Fraport-Chef Stefan Schulte zu Gast im Studio

Der Frankfurter Flughafen gilt als Hessens Tor zur Welt. Im Sommer dieses Jahres feiert der Flughafenbetreiber seinen 100. Geburtstag. Zum Auftakt des Jubiläumsjahres erinnern sich Verantwortliche und Weggefährten daran, wie der Flughafen seine heutige Dimension als wichtiges Drehkreuz in der Welt erreichen konnte – und wie auch zahlreiche Krisen und Rückschläge daran nichts ändern konnten.

Deutschlands größter Flughafen – er steht in Frankfurt. Ein Rekord, mit dem vor 100 Jahren nicht unbedingt zu rechnen war.
Hier fing alles an. Auf dem Frankfurter Rebstockgelände starten Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Propellermaschinen aus Frankfurt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gründet sich 1924 der Vorgänger des heutigen Flughafenbetreibers. Der Frankfurter Magistrat beschließt 1930 einen Flughafen-Neubau im Westen der Stadt. Die Eröffnung fällt in die Zeit des Nationalsozialismus. Die Nazis nutzen den Flughafen für ihre Propaganda. Von Frankfurt aus fliegen Kampfbomber Richtung Frankreich.
Nach dem Krieg baut die US-Armee den Flughafen wieder auf und erweitert ihn um eine zweite Start- und Landebahn. 1972 eröffnet das Terminal Mitte, ein Teil des heutigen Terminal 1. In den 80ern sorgt ein weiterer Ausbau für Proteste. Für den Bau der neuen Startbahn West sollen Teile des Stadtwalds weichen. Bei einer Demonstration 1987 eskaliert die Lage, zwei Polizisten werden erschossen. Trotzdem beschließen die Verantwortlichen in den Jahren danach weitere Ausbauten. Der ehemalige hessische Ministerpräsident und frühere Fraport-Aufsichtsratschef Roland Koch erinnert sich.
Roland Koch (CDU), Ministerpräsident Hessen 1999 – 2010
„Man sah, dass international es notwendig ist, sich weiterzuentwickeln, sonst gehen die Flugzeuge nach Amsterdam, vielleicht auch nach München, aber jedenfalls nicht mehr nach Frankfurt, mit allen Folgen für die Wirtschaft. Aber das Risiko in Kauf zu nehmen, so eine politisch streitige Entscheidung zu treffen, war nicht selbstverständlich.“
Die stadtnahe Lage ist ungewöhnlich für einen Flughafen dieser Größe und für Fraport Fluch und Segen zugleich. Passagiere schätzen die Möglichkeit, vom Flughafen aus schnell an ihr Ziel zu kommen. Anwohner hingegen klagen über Fluglärm.
Trotzdem wächst der Flughafen weiter. Nach der Corona-Krise, die den Airport 2020 von jetzt auf gleich in den Standby-Modus versetzt, liegt der Fokus jetzt auf dem Bau von Terminal 3. 2026 soll es öffnen. Ein Großprojekt, mit dem Fraport die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens sichern will – wie so oft in den vergangenen 100 Jahren.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Und jetzt begrüße ich den Chef des Frankfurter Flughafens bei mir im Studio, Stefan Schulte. Schön, dass Sie hier sind. Herzlich willkommen.
Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender Fraport AG:
Ich freue mich. Vielen Dank, Frau Dieterle!
Dieterle:
Herr Schulte, die Fraport feiert 100-jähriges Bestehen. Wir haben es gerade im Beitrag gesehen. Es gab viele Höhen, aber auch Tiefen. Gibt es einen Moment, wo Sie sagen, in Ihrer Zeit am Flughafen, das war so der Bedeutendste, das war ein Schlüsselmoment?
Schulte:
Na ja, wenn ich jetzt auf meine Zeit gucken darf, 21 Jahre in diesem Unternehmen, dann ist zum einen der 21. Oktober 2011, also die Inbetriebnahme der neuen Landebahn. Es ist aber auch die Einstellung des Luftverkehrs bei Corona, ich glaube, 18. März 2020 müsste es gewesen sein. Das sind ja schon Erlebnisse, wo man einerseits Jahre dafür kämpft, Jahredafür arbeitet so eine Landebahn Wirklichkeit werden zu lassen mit all den fortlaufenden Diskussionen, regionales Dialogforum, den ganzen Diskussionen mit Bürgern und so weiter. Wenn Sie Corona jetzt auf der anderen Seite nehmen, etwas Unvorstellbares, was da eigentlich passiert ist, dass auch ich mir absolut nicht vorstellen könnte. Meine Frau hat mich ein, zwei Tage vorher vorgewarnt, hat gesagt: “Ihr werdet stehen. Komplett.” Ich habe gesagt: “Das kann gar nicht sein. Weltweit Luftverkehr einstellen, das hat’s noch nie gegeben.” Ja, und da müssen Sie leider sehr, sehr schnell auch sehr schwierige Entscheidungen treffen, weil einem dann doch sehr schnell bewusst wird, was das heißt, jeder Monat 100 Millionen Verlust. Und das muss ein Unternehmen überleben.
