Im Interview: Sabrina Kurz, die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz

Heute sind weitere Details im Falle der erschossenen Polizisten bekannt geworden. Darüber spricht Maike Dickhaus mit Sabrina Kunz. Sie ist Polizistin und die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Rheinland-Pfalz.

Maike Dickhaus, Moderatorin: Herzlich willkommen bei uns im Studio!
Sabrina Kunz, Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz: Guten Abend.
Dickhaus: Frau Kunz, Sie haben es so ausgedrückt: In eine solche Situation zu geraten wie die beiden Polizisten, das sei der Albtraum eines jeden Polizisten; das sei das, wovor man jeden Tag Angst habe. Wie geht man denn als Polizist mit einer solchen Situation, mit dieser Angst um?
Kunz: Also zunächst ist es mal so, dass man die Angst eigentlich in dem Moment schon hat, wo man sich für diesen Beruf auch entscheidet. Ich glaube, jedem Mensch ist klar, dass der Polizeiberuf im schlimmsten Fall immer auch zum Tod führen kann. Man versucht im dienstlichen Alltag das irgendwie von sich zu schieben, so nach dem Motto: Das wird mir schon nicht passieren. Und jetzt sind wir in der Situation, wo das in unserem Bundesland Realität geworden ist, so schlimm, dass wir in wenigen Minuten zwei Kollegen verloren haben.
Dickhaus: Dieser Vorfall, ist das jetzt der Gipfel einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei? Was haben Sie da für Erfahrungen gemacht?
Kunz: Ich glaube, das schlimmste Gewalterlebnis, das man erleben kann, ist eben das, das am Ende zum Tod führt. Insofern kann man glaube ich schon sagen, dass es der Gipfel dessen ist, was uns im dienstlichen Alltag letztlich droht. Wir erleben seit vielen, vielen Jahren eine zunehmende zu Beginn noch – ich will es mal sagen – nur Respektlosigkeit der Polizei gegenüber, die sich über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt hat. Das sind eben nicht mehr nur diejenigen, die im negativen Kontakt zur Polizei haben, die aggressiv und respektlos auftreten, sondern wir erleben es gerade auch in alltäglichen Situationen, dass Bürgerinnen und Bürger auch viel hinterfragen, was Polizei tut.
Ich will Ihnen ein ganz banales Beispiel nennen: Als ich vor 25 Jahren bei der Polizei angefangen habe und mein erstes Praktikum absolviert habe, war das für die Menschen selbstverständlich, dass die Polizei auch mal durch eine Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung fährt, weil man ja einen guten Grund dafür hat, weil man ist ja Polizei. Selbst solche Banalitäten werden heute durch viele Menschen mit Kommentaren belegt, kritisch hinterfragt und auch oftmals den Kollegen unterstellt, dass sie das eigentlich gar nicht dürfen. Und das, was wir jetzt erlebt haben, ist letztlich die Zuspitzung, die dann am Ende auch zum Tod geführt hat.
Dickhaus: Gibt es da jetzt von Ihrer Seite Forderungen an die Politik, um die Einsatzkräfte eben besser vor solchen Situationen zu schützen? Müsste beispielsweise eine bessere Ausrüstung her oder eben auch der flächendeckender Einsatz von Bodycams?
Kunz: Also, wir haben in Rheinland-Pfalz die Bodycam flächendeckend eingesetzt. Es ist allerdings am Ende immer noch auch die Entscheidung der Kolleginnen und Kollegen, ob sie im Einsatz die Bodycam mitführen, und wenn sie sie mitführen, ob sie sie im Einsatzgeschäft auch tatsächlich dann anschalten, damit sie auch in den Aufnahmemodus kommt.
Wir sind auch seit gestern sehr zurückhaltend mit dem Formulieren von gewerkschaftlichen Forderungen, weil wenn man sich die Situation einfach mal versucht realitätsnah vorzustellen, wie sie dort gestern Morgen auch stattgefunden hat, dann muss man anerkennen, dass eine bessere Ausstattung und eine noch bessere Ausbildung möglicherweise die beiden vor diesem Tod nicht gerettet hätte.
Dickhaus: Die Ausbildung ist das Stichwort. Müsste da etwas getan werden, um eben auch junge Polizeibeamte besser auf solche Routineeinsätze wie beispielsweise Verkehrskontrollen vorzubereiten?
Kunz: Also, die Verkehrskontrolle ist neben der Personenkontrolle und dem Schlichten der Familienstreitigkeit die klassische Routinesituation für die Polizei, aber mit eine der gefährlichsten Situationen, wo man am Ende des Tages nicht weiß, wen hält man an, wer befindet sich im Fahrzeug? Welche Gegenstände werden mitgeführt und wie handeln diejenigen, wenn die Polizei sie auch anspricht?
Wir haben einen Generationenwechsel in der Polizei gerade hinter uns in Rheinland-Pfalz, beziehungsweise wir stecken mittendrin mit sehr großen Einstellungen Zahlen. Das heißt, wir haben eine Unmenge an Polizistinnen und Polizisten im Streifendienst, die noch sehr jung sind. Der Polizeiberuf ist aber eben auch ein Erfahrungsberuf, sodass man jetzt schon sehen muss, dass man die Erkenntnisse, die sich aus den weiteren Ermittlungen auch ergeben, wie das Geschehen vor Ort tatsächlich auch abgelaufen ist, vernünftig auswertet, mit dem nötigen emotionalen Abstand auch auswertet, um dann zu schauen, was man so im Training noch besser werden. Und muss man auch die Trainingsintervalle erhöhen? Das ist im Übrigen eine gewerkschaftliche Forderung schon vor dem Ereignis gewesen, durch die GdP mehrfach vorgetragen, dass wir bei den klassischen Abwehr-und-Zugriffstrainings und bei den Trainings dieser Routinemaßnahmen wesentlich mehr Trainingsintervalle brauchen.
Dickhaus: … sagt die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Rheinland-Pfalz, Sabrina Kunz. Vielen Dank, dass Sie bei uns im Studio waren.
Kunz: Sehr gerne.