Im Interview: Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier

Ein  langes Pandemie-Jahr liegt hinter uns, ein spannendes Wahljahr ebenso. Wir blicken auf das Jahr 2021 zurück – gemeinsam mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier.

Eva Dieterle, Moderatorin: Schön, dass wir hier sein können. Schön, dass Sie hier sind.
Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident Hessen: Wir freuen uns, dass es jetzt mal auf diese Weise gelingt. Seien Sie herzlich willkommen.
Eva Dieterle: Herr Bouffier. Das war ja parteiunabhängig oder insgesamt ein wahnsinnig anstrengendes Jahr 2021. Wie würden Sie denn Ihre persönliche Verfasstheit jetzt so kurz vor dem Jahresende beschreiben?
Volker Bouffier: Naja, zuversichtlich, nachdenklich. Auch in gewisser Weise natürlich, wie jeder ein bisschen gestresst nach dem Motto: Wie lange geht denn das noch? Corona ist so ein Klassiker. Es sind jetzt über 20 Monate Dauer-Krisenmanagement. Aber trotzdem zuversichtlich, sortiert. Und was das politische Leben angeht, war das ja nicht so erfolgreich für uns als Union. Aber in der Summe ist mir wichtig, dass wir klar machen: Wir haben keinen Anlass zur Panik, schon zur Vorsicht. Wir haben auch keinen Anlass, die Ohren hängen zu lassen. Wir müssen uns anstrengen. Aber wir haben die Chance, dass wenn wir zusammenhalten, dass wir uns engagieren und das tun, was wir können – testen, impfen – auch diese Pandemie überwinden. Und ich weiß, das macht mit den Menschen nach zwei Jahren etwas. Und trotzdem: Mir ist wichtig, ein Signal der Zuversicht zu geben. Ich bin überhaupt kein Freund dieses Alarmismus, der jede Stunde sagt, es könnte dieses und jenes sein, das nützt ja niemand. Man muss sich ordentlich vorbereiten. Man muss das tun, was man tun kann. Man muss es ernst nehmen. Aber ich bin der Auffassung, es ist gut, wenn die Menschen sich darauf verlassen können, dass wir eine sehr engagierte, aber besonnene Gangart haben. Darum habe ich mich bemüht. Und es geht mir natürlich auch in der Rückschau durch den Kopf.
Eva Dieterle: Sie haben gerade Corona als Klassiker bezeichnet. Das ist leider so, das ist das Thema, in dem wir im letzten Jahr an dieser Stelle nicht vorbeigekommen sind und in diesem Jahr natürlich ebenfalls nicht. Wir schauen mal auf dieses Jahr mit Corona:

 

Als vor einem Jahr die Corona-Impfungen begannen und nach holprigem Anfang durchstarteten, hat wohl kaum einer erwartet, dass es am Ende des Jahres immer noch zu wenig Geimpfte gibt. Doch auch jetzt ist die Impflücke zu groß und für die nötige Booster-Lampagne muss massiv Impfstoff nachgeordert werden. Die neue und offenbar ansteckendere Omikron-Variante verschlechtert die Lage außerdem.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, am 16.12.2021: „Die Strategie der Bundesregierung und auch unseres Hauses ist die, dass wir über eine sehr offensive, schnelle Booster-Impfungsstrategie versuchen werden, die Omikron-Variante so klein zu halten wie möglich, um eine Überlastung des Gesundheits-systems und möglicherweise der Gesellschaft in der Gänze zu verhindern.“
Dabei sind die Krankenhäuser bereits am Limit. In einigen Regionen des Landes sind die Intensivstationen überfüllt, so dass Patienten quer durch die Republik transportiert werden müssen, um überhaupt noch eine angemessene Behandlung zu bekommen. Und auch die gesellschaftlichen Verwerfungen nehmen zu. Die einen sind frustriert wegen Lockdowns und Kontaktbeschränkungen, andere protestieren gegen die Impfungen. Die sogenannte Querdenkerszene schreckt dabei auch nicht vor Gewalt zurück. In Idar-Oberstein wird ein junger Mann erschossen, mutmaßlich weil er an das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes erinnerte. In Sachsen fliegt eine Gruppe auf, die geplant haben soll, Ministerpräsident Kretschmer zu ermorden. Während die Auseinandersetzungen härter werden, ist ein Ende der Pandemie nicht abzusehen. Der Virologe Christian Drosten prognostiziert:
Christian Drosten, Virologe: „Darum würde ich im Moment auch nicht sagen: Bis Ostern ist in Deutschland die Pandemie vorbei, wenn Omikron übernimmt, also bei dieser hohen Übertragbarkeit.“
Auch das Jahr 2022 dürfte also von Corona und dem Streit um Gegenmaßnahmen geprägt sein. Und der dürfte sich mit der Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht weiter zuspitzen.

