Gastrogewerbe findet kein Personal mehr

In der Gastronomie herrschte wegen der Corona-Pandemie lange Stillstand. Die Folge ist jetzt ein gravierender Personalmangel. Viele Mitarbeiter haben sich offenbar eine neue Stelle gesucht und dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt. Die Gastronomen sind sich einig: Es muss sich grundsätzlich etwas ändern, denn Schuld an der Misere ist nicht allein der Lockdown.

Beim Blick ins Reservierungsbuch dürfte Anja Poller ein Stein vom Herzen fallen. Im „Pollers Häusje“ in Mainz ist wieder richtig was los. Der Blick in den Personalplan allerdings bereitet der Gastronomin große Sorgen. Denn es fehlen Mitarbeiter. Für den Betrieb heißt das: Öffnungszeiten kürzen und Sitzplätze reduzieren.
Anja Poller, Inhaberin „Poller’s Häusje“ Mainz
„Und es ist trotzdem jeden Tag so ein neues Pokern, wie voll kann ich den Laden machen. Klar, es kann heute Mittag der Anruf kommen und der Kollege ist krank. Oder es kann ja auch mal was passieren. Und ab dann funktionierts schon nicht mehr.“
Jessica Stritter, Mitarbeiterin „Poller’s Häusje“
„Wenn man Glück hat, dann hat man noch aus der Vergangenheit Leute, die man kennt, die man noch mit reinholen kann. Wenn man Pech hat, muss man es alleine durchziehen. Weil Gäste anrufen und absagen, das machen wir nicht.“
Mit ihrem Problem sind sie hier im „Pollers Häusje“ nicht allein. In Rheinland-Pfalz haben etwa 13.500 Mitarbeiter das Gastgewerbe verlassen – und das innerhalb eines Jahres, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Doch die Corona-Pandemie sei nicht allein schuld am Personalmangel. Die Branche sei schlicht nicht attraktiv genug. Das muss sich ändern, fordert Guido Noll.
Guido Noll, Geschäftsführer NGG Darmstadt / Mainz
„Zunächst muss man auch schauen, dass man durchgängig beschäftigt ist. Dass man perspektivisch arbeiten kann, dass man geregelte Arbeitszeiten hat, dass man nicht ständig heimgeschickt wird oder Saisonkraft ist und dann drei, vier Monate unter Umständen auf der Agentur sitzt, um Arbeitslosengeld zu beziehen.“
Ein Masterplan muss her. Den will die Gewerkschaft zusammen mit dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA in den nächsten Wochen auf die Beine stellen. Neben besseren Arbeitszeiten und Planbarkeit, wird es dann auch um Lohnerhöhungen gehen. Im aktuellen Sondierungspapier der Ampelkoalition ist bereits geplant, den Mindestlohn im nächsten Jahr auf 12 Euro anzuheben.
Gereon Haumann, DEHOGA Rheinland-Pfalz
„Es war lange bekannt, dass der Mindestlohn steigen wird. Wir selbst haben Beschlüsse, die den Mindestlohn in der untersten Lohngruppe vorsehen – sogar mit einem Aufschlag von fünf Prozent. Das heißt, das Gastgewerbe in Rheinland-Pfalz wird nicht mehr vom Mindestlohn getrieben sein.“
Extrakosten, die viele Betriebe zusätzlich belasten könnten.
Gereon Haumann, DEHOGA Rheinland-Pfalz
„Wir werden die notwendige Lohnsteigerung nur im Schulterschluss mit Politik und Gästen schaffen. Das heißt, die Politik muss uns dauerhaft aufschließen, das ist die Grundvoraussetzung, dass Mitarbeiter zu uns zurückkommen. Und die Gäste müssen höhere Preise akzeptieren.“
Auch im Pollers Häusje sind die Preise seit dem Lockdown gestiegen.
Anja Poller, Inhaberin „Poller’s Häusje“ Mainz
„Ich denke, das ist auch für unsere Branche gerechtfertigt, wenn man in der Gastronomie einen guten Service bekommt, ein tolles Endprodukt bekommt, ja ein tolles Ambiente hat.“
… das die Gäste aber nur genießen können, wenn es auch genug Personal gibt.
Bis sich die Situation durch einen neuen Tarifvertrag vielleicht verbessert, werden auf die Mitarbeiter im „Pollers Häusje“ aber noch einige Überstunden zukommen.