Gesundheitsminister Clemens Hoch zur Situation der Krankenhäuser

Die Beschäftigten im Gesundheitswesen wollen mehr Geld. Hinzu kommen Kostensteigerungen zum Beispiel im Bereich Energie. Viele Krankenhäuser stehen aber schon jetzt finanziell mit dem Rücken zur Wand. Laut einer aktuellen Umfrage der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz erwarten drei Viertel der Kliniken im Land ein Defizit für das Jahr 2024. Und rote Zahlen bedeutet ganz schnell Insolvenz, wie das Beispiel des Deutschen Roten Kreuz zeigt. Elf Einrichtungen an 13 Standorten brauchen neue Investoren.

Beispielsweise das DRK-Schmerz-Zentrum in Mainz. Wer hierher kommt, leidet unter chronischen Schmerzen infolge von Unfällen oder Erkrankungen. Jährlich werden hier rund 2.000 Patienten stationär und 6.000 ambulant behandelt, Tendenz steigend. Matthias Diehl ist hier Chef der Finanzen und stolz darauf, dass sein Haus schwarze Zahlen schreibt.
Entsprechend kalt hat ihn die Nachricht von der Insolvenz seines Trägers erwischt.
Matthias Diehl, Kaufmännischer Direktor DRK Schmerz-Zentrum Mainz
„Wir waren alle ein wenig in Schockstarre hier in Mainz ehrlicherweise, als wir die Nachricht überbracht bekommen haben. Denn damit haben wir ehrlicherweise nicht gerechnet. Unser Haus steht sehr gut da. Einerseits ist die Auslastung des Hauses sehr gut, auch die Zahlen, die Nachfrage nach unserem Haus ist sehr groß. Nicht nur in der Region, sondern deutschlandweit. Von daher hat uns das dann doch tatsächlich sehr überrascht.“
Weniger überrascht war Achim Schwickert. Er ist Landrat im Westerwaldkreis, in dem das Deutsche Rote Kreuz ebenfalls ein Krankenhaus betreibt. Das gilt finanziell schon länger als Sorgenkind. Die Insolvenz hat sich also angedeutet, aber:
Achim Schwickert (CDU), Landrat Westerwaldkreis
„Das treibt den Menschen die Sorge ins Gesicht. Das geht sogar soweit, dass das natürlich bei der Frage, ob man wohnen bleibt oder hierher zieht, eine besondere Bedeutung hat, ob man diese Versorgung, die man braucht auch bekommen kann.“
Insgesamt müssen neue Betreiber für elf ganz unterschiedliche DRK-Einrichtungen gefunden werden. Für alle gebe es aber eine Perspektive, teilt der Insolvenzverwalter heute via Pressemitteilung mit.
Demnach liege für die Standorte Kirchen, Altenkirchen und Hachenburg ein konkretes Angebot vor. Die Landkreise haben sich bereit erklärt, die Defizite übergangsweise auszugleichen, um dem Insolvenzverwalter mehr Zeit für die weiteren Verhandlungen zu verschaffen.
Der Westerwaldkreis stellt dafür vier Monate lang je 270.000 Euro bereit. Dabei gehe es vor allem um die Mitarbeiter.
Achim Schwickert (CDU), Landrat Westerwaldkreis
„Denn ohne die geht es nicht. Und gerade am Standort Hachenburg ist das Personal sehr positiv eingestellt, hat in schwierigen Zeiten dauerhaft gute Leistungen gebracht. Das hat auch die Bevölkerung wahrgenommen und insofern wird natürlich auch von der Bevölkerung die Verpflichtung gesehen, dass der Westerwaldkreis hilft.“
Für das Mainzer Schmerz-Zentrum steht noch kein neuer Träger fest. Matthias Diehl ist aber optimistisch.
Matthias Diehl, Kaufmännischer Direktor DRK Schmerz-Zentrum Mainz
„Ein Trägerwechsel wird natürlich Veränderung mit sich bringen. Ich denke, es bietet auch Chancen, von daher sollten wir einfach abwarten, wer der neue Träger ist. Wir machen uns dafür stark, dass es ein Träger ist, der unser Haus in der Art und Weise, wie wir es hier aufgebaut haben in den letzten Jahrzehnten, auch weiterführt.“
Und Mainz somit eine gute Adresse bleibt für Menschen mit chronischen Schmerzen.
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Markus Appelmann, Moderator:
Ja. Da tut sich momentan einiges. Deswegen haben wir den Gesundheitsminister von Rheinland Pfalz, Clemens Hoch, eingeladen. Guten Abend.
Clemens Hoch (SPD), Gesundheitsminister Rheinland-Pfalz:
Guten Abend.
Appelmann:
Wir haben gerade eben über die Insolvenzen berichtet, die Streiks haben wir heute schon gesehen. Es gibt immer mehr Menschen, die sagen: “Da läuft was schief im Gesundheitswesen.” Was sagen Sie denen?
Hoch:
Wir haben eine große Krankenhausreform jetzt im Land umzusetzen. Der Bund hat uns Hausaufgaben mitgegeben, aber wir sind uns ganz sicher, so wie heute werden wir im ganzen Land eine gute, flächendeckende Versorgung haben. Aber wir werden an jedem Klinikstandort auch Veränderungen sehen, weil wir in der Fläche Versorgung für die Menschen sichern wollen, aber auf der anderen Seite bei manchen Behandlungen auch bessere Qualität und mehr Spezialisierung brauchen.