 

Eva Dieterle: Herr Bouffier, was denken Sie, wenn Sie das Omikron hören? Ist das für Sie eine weitere Variante oder sehen Sie das doch besorgter?
Volker Bouffier: Ich nehme es ernst. Wir wissen relativ wenig. Wir dürfen annehmen, dass es deutlich infektiöse und ansteckender ist. Wie es dann weiter verläuft, was im Moment wirklich niemand. Wir hatten ja vor kurzer Zeit Ministerpräsidenten-konferenz, auch mit dem Expertenrat. Und dort wurde uns gesagt, wir sind mit diesem Thema seit zehn Tagen beschäftigt. Wir sind ständig im Austausch, zum Beispiel mit London. Dort ist kein einziger in die Intensivstationen gekommen. Das muss man wissen, aber viele in die allgemeine Station. Wir schauen auch Niederlande, nach Dänemark. Wir müssen aber auch mal nach Frankreich, nach Schweiz, nach Italien gucken, Südafrika völlig anders. Also, man weiß nicht, wie es sich im Einzelnen entwickelt. Es gibt Hinweise, dass der Verlauf milder ist. Und wenn man das nicht weiß, dann muss man vorsichtig sein.
Eva Dieterle: Beschleicht Sie nicht auch der Gedanke, dass jetzt wieder ein Jahr vorbei ist, wir wieder vor einer ganz ähnlichen Situation stehen? Es gibt die neue Virus-Variante. Sie haben gesagt, mehr Impfstoff muss her. Das heißt, wir haben zu wenig. Außerdem ist immer noch die Impfquote zu gering. Wenn es nicht so ernst wäre, dann könnte man sagen: Täglich grüßt das Murmeltier, oder?
Volker Bouffier: Ja, und es kann niemanden überraschen, der ernsthaft drüber nachdenkt. Vom ersten Tag an haben uns alle Virologen gesagt: Jedes Virus mutiert. Das ist nichts Neues. Wir haben den verständlichen Wunsch, dass es doch bitteschön nicht so ist. Und die meisten sagen: Ja, wann ist es denn vorbei? Ist nicht vorbei. Und aus meiner Sicht spricht auch nichts dafür, dass es bald vorbei sein kann. Es wird sich verändern. Die Frage ist, wie man mit einem Virus umgehen kann und wie wir es schaffen zu schützen. Und auf der anderen Seite das Leben der Menschen, soweit es irgend geht, normal zu gestalten. Und da ist eine Antwort: Ein hoher Schutzstatus durch Impfen. Und das ist noch nicht hinreichend. Das stimmt. Und deshalb bin ich zum Beispiel auch der Auffassung, wenn wir nicht ewig in derselben Schleife sein wollen, wir haben einen Anstieg, es ist irgendeine neue Variante, wir hatten am Anfang die chinesischer, die ist weg. Dann kam im vergangenen Jahr nicht, sondern Anfang diesen Jahres Delta. Jetzt haben wir also die neue Variante. Und demnächst gibt vielleicht wieder eine.
Eva Dieterle: Für viele Menschen ist genau deshalb ja die Impfpflicht so etwas wie der letzte Ausweg. Wie fühlt sich das an, das als Politiker mittragen zu müssen, obwohl man noch gar nicht genau weiß, was da auf einen zukommt? Wie viele Impfungen das Ganze am Ende beinhalten wird?
