personal.
Um das zu ändern kündigte der Justizminister in seiner letzten Regierungserklärung an, die Einstellungskriterien für Richter und Staatsanwälte zu senken und 500 zusätzliche Stellen zu schaffen.
Roman Poseck, (CDU), Justizminister Hessen am 11.10.2022
„Diese Rückendeckung braucht unsere Justiz, erst recht in Zeiten, in denen Teile der Gesellschaft Parallelwelten aufbauen und die Legitimation von Recht und Rechtsprechung in Frage stellen.“
Zu Fragen von Justizreformen zeigt der CDU-Politiker bislang meist klare Kante. Den Vorstoß des Bundes, Unfallflucht nach Autounfällen ohne Personenschaden nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, lehnt Poseck kategorisch ab. Als Anfang dieses Jahres zwei zwölf- und 13-jährige Mädchen in Freudenberg eine Bekannte ermorden, macht Roman Poseck klar: Eine Herabsetzung des Alters für Strafmündigkeit von aktuell 14 auf zwölf Jahre ist mit ihm nicht zu machen.
Juristische Streitfragen, eine veraltete Verwaltung und viel zu wenig Personal: Viele Baustellen also über die es zu reden gilt. Heute bei uns im Studio: Roman Poseck.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Ja, so ist das. Hier ist er, Roman Poseck. Guten Abend.
Roman Poseck, CDU, Justizminister Hessen: Guten Abend.
Dieterle: Herr Poseck. Sie sind seit knapp einem Jahr jetzt Justizminister. Sie waren vorher Richter. Haben Sie sich manchmal schon gedacht: “Mensch, wäre ich bloß Richter geblieben”?
Poseck: Nein, ich glaube, diese Überlegung habe ich kein einziges Mal gehabt. Zweifellos ist das ein Perspektivwechsel, den ich vollzogen habe. Ich war gerne Richter. Ich habe diese Aufgabe sehr gerne ausgefüllt. Das Richteramt ist durch ein hohes Maß an Unabhängigkeit gekennzeichnet, und als Präsident des Verfassungsgerichtes, auch als Präsident des Oberlandesgerichts, hatte ich natürlich sehr reizvolle und verantwortungsvolle Aufgaben. Aber ich bin diesen Schritt bewusst gegangen. Ich denke, ein Perspektivwechsel tut auch immer mal gut. Ich versuche jetzt, die Erfahrungen, die ich vorher in der Justiz gesammelt hatte, in die Arbeit als Justizminister einzubringen. Und man hat als Politiker am Kabinettstisch andere Gestaltungsmöglichkeiten. Das heißt, ich kann jetzt unmittelbar Einfluss darauf nehmen, wie die Justiz ausgestattet wird. Wir haben viele zusätzliche Stellen bekommen – das war ja bereits in dem Beitrag auch zu hören. So etwas kann man jetzt vom Kabinettstisch aus gestalten. Und das macht mir sehr, sehr viel Freude. Vielleicht noch ein anderer Punkt, der mir auch sehr viel Freude bereitet: Man hat unheimlich verschiedene Termine, reizvolle Termine, man kommt mit vielen Menschen ins Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern. Das ist auch etwas, was ich an der neuen Aufgabe sehr, sehr schätze. Deshalb, Sie sehen es, ich mache Sie gerne. Ich habe nichts bereut.
Dieterle: Das ist gut. Und Sie haben gerade das nächste Thema auch schon angesprochen und zwar ist es die Personalnot bei der hessischen Justiz. Der begegnen Sie, indem Sie ja möglich gemacht haben, dass es rund 500 neue Stellen geben soll in Zukunft. Außerdem haben Sie die Einstellungskriterien für Richter und Staatsanwälte gesenkt, gleichzeitig die Bezahlung verbessert. Das heißt also, Sie mussten diesen ja doch etwas vernachlässigten hessischen Justizapparat kräftig umkrempeln?
Poseck: Also wir haben Hausaufgaben zu machen, und denen haben wir uns auch intensiv gestellt. Wir haben in Hessen einen Pakt für den Rechtsstaat aufgelegt. Das war auch unserem neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein sehr, sehr wichtig, diesen Akzent für den Rechtsstaat zu setzen. Und dazu gehört in der Tat eine personelle Verstärkung in zwei Jahren mit 500 zusätzlichen Stellen. So viele neue Stellen hat es in der Geschichte des Landes Hessen für die Justiz noch nie gegeben. Und ich glaube, das ist genau der richtige Ansatz, Belastung zu reduzieren, auch dazu beizutragen, dass Justiz schneller arbeiten kann, dass Justiz ihrem Auftrag gerecht werden kann. Justiz ist Menschenwerk. Es kommt auf die Menschen in den Gerichten, in den Staatsanwaltschaften an, und deshalb investieren wir so viel in das Personal durch zusätzliche Stellen, aber auch durch die Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Sie haben das mit der Besoldung angesprochen. Das ist eine von vielen Maßnahmen. Wir haben eine Reihe weiterer Maßnahmen ergriffen. Wir kümmern uns auch um alle Laufbahnen. Justiz besteht ja nicht nur aus Staatsanwält:innen, aus Richtern, sondern auch aus Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern, aus Wachtmeistern, aus Gerichtsvollziehern. Und wir verstärken im Moment alle Laufbahnen, damit die Aufgaben besser wahrgenommen werden können.
