Fernwärme abgestellt: Familien in Wetzlar frieren

Während in Wetzlar ein ganzes Wohnviertel seit einigen Monaten ohne Heizung und warmes Wasser auskommen muss, tritt dort aus einigen Gullys ununterbrochen Energie in Form von Wasserdampf aus. Wegen eines maroden Fernwärmenetzes steht ein privater Energiedienstleister in der Kritik. Und das nicht zum ersten Mal.

Katrin und ihre Hündin Neska versuchen es sich unter einer warmen Decke gemütlich zu machen. Es ist kalt, die Heizung funktioniert nicht. Wie ihr ergeht es auch mehr als 70 anderen Anwohnern im Stadteil Westend in Wetzlar. Bei mindestens 26 Häusern, darunter eine Kita und ein Nachbarschaftszentrum, kommt hier schon seit drei Monaten keine Fernwärme mehr an. Das Resultat: Raumtemperaturen von gerade mal 18 Grad und gesundheitliche Folgen.
Katrin S., Anwohnerin
„Mich hat es komplett erwischt. Ich hatte zwei Wochen lang eine starke Erkältung, Blasenentzündung, also das ganze Programm. Für mich ist das hier körperlich nicht tragbar.“
Deshalb hat sie ihren Mietvertrag gekündigt und sich bereits eine neue Wohung gesucht. Aus gleich mehreren Stellen im Viertel tritt heißer Wasserdampf aus. Energie, die eigentlich in den Häusern ankommen sollte. Das Fernwärmenetz des privaten Energieversorgers EAB scheint marode. Dass es bei 40 Jahre alten Leitungen mal ein Leck gibt, sei normal, so Umweltdezernent Norbert Kortlücke. Für gewöhnlich würden solche allerdings innerhalb weniger Tage repariert. Anders in Wetzlar. Seit Mitte Juli bleibt hier ein ganzes Wohnviertel kalt.
Norbert Kortlücke, B’90 / Die Grünen, Umweltdezernent Wetzlar
„Deswegen haben wir selber als Stadt auch einen Anwalt eingeschaltet, weil wir hier mit dem Nachbarschaftszentrum Kunden sind und wir müssten Wärme geliefert bekommen. Und wir haben allen anderen Anwohnern auch geraten: Lasst euch anwaltlich vertreten.“
EAB steht schon länger in der Kritik: fehlerhafte oder fehlende Abrechnungen, falsch geeichte Fernwärmezähler sowie permanente Unerreichbarkeit. Auch für 1730 Sat.1 LIVE kein Durchkommen. Weder telefonisch, noch online.
Inessa Del hat dieses Haus vor zwei Jahren gemeinsam mit ihrem Mann gekauft und viel Geld in die Renovierung der insgesamt zehn Wohnungen gesteckt.
Inessa Del, Hauseigentümerin und Vermieterin
„Wir haben jetzt schon die erste Kündingung bekommen. Der Winter steht vor der Tür. Wir haben Herbst, es ist kalt. Die Leute wollen wissen, wie es weitergeht. Ich kann keine Antwort geben. Wir sind platt. Das macht schlaflose Nächte.“
Eine Kontrolle wie bei Strom und Gas durch die Bundesnetzagentur, die über die Versorgung wacht, gibt es bei Fernwärme nicht. Die Stadt Wetzlar versucht zu helfen. Im Nachbarschaftszentrum soll ein beheizter Aufenthaltsraum eingerichtet und davor ein mobiler Duschcontainer aufgestellt werden.
Mohammad Aseif wohnt seit einem Jahr mit seiner Familie in einer der zehn Wohnungen von Inessa Del. Auch hier ist es deutlich zu kalt, erst recht für einen Haushalt mit Kleinkindern.
Mohammad Aseif, Anwohner
„Unsere Kinder sind seit einer Woche sehr krank. Sie sind nicht in die Schule gegangen und zuhause geblieben, weil die Wohnung so kalt ist. Wenn die Heizung noch ein oder zwei Monate weiterhin nicht funktioniert, müssen wir uns eine andere Wohnung suchen.“
Solange hier kein Wärme ankommt, wird die Wäsche vor dem Haus in der Sonne getrocknet. Und auch wenn die Sonne nicht immer scheint: Auf sie ist mehr Verlass, als auf den Energieversorger im Wetzlarer Westend.