Geheimer NSU-Bericht veröffentlicht

Der NSU und der Verfassungsschutz sorgen weiter für Schlagzeilen. Bis 2011 hatte die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ zehn Menschen ermordet und zwei Bombenanschläge verübt. Der Abschlussbericht des hessischen Verfassungsschutzes über mögliche eigene Versäumnisse war bislang nur dem Untersuchungsausschuss des Landtags zugänglich, nun hat eine Online-Plattform den als geheim eingestuften Bericht veröffentlicht und damit eine Diskussion entfacht, wie weit investigativer Journalismus gehen darf und wie brisant der Bericht wirklich ist.

April 2006: In Kassel wird Halit Yozgat in seinem Internetcafé erschossen. Er ist das neunte von zehn Opfern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, kurz NSU.
November 2014: Der hessische Verfassungsschutz legt seinen Abschlussbericht vor. Außerhalb der Sicherheitsbehörden ist der Inhalt bislang nur dem Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags bekannt. Zunächst wird der Bericht für 120 Jahre als geheim eingestuft, dann für 30.
Jetzt hat eine Online-Plattform die über 170 Seiten veröffentlicht, auf denen der Verfassungsschutz massive Fehler einräumt. Für die hessische CDU ist damit eine Grenze überschritten.
Holger Bellino, CDU, Abgeordneter Landtag Hessen
„Wenn der Verfassungsschutz sagt, die Dinge müssen als geheim eingestuft werden – dann besteht immer die Gefahr, dass diejenigen, die als V-Leute Informationen geliefert haben, mit Leib und Seele gefährdet sind. Und das gilt es zu verhindern.“
Der bündnisgrüne Koalitionspartner sieht das ganz ähnlich.
Mathias Wagner, Bündnis 90 / Die Grünen, Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Zum einen gibt es ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Zum anderen liegt es in der Natur der Sache, dass Ermittlungen und Beobachtungen der Sicherheitsbehörden nicht öffentlich geführt werden können. Daher steht es nicht im freien Benehmen Einzelner, ob solche Informationen veröffentlicht werden oder nicht.“
Zuletzt hatten bei einer Online-Petition knapp 135.000 Unterzeichner gefordert, den NSU-Bericht freizugeben. Nun rückt die Rolle des Verfassungsschutzes während der Mordserie wieder in den Mittelpunkt. Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags hatte bereits die mangelhafte Informationsweitergabe in der Behörde kritisiert. Der frühere Obmann der Linken, Hermann Schaus, befürwortet, dass die Öffentlichkeit sich nun ein eigenes Bild machen kann.
Hermann Schaus. Die Linke, Ex-Abgeordneter Landtag Hessen
„Der Verfassungsschutz hat ja selbst festgestellt in diesem Bericht, dass sie Versäumnisse begangen haben, d bestimmte Berichtstücke nicht auffindbar waren, über 500, und dass Hinweisen auf Waffen bei Neonazis nicht korrekt nachgegangen wurde.“
Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz hat bereits Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Noch muss aber geprüft werden, ob die veröffentlichten Seiten auch 1:1 dem Originalbericht entsprechen. Laut der Online-Plattform handelt es sich um eine Abschrift des Originals.