Flutkatastrophe im Ahrtal – viele Probleme sind auch drei Monate danach noch nicht gelöst

Genau drei Monate ist es jetzt her, dass sich das Leben vieler Rheinland-Pfälzer über Nacht schlagartig verändert hat. Bei der Hochwasserkatastrophe kamen im Ahrtal und im Raum Trier insgesamt 134 Menschen ums Leben. Viele tausend Menschen verloren ihr Hab und Gut. Nach der Flutwelle folgte eine Welle der Solidarität. Doch die ebbt nun langsam ab. Und die Probleme der Betroffenen sind noch lange nicht gelöst.

Erst die Wassermassen, dann die Verwüstung. Und jetzt die Angst vor dem Vergessen werden.
Doch Wilhelm Hartmann bringt Hoffnung. Sofort nach der Flutkatastrophe hat der Gartenbau-Unternehmer aus Fulda  im Ahrtal ein Helferlager aufgebaut. Im sogenannten „Wilhelms-hafen“ bekommt man fast alles: Von Werkzeugen über Fenster bis hin zu Zement. Damit hilft Wilhelm Hartmann Betroffenen wie Heinz-Georg Hoffmann. Vor 3 Monaten hat er noch in diesem Fachwerkhaus gelebt. Doch das alte Gebäude wurde vom Wasser massiv beschädigt. Jetzt muss es provisorisch von Balken gestützt werden.
Wilhelm Hartmann, Fluthelfer: „Die Feuchtigkeit muss unbedingt jetzt hier raus. Sobald der Frost nämlich kommt… genau, ja, ja genau… sobald der Frost nämlich kommt, dann platzt alles auseinander.“
An einen Wiedereinzug ist noch lange nicht zu denken. Derzeit wohnt der 64-Jährige in einem gespendeten Campinganhänger.
Heinz-Georg Hoffmann, Anwohner: „Ich bin hier geboren und aufgewachsen und da möchte ich schon, dass man so soweit noch aufbauen kann. Wegziehen, warum. Das ist doch unsere Heimat.“
Das Schicksal von Heinz-Georg Hoffmann ist nur eines von vielen, die sich hinter der offiziellen Schadensbilanz verbergen. Die Behörden gehen im Ahrtal von rund 42.000 Flutopfern aus. Die Wassermassen haben dort über 3000 Gebäude zerstört, darunter auch viele Krankenhäuser, Schulen und Kindertagesstätten. 180 Kilometer Verkehrswege und 62 Brücken sind beschädigt oder weggerissen. Viele Leitungen für Strom, Wasser und Gas sind kaputt. Bis jetzt haben die Helfer rund 300.000 Tonnen Müll abtransportiert. Aber viele Bewohner wollen für immer aus dem Ahrtal wegziehen. Zumal umstritten ist, ob der Wiederaufbau vieler Häuser am Flussufer nicht zu gefährlich ist. Der Hilfsfonds für Rheinland-Pfalz, den Bund und Länder finanzieren, hat ein Volumen von 15 Milliarden Euro. Die Spendenbereitschaft ist überwältigend. Bis das Ahrtal wieder so schön ist, wie es einmal war, könnten allerdings Jahre vergehen.
Das wissen auch Gerhald Janssen und seine Familie. Von außen könnte man denken, ihr Haus wäre verschont geblieben. Doch Erdgeschoss und Keller waren komplett mit Wasser vollgelaufen.
Gerhard Janssen, Anwohner: „Hier sehen wir ja, der ganze Putz, das Wasser stand bis hier oben in den Räumen drinnen. Und da haben wir den ganzen Putz erst mal abschlagen lassen. Da kam eine Baufirma und die hat gesagt, der ganze Putz muss runter, weil der hat sich vollgesogen mit dem Wasser. Der ganze Dreck, der die Ahr runter kam mit den Abfällen und so weiter, was im Wasser alles drin ist. Das musste alles weg.“
Jetzt laufen die Lufttrockner. Rund 6 Wochen wird es dauern, bis neuer Putz auf die Wände darf. Ein willkommener Nebeneffekt: Die Geräte sorgen für etwas Wärme. Denn eine Heizungsanlage des Hauses ist durch die Wassermassen komplett zerstört worden. Der Helfer-Shuttle versucht die Betroffenen so wie möglich zu unterstützen. Vom Camp in Grafschaft aus fahren jeden Tag hunderte Menschen mit dem Bus ins Krisengebiet, um dort zu helfen. Doch die Zahl der Freiwilligen nimmt ab.
Thomas Pütz, Organisator Helfer-Shuttle: „Das ist einmal bedingt dadurch, dass die Ferien irgendwann auch mal vorbei waren, die Sommerferien damals, dann aber auch das Wetter natürlich umschlug, wir sind jetzt mitten im Herbst drin, dann ist es unangenehmer auch die Nächte hier auch zu verbringen, was man vollkommen verstehen kann.“
Die Herbstferien bieten jetzt die letzte Chance, die vielen beschädigten Gebäude winterfest zu machen.
Jürgen Gehring, Organisator Helfer-Shuttle: „Wir versuchen natürlich, bevor es so richtig kalt wird, unsere wesentlichen Aufgaben, nämlich die Entkernung der Häuser, flächendeckend geschafft zu haben. Deswegen wollen wir jetzt in den Herbstferien hier in Rheinland-Pfalz auch nochmal einen Endspurt hinlegen, damit diese Aufgaben dann beendet werden können.“
Neben den offensichtlichen Schäden wird jetzt aber auch ein anderer Teil der Katastrophe deutlich: Die psychischen Folgen für Betroffenen und ihre Helfer.
Godehard Pötter, Seelsorger: „Die Anfangsphasen des aktiven Tuns und Machens neigen sich langsam dem Ende zu. Das heißt, die Menschen kommen zur Ruhe und die Wucht des ganzen Dramas dringt umso mehr ins Bewusstsein und damit erleben wir, dass tatsächlich auch mehr Verzweiflung aufkommt. Die Menschen erleben das jetzt, zu sehen, dass ihr Haus zerstört ist und insofern gibt es für uns jetzt mehr zu tun.“
Mancherorts ist kaum vorstellbar, dass seit der Flut schon 3 Monate vergangen sind. Doch Betroffene und Helfer zeigen jeden Tag aufs Neue, dass sie Hoffnung und Zuversicht nicht verloren haben.