Im Interview: Prof. Steffen Augsberg

Das Land Rheinland-Pfalz gleicht Ungeimpften ihre Verdienstausfälle ab heute nicht mehr aus. Darüber sprechen wir mit Professor Steffen Augsberg, Rechtswissenschaftler an der Uni Gießen und Mitglied im Deutschen Ethikrat.

Eva Dieterle, Moderatorin: Herr Professor Augsburg, guten Abend.
Kein Lohnersatz mehr für Ungeimpfte in der Quarantäne. Wie ordnen sie das rechtlich, aber auch ethisch ein?
Prof. Steffen Augsberg, Mitglied des Deutschen Ethikrates: Also es ist zum einen in rechtlicher Hinsicht sicherlich nicht verpflichtend, dass der Staat hier entsprechend für diese Ausfälle gewissermaßen eintritt und das übernimmt. Aber es ist auf der anderen Seite auch so, dass damit dann natürlich eine weitere Sanktion gesetzt wird.
Das heißt, wir gehen dann einen weiteren Schritt in Richtung einer eigentlich ja von den politischen Verantwortungsträgern einmal abgelehnten Impfpflicht. Das ist eine gewisse Unehrlichkeit, die da zum Tragen kommt.
Und die ist natürlich auch in ethischer Weise relevant, weil wir uns überlegen müssen, was wir damit eigentlich erreichen. Ob wir nicht die eigentlich bewundernswerte Solidarität der Bevölkerung, das Mitmachen, auf das wir so stark angewiesen sind, durch solche Maßnahmen gefährden.
Dieterle: Nun ist es ja in den allermeisten Branchen so, dass der Arbeitgeber gar keine Kenntnis darüber hat, wer geimpft ist und wer nicht. Woher kann er denn überhaupt wissen, wem er dann was bezahlt und wem nicht?
Augsberg: Ja, das ist in der Tat auch ein Problem. Da müssen wir natürlich genau schauen, was arbeitsrechtlich eigentlich erlaubt ist, was insoweit an Offenlegung verlangt werden kann. Aber das scheint mir auch ein mögliches Vollzugsproblem dieser neuen Regelung zu sein.
Dieterle: Sehen Sie auch die Gefahr, dass Menschen dann eventuell gar nicht mehr angeben, wenn sie ein positives Testergebnis haben und sich dann auch gar nicht mehr in Quarantäne begeben?
Augsberg: Ja, ich meine, wir setzen an dieser Stelle tatsächlich problematische Anreize. Wir haben bislang immer die Taktik gefahren, dass wir möglichst viel testen wollen, damit möglichst viele Informationen sammeln wollen.
Jetzt drängen wir die Menschen in Richtung Impfung. Das tun wir aber auch mit Maßnahmen, die dazu führen, dass sie sich weniger testen lassen, weil sie Kosten übernehmen müssen oder weil sie negative Folgen eines positiven Tests befürchten müssen. Das ist ausgesprochen unglücklich. Das scheint mir unter Infektionsrate Gesichtspunkten nicht angezeigt zu sein.
Dieterle: Herr Professor Augsburg, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Augsberg: Ich danke Ihnen.