EZB erhöht den Leitzins nicht

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Preise für Energie, Lebensmittel und vieles mehr massiv steigen lassen. Immer mehr Wirtschaftsexperten fordern deshalb von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, mehr gegen die Inflation zu unternehmen und die Leitzinsen zu erhöhen. Doch der Rat der EZB hat heute Nachmittag nur in Aussicht gestellt, seine ultralockere Geldpolitik bald zu beenden. An den Leitzinsen ändert sich vorerst nichts.

Egal ob wir tanken, heizen, oder Lebensmittel einkaufen – wir merken: Das Leben wird immer teurer. Der Krieg in der Ukraine hat viele Preise nochmals in die Höhe getrieben. Immer mehr Menschen suchen deshalb auch Tafeln auf. Beispielsweise in Ludwigshafen.
Jürgen Hundemer, Vorsitzender Tafel Ludwigshafen
„Die meisten Menschen sind aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt alleine zu bestreiten. Da ist die Tafel, die Leistungen der Tafel, eine sinnvolle Ergänzung, denn hier gibt’s sowohl Lebensmittel, Obst und Gemüse, das ist für diese Menschen besonders wichtig.“
Doch nicht nur die Kunden der Tafel spüren, für das selbe Geld, kann man sich immer weniger leisten.
Erika Hesbacher, Rezeptionistin
„Die Spritpreise sind sehr teuer, auch Versicherungen, es ist alles gestiegen. Lebensmittel… Also wenn man einkaufen geht, also früher hat man ja schon mal ein bisschen was im Korb gehabt, aber jetzt mittlerweile ist das wirklich ganz schlimm.“
Ohne Namensnennung
„Na ja, man muss schon ein bisschen genauer gucken, wann man die Waschmaschine anmacht, dass man insgesamt einfach sparen tut. Wir fahren weniger Auto etc. etc., überlegen, ob wir ein anderes Heizsystem anschaffen.“
Claudia Wittner, Sozialpädagogin
„Psychologisch hat’s sich schon ausgewirkt, dass ich zum Beispiel … ich habelange eine Gemüsekiste bezogen – Bio-Gemüse, das halt sehr hochpreisig ist – und das werde ich jetzt abbestellen, weil es dann halt doch sehr ins Geld geht.“
Die Inflation habe viele Gründe, betont Wirtschaftsprofessor Christian Rieck.
Christian Rieck, Wirtschaftsprofessor Frankfurt University of Applied Sciences
„Die EZB druckt zu viel Geld und deshalb wird alles teurer, deshalb steigen die Preise. Die andere Ursache ist aber eine reale, so wird das gerne genannt, das bedeutet: Es gibt insgesamt weniger Güter.“
Gegen die erste Ursache – zu viel Geld im Markt – könnte die EZB tätig werden, sollte aber bei den Leitzinsen vorsichtig agieren, so Rieck. Schnelles Handeln bei den Leitzinsen fordert hingegen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Derzeit verlangt die EZB für Geld, das sie den Banken leiht, keine Zinsen. Deshalb können die Banken sehr günstige Kredite anbieten und es fließt sehr viel Geld in den Markt. Das kurbelt die Wirtschaft an, lässt aber auch die Preise steigen. Würde die EZB die Leitzinsen erhöhen, müssten die Banken auch ihre Kreditzinsen heraufsetzen und es würde weniger Geld in den Markt fließen. Dadurch würde die Wirtschaft langsamer wachsen, aber die Preise könnten sich stabilisieren.
In dem Dilemma zwischen schwächelnder Wirtschaft und stabiler Preise hat sich der EZB-Rat heute auf die Seite der Wirtschaft geschlagen: Die Währungshüter erhöhen den Leitzins nicht. Dafür nennt die EZB-Präsidentin vor allem einen Grund:
Christine Lagarde, Präsidentin Europäische Zentralbank
„Russlands Aggression gegen die Ukraine verursacht enormes Leid. Es trifft auch die Wirtschaft, in Europa und darüber hinaus. Der Konflikt und die damit verbundenen Unsicherheiten lasten schwer auf Unternehmen und Verbrauchern. In diesen unsicheren Umständen werden an unserer flexiblen Geldpolitik festhalten.“
Und dennoch gibt es heute einen kleinen Trippelschritt in Richtung straffere Geldpolitik: Die EZB kündigt das Ende ihres Kaufprogramms für Staatsanleihen im dritten Quartal an – auch dadurch hat sie Geld in den Markt gepumpt. Einige Zeit danach sollten dann die Leitzinsen angehoben werden.
Für die Verbraucher ändert sich also vorerst wohl nichts. Sie werden weiter darauf warten müssen, dass die Preise im Supermarkt und Tankstelle sinken. Und in einem der reichsten Länder der Welt werden immer mehr Menschen Tafeln aufsuchen, um zu überleben.