Große Probleme durch Niedrigwasser im Rhein

Der Rhein ist mit seinen über 1.200 Kilometern Länge Europas wichtigste Wasserstraße. Drei Viertel aller Waren in Deutschland, die per Schiff transportiert werden, fahren über diesen Fluss. Doch Hitze und Niedrigwasser beeinträchtigen gerade den Schiffsverkehr auf dem Rhein. Das bringt nicht nur Probleme für Unternehmen, die ihre Waren mit dem Schiff transportieren – das Niedrigwasser könnte auch die Energieversorgung im Land gefährden.

So ausgetrocknet war „Rheinhessens Badewanne“ schon lange nicht mehr. Normalerweise steht das Wasser im Eicher See bis zur Rasenfläche. Für das mittelständische Familienunternehmen Minthe hat das direkte Folgen. Sie liefern Kies und Sand per Schiff über den Rhein an ihre Kunden und können die Frachter nur noch zu 50 % beladen – sonst laufen sie auf Grund.
Felix Minthe, Geschäftsführer F.+ J. Minthe GmbH & Co. KG
„Die Lage ist natürlich kritisch, weil unsere Kunden einfach nicht mehr ausreichend Material kriegen, das sie brauchen. Wir sind auch betroffen, weil unsere Umsätze einfach zurückgehen, weil wir nicht mehr die Mengen verladen bekommen, die wir normalerweise verladen. Es ist angespannt.“
Die Konsequenz: Die Schiffe müssen öfter hin und her fahren, um die gleiche Menge abzuliefern. Die Transportkosten steigen.
Niedrigwasser ist im Rhein nichts Ungewöhnliches. Doch in diesem Jahr sind die Pegel besonders früh abgesunken. Ein Umstand, der das Land zur Unzeit trifft. Wegen der Inflation müssen Unternehmen ohnehin tiefer in die Tasche greifen. Dazu kommt eine drohende Energieversorgungskrise. Um letzteres zu verhindern, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz an, Kohlekraftwerke wieder zu aktivieren, die man im Zuge der Energiewende bereits vom Netz genommen hatte.
Olaf Scholz, SPD, Bundeskanzler, am 03.08.2022
„Das erste, das haben sie gerade gemeldet, ist jetzt wieder marktbereit und liefert Strom für das Netz. Und wir werden weitere sehen, die das auch tun. Das alles dient der Vorbereitung auf eine schwierige Zeit.“
Doch auch hier legt das Niedrigwasser Steine in den Weg. Die Kohle muss nämlich erst nach Deutschland importiert und zu den Kraftwerken transportiert werden. 2/3 dieser Transporte werden über den Rhein geliefert. Laut dem Verein der Kohleimporteure können die Schiffe wegen der niedrigen Pegelstände nur 30-40 Prozent der sonstigen Kohlemenge laden. Gleichzeitig steige der Bedarf an Importkohle ab September erheblich, um für den Winter gerüstet zu sein. Hinzu kommt: Es fehlen Schiffe.
Texttafel Verein der Kohlenimporteure:
„2016 hat Deutschland ca. 41 Millionen Tonnen Kraftwerkskohle importiert. 2020 waren es nur noch 20 Millionen Tonnen. […] Der Grund: politischer Wille. Viele Kohlekraftwerke wurden vom Netz genommen bzw. abgemeldet. In der Binnenschifffahrt hatte man sich bereits anderen Gütern zugewandt und das Transportvolumen reduziert. Dieser Transportraum fehlt uns.“
Ähnlich ist es beim Zugverkehr. Laut dem Bundesverband Spedition und Logistik ist das Schienennetz schon jetzt komplett überlastet.
Noch kann die Firma Minthe den Sand über den Rhein transportieren. Auch dank erfahrener Schiffsfahrer wie Klaus Hofmann. Er bringt die Ladung vom Eicher See nach Lampertheim zum Endkunden. Auf den letzten Metern wird es jedoch schon knapp.
Klaus Hofmann, Kapitän
„Also, wenn wir hier reinfahren, wir rutschen mehr oder weniger durch den Schlamm. Da machen wir vielleicht noch zwei Kilometer die Stunde. Da brauchen wir für die Strecke eine gute Dreiviertelstunde hin.“
Noch kommt Klaus Hofmann an seinem Ziel an. Hier, beim Unternehmen Beton Pfenning, wird der Sand gebraucht, um Betonsteine wie diese herzustellen. Der Betriebsleiter befürchtet, dass die Lieferung von seinem Hauptlieferanten in zwei Wochen eingestellt werden muss. Der Sand müsste dann von woanders und per LKW transportiert werden.
Thomas Wohlfart, Betriebsleiter Betonwerk Pfenning GmbH
„Dann habe ich das Problem, dass ich auf einmal 45 LKW hier im Werk rumfahren habe, um ein Schiff zu ersetzen. In der Hauptsaison ist es so, dass teilweise bis zu drei Schiffe pro Woche kommen. Wenn man das dann hochrechnet, kommt man auf 135 LKW und das ist natürlich schon ein Haufen Holz.“
Auf das Niedrigwasser haben sich die Unternehmen in der Region im Laufe der Jahre eingestellt. Doch neben Inflation, Energiekrise und Personalmangel sind die sinkenden Pegel der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte.