Holocaust-Gedenken – 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz

In wenigen Tagen jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Im Januar wird deshalb an die Millionen Opfer der deutschen Vernichtungspolitik gedacht. Doch am Tag des Gedenkens geht es auch um die Frage, wie es um das jüdische Leben in Deutschland heute steht. Schlecht, sagen die Vertreter der Jüdischen Gemeinde Frankfurt gestern bei einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in der Mainmetropole. Sie fordern mehr Unterstützung von der Gesellschaft und der Politik.

Mitten in der Diskussion bricht bei den Gästen der Gedenkveranstaltung Jubel aus. Die Terrororganisation Hamas hat drei israelische Geiseln nach 15 Monaten Gefangenschaft freigelassen. Seit ihrer Verschleppung beim Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 sei die Situation für Juden auch in Deutschland viel schwieriger geworden, sagt Benjamin Graumann von der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Doch auch schon vorher hätten Anfeindungen zugenommen.
Benjamin Graumann, Vorstandsvorsitzender Jüdische Gemeinde Frankfurt
„Wir erleben Antisemitismus von allen Seiten. Und hinzu kommt noch, dass wir kurz vor der Bundestagswahl stehen und es so aussieht, dass fast jeder fünfte Wähler oder jeder fünfte Wähler für eine Partei stimmen wollen, die ganz offen Geschichtsrevisionismus betreibt und Geschichtsverfälschung betreibt. Und umso wichtiger ist es, dass wir heute mit so einer Veranstaltung nochmal darauf aufmerksam machen, was geschehen ist und dass, wenn so etwas geschehen ist, so etwas wieder geschehen kann.“
Auch Ehrengast Bundeskanzler Olaf Scholz appelliert in seiner Rede Judenhass entgegenzutreten.
Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler
„Unrecht nicht zu dulden, nie mehr wegzuschauen, Nein zu sagen, das muss auch uns heute Richtschnur sein, 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Gerade heute, wo Antisemitismus, Rechtsextremismus, völkisches Gedankengut, wo teils unverhohlene Menschenfeindlichkeit vielerorts eine erschreckende und alarmierende Normalisierung erfährt.“
Im Januar vor 80 Jahren haben Soldaten der Roten Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz/Birkenau befreit. Der Ort, an dem über 1 Million Juden umgebracht worden sind, gilt seitdem als Synonym für die Shoah. Der Massenvernichtung von Juden durch Deutsche während der Nazi-Herrschaft. Bei einer sinkenden Zahl von Zeitzeugen, die das miterlebt haben, müssen neue Wege des Erinnerns gefunden werden.
Dr. Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden Deutschland
„Zum einen ist es ja gelungen von vielen Zeitzeugen, die jetzt noch leben oder auch noch vor zehn Jahren gelebt haben, ihre Worte in Wort und Bild aufzufangen. Das heißt, sie so dauerhaft erhalten zu können. Auf der anderen Seite haben natürlich auch die sogenannten Zweitzeugen diese Rolle mitübernommen.“
Wie Benjamin Graumann. Sein Großvater war in Auschwitz und hat überlebt. Er fordert auch mehr Engagement an Schulen. Das Thema solle Pflicht im Unterricht sein.
Benjamin Graumann, Vorstandsvorsitzender Jüdische Gemeinde Frankfurt
„Dazu gibt es die Möglichkeit, sich Konzentrationslager anzuschauen. Das, meine ich, passiert viel zu selten an Schulen. Es ist viel wichtiger geworden, das zu machen, das sich anzuschauen, die richtigen Lehren daraus zu ziehen.“
Dass die deutsche Gesellschaft und Politik die richtigen Lehren gezogen hat und sie konsequent verfolgt hat, wird gestern Abend häufiger infrage gestellt. Denn 80 Jahre nach Auschwitz ist jüdisches Leben in Deutschland so unsicher wie lange nicht.