Im Interview: Jörg Köhlinger, Leiter des IG Metall-Bezirks Mitte

Wir vertiefen die aktuellen Entwicklungen bei Opel. Wie bewertet die IG Metall die Umbaupläne des Mutterkonzerns Stellantis?

Eva Dieterle, Moderatorin: Darüber möchte ich jetzt mit Jörg Köhlinger sprechen, er ist Bezirksleiter der IG Metall Mitte in Frankfurt. Guten Tag Herr Köhlinger.
Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Mitte: Einen schönen guten Tag, ich grüße Sie!
Dieterle: Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung bei Opel?
Köhlinger: Na ja, wir geraten erneut in eine zugespitzte Situation. Ich würde mal sagen, wir sind damit konfrontiert, dass das Management, insbesondere in Paris, jedenfalls in Teilen die falschen Entscheidungen trifft und diese auch noch schlecht kommuniziert. Ich meine damit insbesondere die geplante Zerschlagung von Opel, der Opel Automobile. Wir sind der Auffassung, dass eine solche Zerschlagung nicht zielführend ist. Sie führt auch nicht zu neuer Flexibilität. Diese Flexibilität ist jetzt schon gegeben, und zwar in der Form, dass beispielsweise mit Plattformen, Strategien, Fahrzeuge an unterschiedlichen Standorten hergestellt werden können.
Wir sehen durch diese gesellschaftliche Neustrukturierung eher wachsende Schwierigkeiten. Unsere Anforderung ist, dass die Opel Automobile als gemeinsame Gesellschaft erhalten werden soll. Und wir erwarten, dass die Zusagen aus dem Jahr 2017 und aus den geltenden Zukunftstarifverträgen umgesetzt werden, und zwar in Form von Investitionen in den Erhalt von Beschäftigung und den Ausbau und der Weiterentwicklung aller Standorte bei uns im Bezirk, also Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach.
Dieterle: Die Schließung der Abteilung Werkzeugbau bei Opel ist ebenso umstritten wie die anderen Umbaupläne. Würden Sie sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Das Vorgehen von Stellantis-Chef Carlos Tavares ist rechtswidrig?
Köhliner: Ich würde jetzt nicht sagen, dass es rechtswidrig ist. Ich glaube aber, es verstößt zum einen gegen die Gebote der Kommunikation und gegen die Regeln der Mitbestimmung. Wir werden natürlich auch versuchen, uns mit rechtlichen Mitteln dagegen zu wehren, aber wir sind der Auffassung, dass der Zukunftstarifvertrag und das dazugehörige Eckpunktepapier, das Investitionen in den Standorten und in den Erhalt der einzelnen Bereiche vorsieht, auch umgesetzt werden muss. Das Thema heißt Beschäftigungssicherung an den Standorten und heißt Auslastung der Standorte. Das erreicht man nicht damit, dass permanent gegen diese Regeln und gegen diese Ziele und Absichten verstoßen wird.
Wir sind bisher ohne betriebsbedingte Kündigungen durch die Situation gekommen. Das wird auch bis 2025 so bleiben. Die Sicherheit, die die Beschäftigten und die Standorte haben, sind der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Das hilft uns allerdings nur temporär. Wenn nicht in die Zukunft investiert wird, dann reicht das natürlich nicht. Dann sind die Standorte irgendwann ausgeblutet und das gilt es zu verhindern, indem die Weichen jetzt richtig gestellt werden.
Dieterle: Aber ist das Ziel, das Tavares mit diesem Vorgehen verfolgt, nicht nachvollziehbar? Ist es für den Stellantis-Konzern nicht absolut notwendig, dass er eine einfachere Struktur erhält und kostengünstiger arbeiten kann, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Köhlinger: Naja, das ist sozusagen das Grundgesetz des Kapitalismus in dem wir leben, nach diesen Regeln funktionieren alle Automobilwerke und alle Unternehmen generell. Es geht aber darum, faire Bedingungen zur Gestaltung der Transformation und zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und auszuhandeln. Und die Wettbewerbsfähigkeit darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und ihrer Familien hergestellt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit muss durch verbesserte Produktivität, durch gute Produkte, letztlich durch attraktive Fahrzeuge, die am Markt verkauft werden, zu guten Bedingungen hergestellt werden. Und das geht nur mit motivierten Belegschaften, motivierten Beschäftigten, die zu guten tariflichen Bedingungen weiterhin an den Standorten in Deutschland Arbeit finden.
Dieterle: So viel zur Stimme der Gewerkschaft IG Metall. Herr Köhlinger, vielen Dank für das Interview.
Köhlinger: Ich danke Ihnen.