Hessisches Heimatschutzregiment trainiert für den Ernstfall
Die NATO ist im Krieg mit einem Feind wie Russland; Deutschland muss schnell viele Einheiten der Bundeswehr in den Osten verlegen – ein Szenario, dass hoffentlich niemals eintreten wird. Aber – was wäre wenn? Dann müsste kritische Infrastruktur wie Kraftwerke, Kasernen oder logistische Einrichtungen gegen Sabotage geschützt werden. Die Bundeswehr stellt dafür zurzeit Heimatschutz-Kompanien auf. Wir waren bei einer Übung angehender Heimatschützer mit dabei.
Der Feind kam in der Nacht immer wieder – und jetzt greift er im Morgengrauen an. Sie müssen ihn zurückschlagen: Rund 90 Männer und Frauen – viele von ihnen haben noch nie unter Feuer gestanden. Sie sind freiwillig hier am Übungsplatz der Bundeswehr in Speyer. Ab Oktober wollen sie zu den hessischen Heimatschutzkompanien gehören.
Einer von ihnen: Ulrich N. – nach dem Abitur 1992 hatte er den Kriegsdienst noch verweigert.
Ulrich N., Rekrut
„92, drei Jahre nach Mauerfall, die Welt war friedlich. Die Bundeswehr war in den Kasernen. Und, ja, aufgrund der veränderten Lage in der Welt sehe ich die Notwendigkeit, noch etwas anderes zu tun, als nur im Büro zu sitzen und auf meinem Stuhl einen Job zu verrichten.“
Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine: Wie viele hier hat Ulrich ungläubig den Kriegsbeginn am Morgen des 24. Februars 2022 verfolgt. Der Krieg in Europa hat das Denken von vielen hier geändert: Aus Kriegsdienstverweigerern wurden Freiwillige, die Deutschland verteidigen wollen.
Markus, Rekrut
„Weil doch aufgrund der aktuellen Lage, sich einiges verändert hat und das war für mich der Grund, doch nochmal den Dienst an der Waffe zu erlernen.“Benedikt, Rekrut
„Mich hat das schon immer interessiert Bundeswehr und das Projekt, weil da so schnell geht in 20 Tagen und da habe ich mich entschlossen, da teilzunehmen.“
Teilnehmen wollen viele Hessen: 2.500 Bewerber für den Heimatschutz, davon 500 Ungediente, die vorher nicht bei der Bundeswehr waren. Hessen hat damit in Deutschland die meisten Freiwilligen.
Ihre Heimatschützer-Ausbildung dauert 20 Tage: Aus Finanzbeamten, Angestellten und vielen anderen werden Rekruten. Der Abschluss der Ausbildung: Die 36-Stunden-Übung im Wald in Speyer. Die Ausbilder trainieren die Rekruten in ihren Aufgaben im Kriegsfall: Die Verteidigung militärischer oder ziviler Infrastruktur.
Walid Jebali, Landeskommando Hessen
„In diesem Fall haben wir als Beispiel eine Pumpanlage für Kraftsoff gewählt, die von irregulären Kräften, also Sabotagetrupps, beschädigt werden soll. Und die Gruppe liegt hier im Wald, beobachtet das Vorfeld, nachdem angekündigt wurde, dass feindliche Kräfte sich annähern möchten. Sie wissen nicht wann, welche kommen und auch nicht wie viele und sobald sie kommen, haben wir den Auftrag, den Raum zu schützen.“
Befehle befolgen, Situationen überblicken und kommunizieren unter Stress und Müdigkeit – damit die Neulinge das lernen, werden immer wieder aus dem Nichts Angriffe simuliert.
Schüsse, Befehle, im Chaos funktionieren: Auch Ulrich merkt, dass er durch die Ausbildung immer routinierter wird.
Ulrich N., Rekrut
„Ich hatte vorher noch keine Schusswaffe in der Hand. Für mich kommt es in Frage, im Krisenfall, Verteidigungs- Spannungsfall auf Menschen zu schießen auf Befehl. Wie bei vielen Handlungen arbeitet man die einzelnen Punkte ab und die Gefühle kommen dann vielleicht später.“
Im Oktober werden die meisten der Freiwilligen hier Heimatschützer sein, um im Ernstfall ihre Heimat zu verteidigen. Ein Ernstfall, der hoffentlich nie eintritt.