Volker Bouffier: Nein, das kann man sehr klug erklären. Schauen Sie, wir lernen ja ständig dazu, alle Politiker. Und uns fällt das ja nicht ein, sondern wir hören der Wissenschaft zu. Und die haben uns alle gesagt, wenn man zweimal geimpft ist, bist aus der Geschichte raus. Seit Herbst wissen wir, es könnte sein, das reicht nicht. Du kannst, auch wenn du zweimal geimpft bist, angesteckt werden. Also ein drittes Mal boostern. Und dann geht es immer den gleichen Etappen. Die älteren Menschen, die Vulnerablen, dann hast du die Impfkommission, die sagt, aber nur die älteren. Aber nach einem halben Jahr, zwei Monate später, sagen die, ja man könnte auch die Jüngeren nehmen. Noch einen Monat später sagen sie, es geht auch nach drei Monaten. Ich weise darauf hin, das ist  ja kein böser Wille. Das sind Wissenschaftler, die kommen zu neuen Erkenntnissen. Die müssen wir als Politiker umsetzen. Und Sie auch als Medien müssen es versuchen zu erklären, damit die Menschen nicht wahnsinnig werden. Und niemand kann heute sagen, was wir im Juli machen und was wir im nächsten Oktober machen. Aber es spricht viel dafür, dass wir immer wieder in eine solche Welle kommen. Es steigt Einschränkungen, dann lassen wir wieder locker und dann geht es wieder weiter. Wenn man aus dieser Dauerschleife rauskommen will, dann muss man impfen und wir impfen milliardenfach auf dieser Welt. Und wir können das nach meiner festen Überzeugung auch ohne Risiken tun. Noch nie wurden Impfstoffe so intensiv weltweit entsprechend verimpft – die Reaktionen entsprechend aufgenommen. Man kann das auch juristisch, nach meiner festen Überzeugung, sehr ordentlich machen. Und am Ende werden wir ja niemanden zwangsweise impfen. Aber wenn jemand sich nicht impfen lässt, dann gibt es ein Bußgeld und wird es dann immer noch nicht klappt, dann muss so jemand respektieren, dass er eben an dieser Gemeinschaft nur eingeschränkt teilnehmen kann.
Eva Dieterle: Das bleiben angespannte Zeiten. Die gab es in diesem Jahr auch für die CDU. Das war eine richtige Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich glaube, für Sie auch. Wir sprechen gleich darüber. Aber zuerst schauen wir uns dieses denkwürdige Jahr noch mal an:
Anfang des Jahres schien der CDU die Welt noch zu Füßen zu liegen – der Einzug ins Kanzleramt nach der Bundestagswahl: Eine Formsache. Die allgegenwärtige Dauerpräsenz der Kanzlerin verdeckte jedoch, dass die Partei für die Zeit nach ihr denkbar schlecht gerüstet war. Der im Januar frischgewählte neue Vorsitzende Armin Laschet folgte auf die glücklose Annegret Kramp-Karrenbauer. An Vorschusslorbeeren mangelte es nicht:
Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident Hessen: „Er bringt die besten Voraussetzungen mit, die CDU geeint zu führen.“
Doch schon sein Start stand unter einem schlechten Stern: Bei den Landtagswahlen im März kassierte die CDU  in Baden-Württemberg und  Rheinland-Pfalz schmerzhafte Niederlagen.  Im Frühjahr folgte dann das Gerangel um die Kanzlerkandidatur: Es war CSU-Chef Markus Söder, der alle mit der Botschaft überraschte, er wolle der Kandidat sein. Die CDU unter Laschet war davon kalt erwischt. Aus diesem Kampf konnte keiner unbeschadet hervorgehen. Die verkürzte Version dieser offenen Feldschlacht lautet: Söder war der Kandidat der Basis – Laschet der Kandidat der Parteioberen. Laschet obsiegte zwar – auch mit maßgeblicher Unterstützung von Volker Bouffier. Doch im Sommer begann der unaufhaltsame Aufstieg des genialen Merkel-Imitators Olaf Scholz: Er vermittelte den Menschen, sie so ruhig durch die Stürme der Zeit zu führen wie die Noch-Kanzlerin. Bei der Bundestagswahl erlitt die Union eine historische Niederlage.  
