Haftstrafe für „NSU 2.0“-Drohschreiben

Über 80 Drohschreiben hat ein Mann an Politiker, Anwälte und Prominente verschickt – unterschrieben mit „NSU 2.0“ und „Heil Hitler“, da ist sich der Richter am Frankfurter Landgericht sicher. Nach langen 30 Prozesstagen ist heute das Urteil gefallen.

Fünf Jahre und zehn Monate Haft für den 54-jährigen Angeklagten. Wegen Volksverhetzung, Gewaltandrohung und dem Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole. Das Gericht ist überzeugt, dass Alexander M. die Drohmails verschickt hat. Das hätten Daten auf seinem Rechner bewiesen. Wie der Verurteilte allerdings an die Daten kam, ist weiterhin nicht ganz geklärt. Deshalb zeigt sich die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die das erste Drohschreiben erhielt, mit dem Ausgang des Verfahrens nicht ganz zufrieden.
Seda Başay-Yıldız, Rechtsanwältin
„Mein Kind ist bedroht worden. Und nach wie vor steht im Raum, dass Polizeibeamte darin verwickelt sein können. Weil: Es gibt keinen dienstlichen Anlass, eine Zweijährige abzufragen und diese Daten zu verteilen.“
Die Staatsanwaltschaft sieht es zumindest als erwiesen, dass das erste Drohschreiben nicht aus dem ersten Polizeirevier Frankfurt verschickt wurde. Sie hatte siebeneinhalb Jahre Haft gefordert, ist mit dem Urteil aber zufrieden.
Sinan Akdogan. Oberstaatsanwalt
„Für die Staatsanwaltschaft war es wichtig, insbesondere im Hinblick auf das erste Drohfax, das vom 2. August 2018, eine Verurteilung zu erreichen. Das ist uns gelungen und das finden wir gut.“
Während der Urteilsverkündung Demonstrationen vor dem Gerichtsgebäude. Ein Bündnis aus Opfern der Drohschreiben und der Linkspartei will nicht an die Einzeltätertheorie glauben.
Janine Wissler, Die Linke, Bundesvorsitzende
„Dass es rechte Chatgruppen in der hessischen Polizei gibt, das haben ja die polizeilichen Ermittlungen ergeben. Also das ist ja ein Fakt. Und deswegen finde ich, es ist doch ein Wunschdenken und Realitätsverweigerung, einfach zu sagen: ‚Nein, es gibt keine rechten Netzwerke in der Polizei‘.“
Seda Başay-Yıldız geht weiter davon aus, ein Drohfax sei aus einem Polizeirevier verschickt worden. Die Gewerkschaft der Polizei hat die Existenz rechter Netzwerke bereits zurückgewiesen.
Carsten Praeg, Reporter
„Eines räumt aber auch die vorsitzende Richterin ein: Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Alexander M. bei verschiedenen Polizeirevieren angerufen und sich als Polizeibeamter ausgegeben hat. Warum sensible und gesperrte Daten auf Polizeirechnern abgerufen wurden, bleibt weiter im Dunkeln. Auch darauf zielt die Kritik der Betroffenen ab.“
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter, wie es zur Datenweitergabe kommen konnte. Zudem will sie nun prüfen, ob die abschließenden Worte des Angeklagten strafrechtlich relevante Inhalte hatten. Alexander M. könnte also bald wieder vor Gericht stehen.