Hubig will Basiskompetenzen der Grundschüler stärken

Schulbildung – sie ist wohl das beste Mittel gegen Armut und eine Voraussetzung für ein gutes Leben von Menschen. Die Bildung in der Grundschule ist die Grundlage für den weiteren Bildungsweg von Kindern. Doch in Deutschland und in Rheinland-Pfalz, scheitern Grundschüler immer öfter schon an den einfachsten Sachen.

Lesen, Schreiben, Rechnen – diese Fähigkeiten sind das Fundament für die Bildung von Grundschülern. Wer sie nicht beherrscht, hat im späteren Leben schlechtere Chancen. Doch bei vielen Grundschülern fehlt genau dieses Fundament: Vor kurzem legte eine internationale Studie die Schwachstellen Deutschlands schonungslos offen. 25% aller Viertklässler in Deutschland können nicht ausreichend lesen. Ein Grund für das schlechte Ergebnis: Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie.  Corona hat einmal mehr gezeigt: Die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Herkunft der Schüler spielen in Deutschland eine große Rolle. Für Kinder aus wohlhabenden und gebildeten Familien funktioniert Homeschooling und Online-Unterricht – Kinder aus Brennpunktvierteln und bildungsfernen Schichten hat Corona weiter abgehängt. Ein besonders drastisches Beispiel ist die Gräfenauschule in Ludwigshafen: Von 130 Erstklässlern müssen 40 Schüler wohl die erste Klasse wiederholen, weil sie nicht ausreichend Deutsch sprechen. Einer der Gründe: 98% der Kinder haben einen Migrationshintergrund. Viele Eltern würden wegen ihrer Herkunft den Wert der Schule nicht verstehen und ließen es zu, dass ihre Kinder oft in der Schule fehlen, so die Schulleiterin Barbara Mächtle. Lesen, Schreiben, Rechnen – diese Basiskompetenzen seien unter diesen Bedingungen noch viel schwerer zu erreichen. Mächtle meint: Ludwigshafen sei kein Einzelfall. Die Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag fordert deshalb: Mehr Sozialarbeiter an Schulen und – zwei Lehrer in ersten Klassen. Doch dazu bräuchte es viel mehr Lehrer. Auch frühkindliche Bildung und Sprachschulungen in Kitas könnten helfen – doch es fehle an bräuchte man mehr Kita-Plätze und Erzieher. Steht auf dem Zwischenzeugnis für die rheinland-pfälzische Bildungspolitik also: Versetzung gefährdet?
Schaltgespräch:
Markus Appelmann, Moderator: „Das schauen wir uns jetzt mal an. Stefanie Hubig ist uns jetzt zugeschaltet. Guten Tag !“
Stefanie Hubig, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz: „Guten Tag, Herr Appelmann !“
Appelmann: „Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen. Die Schüler bei uns schneiden viel schlechter ab als Gleichaltrige in vielen anderen Ländern. Wie konnte es soweit kommen ? Ist das nicht ein Offenbarungseid der Länder-Bildungspolitik ?“
Hubig: „Also wir sehen insgesamt weltweit, dass auch durch die Corona-Pandemie Kinder und Jugendliche schlechter abgeschnitten haben. In Deutschland ist es aber in der Tat ein Ergebnis, mit dem wir nicht zufrieden sein können. Wir haben in Rheinland Pfalz im bundesweiten Vergleich die Situation gehabt, dass unsere Ergebnisse stabil geblieben sind in den IQB-Bildungstests, die wir jetzt hatten nach Corona. Das war ein ein gutes Signal, aber mit dem Ergebnis selbst sind wir natürlich nicht zufrieden, das ist klar. Deshalb haben wir zusätzliche Maßnahmen ergriffen.“
Appelmann: „Darüber sprechen wir gleich noch. Experten sagen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischer Leistung  sehr stark ausgeprägt sei. Auch ob zu Hause Deutsch gesprochen werde. Sind die schlechten Studienergebnisse auch Ausdruck der mangelnden Integration ?“
Hubig: „Also wir, uns sagen die Bildungswissenschaftlerinnen und Bildungswissenschaftler, dass die Frage des sozioökonomischen Hintergrundes und natürlich auch die Frage der Einbettung in die Gesellschaft eine Rolle spielt für den Bildungserfolg. Deshalb ist es uns einfach wichtig, dass alle Schülerinnen und Schüler, egal mit welchen Startbedingungen sie starten und für die sie ja auch nichts können, gleich gute Chancen haben. Und dass es Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit hier in Rheinland Pfalz gibt. Deshalb haben wir jetzt auch noch mal einen besonderen Fokus auf die Schulen in herausfordernder Lage gelegt. Auch mit den Maßnahmen, die wir heute veröffentlicht haben, damit gerade die Schülerinnen und Schüler, die aus bildungsfernen Familien kommen, die eben einfach schwierigere Startbedingungen haben, auch mitziehen und mithalten können. Denn das ist wichtig.“
Appelmann: „Den Grundschülern fehlen grundlegende Kompetenzen beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt und hat sich Jahr für Jahr verschärft. Was unternehmen Sie jetzt ganz konkret, damit die nächste Studie nicht noch schlechter ausgeht ?“
Hubig: „Also wir hatten nach dem ersten IQB-Bildungstrend, der ja auch schon genau gezeigt hat, dass die Leistungen nicht besser werden, Maßnahmen ergriffen, die gewirkt haben. Ich habe das gerade gesagt, deshalb sind wir auch im bundesweiten Vergleich nicht schlechter geworden. Diese Maßnahmen werden wir weiterführen. Wir werden aber vor allen Dingen künftig eine Stunde mehr Deutsch in der Grundschule haben mit den zusätzlichen Lehrkräften, die es natürlich braucht. Das ist klar. Wir wollen, dass es eine verbindliche Lesezeit in der Schule gibt, also ein Leseband heißt das. Das machen viele Schulen. Aber wir wollen, dass es eben auch in allen Schulen passiert und auch den Fokus sozusagen auf das Deutschlernen, auf das Sprachenlernen im ersten, zweiten Schuljahr noch mal stärker haben. Deshalb soll es die integrierte Fremdsprachen Arbeit, also das Lernen von Englisch und Französisch für, dass wir von vielen Bildungswissenschaftlerinnen und, Bildungswissenschaftlern gelobt werden, das wollen wir auf die dritte, vierte Klasse konzentrieren, so dass – ich sage mal – erst vor allen Dingen der Fokus auf Deutsch ist und dann auf alle Fächer, die, die dazugehören und die unsere Kinder brauchen, um dann später auch einen guten Anschluss in den weiterführenden Schulen zu haben.
Appelmann: „Kurze Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort. Eine Stunde mehr Deutsch, das heißt – Sie haben es gesagt – mehr Lehrer. Doch jetzt schon fehlen Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz. Wo sollen die also herkommen ?“
Hubig: „Wir haben glücklicherweise in Rheinland Pfalz im Bereich des Grundschullehramt stark steigende Zahlen. Wir haben im Moment ungefähr 700 Menschen, die im Vorbereitungsdienst sind. Das heißt, wir sind da gut aufgestellt und bei uns bekommen die Lehrerinnen und Lehrer sofort eine Vorabzusage, wenn sie im Vorbereitungsdienst noch sind, sodass wir die sehr gut auch hier in Rheinland Pfalz binden können.
Appelmann: „Danke an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin, an Stefanie Hubig !“
Hubig: „Sehr gerne !“