Dieterle: Sie sind ein Mann aus der Praxis. Als Richter wissen Sie, mit wie vielen Bagatelldelikte die Gerichte Tag für Tag beschäftigt werden. Das kostet Zeit, Geld, Personal. Das ist sehr aufwendig. Was wollen Sie dagegen tun, bzw. Wo wollen Sie da straffen?
Poseck: Also in der Tat, wir können das Personal nicht endlos vermehren. Es gibt haushalterische Grenzen, kostet viel Geld, muss am Ende der Steuerzahler aufwenden. Wir werden auch nicht endlos Personal finden, also muss man auch an der Stellschraube der Entlastung der Justiz drehen. Und da gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die ich auch selbst eingebracht habe, zum Beispiel in die Diskussion im Bundesrat. Ich will mal zwei Beispiele nennen: Ordnungswidrigkeitenverfahren. Also muss man bei einer Ordnungswidrigkeit, bei einer Geldbuße über 80 € wirklich umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten haben? Eine Möglichkeit der Überprüfung, das finde ich, ist im Rechtsstaat erforderlich, aber braucht es mehrere Instanzen? Braucht es wirklich eine mündliche Verhandlung? Ich denke schon, dass wir uns auf die größeren, wichtigeren Fälle auch im Rechtsstaat und auch in unserem personellen Einsatz konzentrieren müssen. Eine weitere Initiative, die ich gestartet habe, betrifft die Massenverfahren. Die Gerichte sind geflutet worden mit sogenannten Dieselverfahren, zivilrechtlichen Verfahren. Auch da kann man einiges einfacher, effektiver gestalten, zum Beispiel schneller eine Entscheidung vom Bundesgerichtshof herbeiführen. Dann kommen die Menschen auch schneller zu ihrem Recht.
Dieterle: Am Donnerstag und am Freitag findet die Justizministerkonferenz in Berlin statt. Auch da haben Sie einige Themen im Gepäck. Eines davon ist der bessere Schutz für Menschen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Das soll über elektronische Fußfesseln funktionieren. Erklären Sie uns das.
Poseck: Wir haben 150 Femizide in Deutschland pro Jahr. Das sind Fälle, die durch eine Eskalation von Gewalt in der Partnerschaft oder vor allen Dingen nach der Partnerschaft, nach der Beendigung der Partnerschaft gekennzeichnet sind. Es gibt durchaus Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, dass zum Beispiel Annäherungsverbote ausgesprochen werden. Heißt konkret: Der Ex-Partner darf sich seiner Partnerin nicht mehr nähern. Aber wir können das im Moment kaum überwachen. Und an der Stelle setzt die elektronische Fußfessel an Durch einen Einsatz der elektronischen Fußfessel würden wir eine effektivere Überwachung, eine strengere, konsequentere Überwachung dieser Maßnahmen hinbekommen. Und ich glaube, dass wir damit vor allem Frauen, die in der Regel eben Opfer dieser Gewalt sind, dass wir sie besser schützen können. Das ist unsere Aufgabe als Staat, als Politik, hier alles zu unternehmen, Frauen zu schützen und diese Zahl, diese schreckliche Zahl der Ziele zu reduzieren.
Dieterle: Ein weiteres Thema, das Sie mit nach Berlin nehmen, das Ihnen am Herzen liegt, sind höhere Strafen für Sprengungen von Geldautomaten. Das hat ja zugenommen in den letzten Jahren, eklatant. Warum sagen Sie, die jetzigen Strafen reichen nicht aus?
Poseck: Beim normalen Bankraub gibt es eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Den normalen Bankraub gibt es aber heute kaum noch. Bei der Geldautomatensprengung ist die Mindeststrafe ein Jahr und zwar für die Sprengstoffexplosion und für den Diebstahl. Es gibt keine Straftat, die die Kombination unter Strafe stellt – Sprengstoffexplosion und Diebstahl. Und ich glaube, da besteht eine Lücke, da besteht ein Wertungswiderspruch. Und deshalb bin ich dafür, dass die Mindeststrafe für Geldautomatensprengungen angehoben wird. Dass sie sich am klassischen Raub auch orientiert, das möchte ich gerne zur Diskussion stellen. Ich will deutlich machen: Wir müssen alles tun, Geldautomatensprengungen zu verhindern, vor allen Dingen wieder zurückzuführen. Viel zu hohe Fallzahlen. Das ist eine Aufgabe der Prävention. Das sind auch die Banken gefragt. Es gibt Möglichkeiten des Verklebens von Geldscheinen, aber es ist auch eine Aufgabe der Strafverfolgung. Ich setze hier auf ein “nicht entweder oder”, sondern ein “sowohl als auch”. Deshalb will ich die Abschreckungswirkung des Strafrechts an der Stelle deutlicher zum Ausdruck bringen durch eine Anhebung der Mindeststrafrahmen.
Dieterle: Und diese Themen bringen sie in Berlin erst mal bei der Justizministerkonferenz auf den Tisch. Herr Poseck, vielen Dank, dass Sie heute zum Interview hier waren.
Poseck: Sehr gerne. Hat Spaß gemacht.