Dieterle:
Hat sich der Flughafen von der Corona-Krise wieder erholt?
Schulte:
Weitgehend ja. Wir haben heute wieder einen doch recht stabilen Betrieb. Wir haben ein Volumen, was ungefähr 90 % des Vor-Corona-Niveaus erreicht hat. Aber wir haben auch eine Verschuldung, die zwischen 8 und 12 Milliarden, je nachdem, was Sie dort mit einrechnen, auf der Backe haben, die wir zurückzahlen müssen, bei 4 Milliarden € Eigenkapital. Das heißt, ja, wir sind ein Ergebniskennzahlen ungefähr da, wo wir vorher waren, sogar leicht drüber. Aber da ist ein riesen Schuldenberg, den wir wieder abzahlen müssen, weil wir eigentlich das selbst schultern mussten.
Dieterle:
Die Fraport feiert 100 Jahre. Das ist der super lange Zeitraum. Wir wagen jetzt mal ein kleines Experiment und schauen mal genauso lang in die Zukunft. Welches Szenario sehen Sie da für den Frankfurter Flughafen? Wird er größer sein als jetzt? Wird es ihn noch geben?
Schulte:
Also ich bin fest davon überzeugt, auch wenn man bei 100 Jahren sehr, sehr vorsichtig sein muss, denn vor 100 Jahren hat keiner diese Entwicklung vorhergesagt. Trotzdem: Ich bin fest davon überzeugt, dass es keinen weiteren Ausbau geben wird, aber dass wir erfolgreich sein werden in dieser Stellung, sie zu erhalten, brauchen aber auch die richtigen Rahmenbedingungen. Wir sind heute in der Cargo, in der Luftfracht, die Nummer eins in Europa. Da bin ich fest überzeugt, das schaffen wir auch. Wir haben die richtigen Maßnahmen – Digitalisierung der Prozesse, Erweiterung der Cargoflächen – noch mal angestoßen. Das aber so als Hub wirklich mit dieser Konnektivität, also mit dieser Vielzahl an Verbindungen, die wir heute haben, da brauchen wir politische Rahmenbedingungen, die in diese richtige Richtung das unterstützen.
Dieterle:
Sie haben gerade die Herausforderungen schon angesprochen, die der Flughafen zu bewältigen hat. Die schauen wir uns jetzt noch mal an in einer Übersicht.
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Das Lächeln von Stefan Schulte war gedämpft. Im März, bei der Vorstellung der Bilanz für das Jahr 2023. Und das trotz eines Gewinns. Aber den Flughafen-Chef ärgerten nicht nur die Streiks am Flughafen zu Jahresbeginn, sondern vor allem die hohen Abgaben, die insbesondere deutsche Flughäfen bezahlen müssten.
Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender Fraport AG, am 19.03.2024
„…in der Luftverkehrsabgabe, jetzt bei den Luftsicherheitskosten. Was dazu führt, dass gewisse Airlines einen Bogen um Deutschland machen, weil ihnen diese regulatorischen Kosten einfach zu hoch sind.“
Ein weiteres Problem hat der Flughafen damit, genügend Personal zu bekommen. Derzeit beschäftigt die Fraport rund 18.000 Mitarbeiter, doch in vielen Bereichen ist es weiterhin schwierig, Fachkräfte zu finden.
Der Flughafen kämpft um seine Konkurrenzfähigkeit im Wettbewerb mit anderen Groß-Flughäfen. Immer wieder warnt man in Frankfurt auch vor den Folgen des EU-Klimaschutzprogramms „Fit for 55“. Dieses sieht vor, dass Fluggesellschaften aus EU-Staaten immer mehr nachhaltig erzeugten aber eben auch teureren Kraftstoff beimischen. Dabei steht laut Stefan Schulte gar nicht genug nachhaltiger Kraftstoff zur Verfügung. Ein Nachteil gegenüber der Konkurrenz aus Istanbul oder Dubai. Gleichzeitig ist man sich am Frankfurter Flughafen bewusst, dass Fliegen klimaschonender und leiser werden muss.
Klimaschutz, Kosten, Konkurrenzfähigkeit – die Herausforderungen am Flughafen sind zahlreich.
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Dieterle:
Ja, da ist gleich ein ganzes Potpourri an Herausforderungen. Was würden Sie denn sagen, ist aktuell die, die Sie am allermeisten beschäftigt?