Armin Laschet (CDU), Kanzlerkandidat der Union, am 26.9.2021: „Es steht völlig außer Frage: Dieses Ergebnis kann, darf und wird die Union nicht zufriedenstellen.“
Die CDU – sie galt über Jahrzehnte als unschlagbar, wenn es um den  Machterhalt ging. Doch diese CDU ist entzaubert und marschiert nun in eine ungewisse Zukunft. Und zwar unter Friedrich Merz. Mitte Dezember errang dieser die absolute Mehrheit bei einer Mitgliederbefragung.  Kann er die CDU wieder zu einer unverzichtbaren Größe in der Politik machen? Schon die nächsten Landtagswahlen an der Saar und in NRW werden zeigen, ob das gelingen kann.

 

Eva Dieterle: Herr Bouffier, wann hatten Sie zum ersten Mal in diesem Jahr den Eindruck, da läuft was schief bei der CDU?
Volker Bouffier: Relativ bald. Und wir beschäftigen uns ja seit zwei Jahren mit der Frage Vorsitz und ähnliches mehr. Das ist einer der Gründe, warum in diesem Jahr vieles schief gelaufen ist. Da müssen wir nicht drum herumreden. Das hätte alles anders laufen können. Das hätte laufen können, wenn wir in der Union, in der CDU nicht zwei Jahre, auch aufgrund von Corona, ständig die Frage: Frau Annegret Kramp-Karrenbauer gerade gewählt, dann aber wieder weg und wer soll es denn werden?  Das hat uns sehr viel Kraft gekostet. Das war eine denkbar schlechte Ausgangslage. Dann die Diskussion um den Kanzlerkandidaten. Das hat ja auch niemand wirklich geholfen. Das hätte ich mir anders gewünscht. Trotzdem: Die Erwartungen waren allseits, also die Union gewinnt die Wahl. Alle Medien haben sich schon mit der Frage beschäftigt: Laden wir zwei ein? Kein einziges Institut hat sich mit Olaf Scholz beschäftigt, weil bis Juni, Juli kam niemand auf die Idee, dass der Kanzler werden könnte. Es ist ja auch die Wahrheit und der Wahrheit die Ehre. Alle haben die Frage gestellt: Wird Frau Baerbock oder wird Armin Laschet gewinnen? Also beide haben nicht reüssiert, aus unterschiedlichsten Gründen. Und Olaf hat gar nichts gemacht. Und plötzlich war er der Einzige, der noch da war. Das Ergebnis der Sozialdemokratie ist ja nun auch keine tektonische Verschiebung, die haben einen sauberen Aufstieg und sie haben anderthalb Prozent mehr als die Union. Das Ergebnis ist für uns richtig schlecht, ganz überhaupt keine Frage. Aber natürlich braucht es die Union in Zukunft auch. Die Union ist die große Volkspartei, die in vielerlei Hinsicht Grundströmungen dieses Landes zusammenführt. Und ich bin überzeugt, das wird uns auch in Zukunft wieder gelingen. Wir haben jetzt eine sehr, sehr gute Mitgliederbefragung gehabt. Ich war überrascht über die hohe Beteiligung. Es ist die höchste, die es jemals in irgendeiner Partei gab. Also das zeigt: Die Partei lebt. Das zeigt auch, dass sie mitbestimmen will. Und Friedrich Merz hat jetzt ein sehr starkes Mandat. Es ist auch gut, dass wir nicht eine zweite Runde brauchen. Jetzt ist klar und wir sammeln uns alle hinter dem Vorsitzenden und unterstützen ihn natürlich. Wir müssen uns unterhaken und in eine Richtung marschieren und dann wird auch die Union wieder einen größeren Zuspruch gewinnen. Und im Übrigen, wie Wahlen ausgehen hat auch dieses Jahr wunderbar gezeigt. Innerhalb kürzester Zeit sind aus vermeintlichen Favoriten Loser geworden und aus einem Dauer-Loser ist plötzlich der Gewinner geworden. Also man kann es auch positiv sehen. Es ist ein Wettbewerb, der alle Möglichkeiten hat.
Eva Dieterle: Hätte die Union die Wahl gewinnen können, wäre ihr Kandidat schon im Kanzleramt gesessen. Also sprich: Hätte Angela Merkel bereits vor zwei Jahren nicht nur den Parteivorsitz, sondern auch das Amt geräumt?
Volker Bouffier: Diese Vermutung ist naheliegend. Letztlich ist es eine Spekulation, aber es spricht manches dafür.
Eva Dieterle: Okay, Sie haben viele große Zeiten mit der CDU erlebt. Wie sehr schmerzt denn jetzt, dieses Jahr 2021? Sie haben es gerade schon einmal zusammengefasst. Wie ist das für Sie?
