EZB will Leitzins anheben

Weil die Inflation im Euro-Raum durch die Corona-Krise, die riesigen staatlichen Finanzhilfen und den Ukraine-Krieg auf über 8 % gestiegen ist, hat die Europäische Zentralbank heute beschlossen, den Leitzins zum ersten Mal seit elf Jahren zu erhöhen. Am 1. Juli soll er von 0 auf 0,25 % steigen. Außerdem will die EZB den milliardenschweren Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen beenden.

Eva Dieterle, Moderatorin: „Und darüber spreche ich jetzt mit unserem Finanzexperten Philipp Stelzner. Philipp, wenn die Europäische Zentralbank die Leitzinsen erhöhen will, was bedeutet das dann für uns alle?“
Philipp Stelzner, Stellvertretender Chefredakteur: „ Also die Europäische Zentralbank hat heute beschlossen, im Juli den Leitzins zu erhöhen. Aber angedeutet hat sie das schon früher. Und deshalb spüren wir die Folgen schon jetzt. Die Bauzinsen zum Beispiel, die sind bereits deutlich nach oben gesprungen. Das heißt, die Hausfinanzierung ist schon teurer geworden. Und auch für andere Kredite werden wir künftig mehr Geld bezahlen müssen. Auf der anderen Seite können sich die Sparer freuen, dass sie bald endlich wieder ein bisschen Zinsen für ihre Sparguthaben erhalten. Auch Negativzinsen wird es bald nicht mehr geben. Also dass wir für sehr hohe Sparguthaben Geld bezahlen müssen. Aber die Sparzinsen werden die hohen Inflationsraten nicht ausgleichen können. Unter dem Strich machen die Sparer also weiter ein Minusgeschäft. Ihr Guthaben verliert weiter an Kaufkraft.“
Eva Dieterle: „Wird diese Leitzinserhöhung die Wirtschaft belasten?“
Philipp Stelzner, Stellvertretender Chefredakteur: „Ja, das ist die große Sorge der Europäischen Zentralbank, dass sie den Leitzins erhöht, um die Inflation einzudämmen, aber dadurch eine Wirtschaftskrise auslöst. Denn wenn Kredite teurer werden, dann nehmen sich Firmen und Privatleute weniger Kredite. Und dadurch wächst die Wirtschaft langsamer. Die Staaten in der Eurozone und auch die Bundesländer müssen nach einer Leitzinserhöhung für ihre Schulden wieder Zinsen bezahlen. Dann haben sie weniger Geld, um es zum Beispiel in Infrastruktur zu investieren. Auch das dämpft die Konjunktur. Und deshalb wird die EZB den Leitzins nur sehr langsam und ganz vorsichtig erhöhen. Sie verspricht uns eine sanfte Landung in der neuen Sinneswelt. Mal sehen, ob das klappt.“
Eva Dieterle: „Wie lange wird die Inflation noch anhalten?“
Philipp Stelzner, Stellvertretender Chefredakteur: „Die Europäische Zentralbank rechnet damit, dass die Preise in diesem Jahr im Schnitt im Euroraum um 6,8% steigen werden. Die Inflation werde dann im nächsten Jahr auf 3,5% und im übernächsten Jahr auf 2,1% sinken. Aber dabei hilft den Währungshüter natürlich ein statistischer Trick Denn bei der Inflation vergleichen sie immer einen Monat mit dem gleichen Monat des Vorjahres. Das heißt, selbst wenn wir 2025 überhaupt keine Inflation mehr haben sollten, dann heißt das nicht, dass unser Leben billiger würde, sondern dann heißt das nur, dass wir 2025 für Miete, Lebensmittel und Benzin genauso viel Geld bezahlen müssten wie 2024.“
Eva Dieterle: „Deine Einschätzungen zur aktuellen Lage. Vielen Dank dafür.“
Philipp Stelzner, Stellvertretender Chefredakteur: „Ja.“