Appelmann:
Dann gehen wir doch mal ins nördliche Rheinland-Pfalz. Wenn in Kirchen, Altenkirchen und zum Beispiel auch in Harburg die Klinik schließt, dann müssen die Menschen doch weiter fahren im Notfall. Das heißt doch, die gesundheitliche Versorgung wird schlechter, nicht besser.
Hoch:
Wir haben zum Beispiel in den Regionen Westerwald und Altenkirchen, die Sie jetzt gesagt haben, vorgeschlagen, ein zentrales Klinikum zu bauen, das sehr viel größer ist und in dem die drei bisherigen Häuser aufgehen. Wir sehen, dass die Häuser zu klein sind, um sich auf Dauer vernünftig zu tragen, und dass wir immer weniger Fachkräfte finden, die in kleinen Häusern arbeiten wollen. Menschen wollen in größeren Teams arbeiten und Ärztinnen und Ärzte auch eine bessere Spezialisierung vorfinden. Und deswegen haben wir das Westerwaldklinikum vorgeschlagen und dafür auch mehrere 100 Millionen Euro bereitgestellt.
Appelmann:
Aber Sie brauchen trotzdem einen Investor. Ganz allein kann das Land hier nicht regieren.
Hoch:
Wir brauchen vor allem einen Träger, und das ist im Moment Aufgabe des Insolvenzverwalters. Ich bedauere sehr, dass das DRK diese Entscheidungen getroffen hat, zum Teil – wie wir im Schmerzzentrum und in Hachenburg, wie wir gesehen haben – bei hochprofitablen Kliniken. Die beiden Häuser funktionieren mit schwarzen Zahlen, die hatten an anderer Stelle Probleme. Aber der Insolvenzverwalter versucht jetzt, Träger zu finden, sowohl für Mainz als auch für Hachenburg, die dann auch bereit sind, für mehr Spezialisierung auch ein großes Krankenhaus zu betreiben.
Appelmann:
Sie haben die Krankenhausreform angesprochen, die Bundeskrankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er hat ganz klar gesagt: “Es wird am Ende weniger Kliniken geben.” Das heißt doch, die kleinen Kliniken haben Sie aufgegeben, oder?
Hoch:
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir überall dort, wo wir heute ein Krankenhaus haben, auch zukünftig eine Klinik, einen medizinischen Standort brauchen. Wir werden nun nicht mehr in die Krankenhäuser nach alter Lesart überall sehen, also jedes Krankenhaus mit einer inneren Medizin, einer Chirurgie, sondern wir werden kleinere Kliniken sehen, die die Grundversorgung absichern, die medizinische Eingriffe übernehmen, in denen man mal ein, zwei, drei Tage nur im Notfall stationär bleibt. Und wir werden dann größere Kliniken sehen, die hochspezialisierte Fälle abdecken, wie zum Beispiel herzchirurgische Eingriffe oder die neue Hüfte.
Appelmann:
Das heißt, es dauert aber noch bis 2027, bis Sie genau wissen, in welchem Krankenhaus in Rheinland-Pfalz welche Leistungen am Ende angeboten werden.
Hoch:
Wir steigen jetzt ein. Nächste Woche werden wir dem Gesundheitsausschuss des Landtages ein Versorgungsgutachten vorstellen. Und danach werden wir in den fünf Versorgungsbezirken Regionalkonferenzen abhalten mit der gesamten kommunale Familie, mit allen Trägern. Denn wir wollen schon dieses Jahr mit allen Trägern und allen Landräten und Bürgermeistern besprechen, wo soll denn welche Versorgung stattfinden. Und ja, das wird zum 1. Januar 2027 erst wirksam werden. Das hat der Bund vorgegeben. Wir wollen aber noch über den Sommer Klarheit schaffen im Land.
Appelmann:
Wir haben heute bei uns eine Sendung gesehen Streiks der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die wollen mehr Geld. Auf der anderen Seite sind ganz wenige Kliniken nur noch profitabel. Ganz viele schreiben rote Zahlen. Auf welcher Seite stehen Sie da?
Hoch:
Ich verstehe natürlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sagen: “Wir wollen für unsere gute Arbeit auch gut bezahlt werden.” Dafür gibt es das Streikrecht in Deutschland. Und finden, vor allem alle Kolleginnen und Kollegen der Länder und auch ich, dass der Bund mehr dafür tun muss, dass unser Gesundheitssystem auskömmlich finanziert ist. Das fordern wir im Bundesrat von der Bundesregierung seit über zwei Jahren. Und es wird auch eine Aufgabe sein …
Appelmann:
Aber die Länder kännen doch auch selbst was machen, wie wir am Beispiel Nordrhein-Westfalen sehen, die vorangehen.
Hoch:
Das ist eine Krankenhausplanung, die hat Nordrhein-Westfalen anders gemacht, und wir haben das als Blaupause genutzt für die Bundesreform. Aber was die Betriebskosten angeht, ist der Bund zuständig, da hat weder in Nordrhein-Westfalen noch bei uns die Landesregierung Aktien im Spiel. Wir sind für die Investitionskosten da, und wir geben ab nächstem Jahr pro Jahr 335 Millionen Euro in diesem Land aus für Investitionen in die Krankenhäuser. Damit bauen wir neu. Aber wir sanieren auch alte Häuser für eine gute Patientenversorgung, aber auch für mehr Klimaschutz.
Appelmann:
Die Krankenhausreform – da werden wir uns in den nächsten Monaten noch des Öfteren hier sehen. Danke an Gesundheitsminister Clemens Hoch.
Hoch:
Sehr gerne. Danke Ihnen.