Volker Bouffier: Wenn man lange dabei ist, wird man nicht unbedingt klüger. Aber einen Vorteil hat man: Man kann länger zurückschauen. Und deshalb weiß ich, wie das ist, wenn man aus einer Regierung in die Opposition geht. Das war 1991 hier in Hessen so, da waren wir nach 46 Jahren einmal dran und da war es gleich wieder vorbei, dann müssen sie wieder antreten. Ich kann mich sehr gut erinnern noch als junger Mensch, als wir 1969 aus der Bundesregierung flogen. Das gleiche 1998, nach der Zeit von Helmut Kohl. Also, es gibt in der Politik vielfache Erfahrungen und am Ende ist doch das Entscheidende, dass man bei einem Erfolg nicht übermütig wird. Aber wenn es daneben geht, auch nicht untergeht. Besonnen bleiben, zuversichtlich und sagen, wir wissen, wie es gehen könnte. Und dann brauchen sie in der Politik, wie oft im Leben auch ein Quäntchen Glück. Also in der Niederlage nicht untergehen, im Sieg nicht übermütig, ist glaube ich eine gute Losung.
Eva Dieterle: Von der CDU insgesamt. Schauen wir jetzt mal nach Hessen und auch da wurde es ja dieses Jahr spannend, wenn auch eher im Jahres-Endspurt:

 

Nun, das war eine Entscheidung, die man in der hessischen CDU nicht unbedingt auf dem Zettel stehen haben musste: Die SPD-Fraktionsvorsitzende Nancy Faeser, zugleich auch Landesvorsitzende, wird von Olaf Scholz ins Kabinett geholt. Als Bundesinnenministerin. Die hessische Parteiführung will Faeser behalten; darum vermuten nicht wenige, dass sie  als Spitzenkandidatin zur Landtagswahl antreten wird. Und sollte sie in Berlin erfolgreich sein, könnte sie die CDU ganz anders herausfordern, als es ihrem glücklosen Vorgänger Torsten Schäfer-Gümbel gegeben war. Die Genossen liegen aktuell in den Umfragen deutlich vor der CDU. Da hat die Hessen-SPD schon schlechtere Zeiten erlebt. Und vielleicht werden sie ja noch besser, wenn Nancy Faeser als bundespolitisches Schwergewicht im Wahlkampf mitmischt!
Eva Dieterle: Die aktuellen Zahlen in Hessen, die sehen ja nicht so aus, als wäre der Machterhalt 2023 ein Selbstläufer. Was ist, wenn eine möglicherweise erfolgreiche Bundesinnenminister Nancy Faeser dann auch in Wiesbaden eine Ampel anstrebt oder die Grünen mit Tarek Al-Wazir an Stärke gewinnen und quasi die CDU bhängen?
Volker Bouffier: Also zunächst mal Wahlen sind nie ein Selbstläufer und in Hessen schon gar nicht. Und ich habe da viel Erfahrung. Wir haben viele Wahlen hinter uns gebracht. Und natürlich ist auch klar: Wir wollen 2023 wieder klar stärkste Partei werden. Und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass das gelingt. Wir werden in zwei Jahren – was in zwei Jahren, ist, weiß niemand. Also ist jetzt alles Spekulation. Man kann aber sozusagen auf der Basis der bisherigen Arbeit und seiner Zukunfts-vorstellungen eine Grundlage für einen politischen Erfolg haben. Wir sprachen gerade über die Bundestagswahl. Da haben Sie gesehen, wie schnell sich die Dinge grundlegend ändern. Also ich verstehe Personalspekulationen. Sie sind aber weitgehend sinnlos, weil niemand irgendetwas damit anfangen kann, was in zwei Jahren ist. Es ist eigentlich egal, wer noch Mitbewerber wird. Wir werden uns so aufstellen, dass wir die beste Möglichkeit haben. Und wir wollen klar so stark werden, dass wir auch in Zukunft Hessen politisch gestalten können. Ich glaube, dass das auch gelingen kann.
Eva Dieterle: Der neue SPD-Fraktionsvorsitzende hat ganz klar gesagt, die SPD hat ein Ziel und das ist Volker Bouffier in Pension zu schicken. Hätten Sie das auch so formuliert?