Schulte:
Also wir wollen, wir müssen nachhaltig werden. Das machen wir am Frankfurter Flughafen, über ganz, ganz viele Projekte bis hin zu Offshore-Windkraftanlagen bis hin zu Photovoltaikanlagen. Auf dem Weg sind gut unterwegs. Die EU-Kommission hat für die Airlines entschieden, dass die sogenannte Beimischungsquoten von nachhaltigem Kraftstoff ab nächstem Jahr zwei Prozent,dann wachsend auf über 30, 40, 50 % beimischen müssen. Das gibt es im Moment nicht und das ist sehr teuer. Und das Problem ist: Es müssen nur die europäischen Airlines machen, aber nicht die aus dem Mittleren und Nahen Osten. Wenn Sie also jetzt von Hamburg über Frankfurt nach Bangkok fliegen oder Sie fliegen von Hamburg über Istanbul nach Bangkok, dann ist das für die Umwelt genau das Gleiche. In dem ersten Fall, wenn Sie über Frankfurt fliegen, haben Sie auf der gesamten Strecke nachhaltigen Treibstoff, im zweiten Fall nur auf dem ersten kurzen Stück bis Istanbul, aber nicht den ganzen Rest. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil, wo wir ganz eindeutig sagen: Hier muss die nächste EU-Kommission, die jetzt ins Amt kommt, wirklich noch mal nachjustieren. Da gibt es eine Revisionsklausel fürs Jahr 2027. Wir wollen den nachhaltigen Treibstoff, wir wollen klimaneutral fliegen, aber es muss wettbewerbsneutral sein.
Dieterle:
Auf der einen Seite nutzen ja jedes Jahr Millionen Menschen den Flughafen als Tor zur Welt, Sie bezeichnen das ja auch gerne selbst als dieses, auf der anderen Seite gibt es aber immer wieder Proteste und es gibt Menschen, die sich durch den Flughafen belästigt fühlen, unter anderem durch Lärm. Ist das ein Dilemma, das sich nie mehr lösen wird?
Schulte:
Das ist eine Herausforderung, die wir immer haben werden. Das Thema Lärmminderung, aktiver Schallschutz, passiver Schallschutz das muss in unserer DNA immer auf der Agenda bleiben, und zwar sehr, sehr weit oben. Wir sind hier oder wir gelten hier weltweit als einer der Vorreiter. Wir haben viele, viele Maßnahmen unternommen. Es ist ja auch deutlich ruhiger geworden, also ruhiger, was die Proteste angeht, aber es ist auch deutlich leiser geworden. Das ist auch ein Vorteil. Und trotzdem: Der, der wirklich individuell oder die, die wirklich individuell sehr stark betroffen ist, da müssen wir immer wieder dran bleiben, das maximal Mögliche zu machen. Und da können wir uns nicht hinter kommerziellen Argumenten zurückziehen.
Dieterle:
Kommen wir noch mal zu den Menschen, die abfliegen und auch landen in Frankfurt. Stichwort Kundenzufriedenheit Es gibt im Internet immer wieder Portale, wo Sie sich auch Bewertungen stellen müssen. Teilweise ist von chaotischen Zuständen die Rede, auch von sehr, sehr langen Wartezeiten bei der Kofferausgabe. Was tun Sie, um da besser zu werden?
Schulte:
Wir sind deutlich besser geworden. Wenn ich mir heute die Wartezeiten eine Sicherheitskontrollen angucke, die finden Sie fast nicht mehr. Wir haben ja die Verantwortung für die Sicherheitskontrollen vor zwei Jahren übernommen. Das läuft heute sehr, sehr gut. Das sieht man auch in den Portalen. Klasse. Der Betrieb auf dem Vorfeld läuft auch schon deutlich besser. Wenn dann aber so Situationen reinkommen – Gewitter spätabends, der Flughafen muss eine halbe Stunde gesperrt werden oder im Anflug irgendwo, dann kommt der Betrieb noch sehr stark durcheinander und dann warten Sie leider sehr lange auf den Koffer. Also wir haben mit der Kofferausgabe noch ein Problem. Wir haben genügend Mitarbeiter heute an Bord, genauso viel wie vor Corona. Das ist nicht mehr der Unterschied. Wir brauchen ein bisschen mehr Qualifikation, gerade bei Führerscheininhabern, damit der Koffer von der Maschine zur Gepäckförderanlage gefahren werden kann und dann auch schnell aufs Band kommt, damit Sie ihn bekommen.
Dieterle:
Und da sind Sie dran.
Schulte:
Da sind wir dran.
Dieterle:
Das sagt der Chef des Frankfurter Flughafens, Stefan Schulte Vielen Dank, dass Sie heute zum Interview hier waren.
Schulte:
Ich danke Ihnen.