Volker Bouffier: Der neue Fraktionsvorsitzende, dem ich auch Glück und Erfolg wünsche, ist 1999 in den Landtag gekommen. Seitdem erzählt er jedes Mal, dass wir bei der Wahl erleben würden, dass die Sozialdemokratie uns ablöst. Das hat er jetzt fünfmal erzählt. Insofern ist das nichts Neues. Was soll er denn auch sonst sagen? Natürlich muss das Ziel der Opposition sein, dass er uns ablöst. Das nehme ich dem auch nicht übel. Aber es wird ihm nicht gelingen.
Eva Dieterle: Sie haben gerade schon mal die Personalspekulationen angesprochen. Jetzt wollen Sie auf dem CDU-Parteitag nicht mehr für das Amt des stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden kandidieren und haben stattdessen Ines Claus, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, dafür vorgeschlagen. Ist das ein Hinweis darauf, dass Sie Claus sich auch als Nachfolgerin im Amt des Ministerpräsidenten vorstellen können?
Volker Bouffier: Zunächst einmal, ich bleibe ja im Präsidium als Ministerpräsident sowieso und werde mich deshalb genauso einbringen. Genauso engagiert in der Bundespartei, in der Bundespolitik wie bisher. Zweitens Frau Claus ist eine ausgezeichnete Repräsentantin auch der hessischen CDU, aber auch der Bundes-CDU. Sie ist die einzige Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU in Deutschland. Und wir wollen ja deutlich machen eine Aufstellung der CDU, wo wir gerade auch zeigen wollen, dass Frauen, Frauen mittleren Alters mit drei Kindern mitten im Leben, dass sie bei uns die Chance haben, auch in der vorderen Reihe entsprechend politisch mitzuwirken. Also Funktion plus Person. Nein, das ist überhaupt kein Hinweis auf die Frage, was passiert denn, wenn ich mal sage, ich will nicht mehr? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und wir sprachen vorhin ausführlich zum Beispiel über Corona und was tagtäglich zu leisten ist. Die Arbeit erfüllt einen in jeder Hinsicht und wir haben ganz andere Sorgen. Wir müssen das Land zusammenhalten. Hier geht es auch nicht um persönliche Eitelkeiten und wer wünscht sich was, sondern die Pflicht. Und das ist mein Amtsverständnis. Ich bin der dienstälteste Ministerpräsident, ich bin dreimal gewählt. Also eigentlich muss mir ja nix mehr beweisen. Aber jeden Tag fühle ich die Verpflichtung, in diesem Land alles einzubringen, was ich kann, weil ich spüre aus Tausenden von Rückmeldungen, dass die Menschen das schon wahrnehmen. Und die Entscheidung, wie es dann weitergeht, das habe ich schon öfters gesagt. Darüber reden wir, wenn es soweit ist. Das wird nicht Jahre dauern, aber jetzt kümmern wir uns erst mal um Omikron und wir kümmern uns um vieles andere. Und dann schauen wir weiter.
Eva Dieterle: Aber gibt es in Ihrem Kopf einen Masterplan für die Landtagswahl?
Volker Bouffier: Ja, selbstverständlich.
Eva Dieterle: Okay, und mehr sagen Sie nicht dazu, Herr Bouffier, wir sind am Schluss des Interviews angekommen. Es wäre jetzt schön, wenn Sie den Zuschauern noch ein paar persönliche Worte sagen würden zum Jahreswechsel. Deshalb gehört diese Kamera jetzt Ihnen.
Volker Bouffier: Ja, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen, aber auch in Rheinland-Pfalz. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien, Ihren Freunden, dass Sie die Kraft, die Zuversicht, den Mut haben, in dieses neue Jahr zu gehen, damit es ein gutes, damit ist ein gesegnetes Jahr wird. Und ich wünsche Ihnen vor allen Dingen und aus tiefstem Herzen, dass sie gesund bleiben. In diesem Sinne. Ihr Volker Bouffier.
Eva Dieterle: Dasselbe wünsche ich Ihnen natürlich auch, Herr Bouffier, vielen Dank, dass Sie heute Zeit hatten für das Interview.
Volker Bouffier: Herzlichen Dank, dass Sie heute bei uns waren.