Energiekrise belastet Unternehmen

Jetzt herrscht Gewissheit: Ab Oktober zahlt jeder Verbraucher in Deutschland rund 2,4 Cent Gasumlage pro Kilowattstunde – neben den zu erwartenden weiteren Preissteigerungen durch die Gas- und auch Stromanbieter. Doch die Ungewissheit ist nach wie vor groß: Wie hoch sind die Gasfüllstände im Winter? Was werden Gas und Strom kosten und wie sehr steigen die Preise noch? Darüber spricht Eva Dieterle mit unserem Studiogast Johannes Heger, Präsident des größten Wirtschaftsverbands in Rheinland-Pfalz, der Landesvereinigung Unternehmerverbände. Zunächst aber ein Überblick zum Thema Energieversorgung.

Der Sommer neigt sich langsam dem Ende zu – und sowohl der Gaspreis als auch die Sorgen über die Energiesicherheit in Deutschland steigen. Während Russland die ursprüngliche Gasliefermenge nach Deutschland seit Beginn des Kriegs in der Ukraine drastisch reduziert hat, ringt die Politik um Lösungen, um die Energieversorgung hierzulande sicherzustellen.
Die Gasumlage ab Oktober soll die Versorger vor dem finanziellen Kollaps bewahren. Daneben laufen Diskussionen über eine mögliche Rückkehr zu mehr Kohle, einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und einem schnelleren Ausbau von erneuerbaren Energien.
Doch genau bei letzterem herrscht Flaute, das merkt auch Johannes Heger von der Landesvereinigung Unternehmerverbände. Der Verbandspräsident leitet ein Unternehmen im pfälzischen Enkenbach-Alsenborn, das Gussteile für Windräder herstellt. Obwohl die Rufe nach mehr Windkraft immer lauter werden, schließt Heger ab kommendem Monat eines seiner beiden Gusswerke. Als Gründe nennt Heger neben gestiegenen Kosten für Material und Energie auch den stockenden Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland.
Das Beispiel Heger zeigt, dass sich nicht nur die Verbraucher, sondern auch viele Unternehmen in nächster Zeit wohl warm anziehen müssen. Was erwartet die Wirtschaft im Land? Trotz Gasumlage und anderer Maßnahmen kann niemand Firmenpleiten, Werksschließungen und letztlich Lieferausfälle ausschließen. Es steht ein frostiger Herbst und Winter bevor.

Eva Dieterle, Moderatorin: Darüber wollen wir jetzt noch intensiver sprechen. Deshalb begrüße ich bei mir den Präsidenten der Landesvereinigung Unternehmerverbände in Rheinland-Pfalz, Johannes Heger. Guten Abend.
Johannes Heger, Präsident LVU: Guten Abend.
Dieterle: Herr Heger, Sie sind ja gerade quasi in doppelter Position betroffen. Zum einen sind Sie Verbandspräsident, haben da mit diesen ganzen Problemen rund um die Energiekrise zu kämpfen, aber natürlich auch selbst als Unternehmer. Das ist ein ziemlicher Mammut-Job, oder?
Heger: An Themen mangelt es ganz bestimmt nicht. Und die Besonderheit ist, dass das, was wir erleben, tatsächlich so eine große Relevanz für die Unternehmen in Rheinland-Pfalz hat. Wir sind kein Standort, der sehr von Rohstoffen lebt, sondern von Mitarbeitern, aber eben auch von Energieeinsatz in verschiedenster Form in den Unternehmen. Und deswegen drücken diese Probleme, wenn wir hier Versorgungsengpässe befürchten, wenn die Preisspirale nach oben durch schießt oder eben der Fachkräftemangel, wenn wir eigentlich gar nicht genug Mitarbeiter in den Unternehmen haben.
Dieterle: Nehmen Sie uns mal mit in die Zahlenwelt, damit wir das ein bisschen konkreter haben. Um wie viel ist das denn jetzt teurer geworden? Wie viel teurer ist Energiebeschaffung?
Heger: Also wenn man auf den Strompreis schaut, dann bin ich mir sicher, dass wir hier von einem Faktor 3 bis 4 reden. Die Spotmarkt-Preise schießen ja jeden Tag durch. Trotzdem, wenn man als Unternehmen einen Preismix dann einkauft, mal ein bisschen teurer am Spotmarkt mal ein bisschen weniger. Wir haben es geschafft in den letzten Jahren, Strom für sieben Cent pro Kilowattstunde einzukaufen und heute sind wir bei 35 bis 40 Cent. Und beim Gas steht es uns auch bevor. Ich glaube, hier ist eher noch die Situation, dass die meisten Unternehmen in laufenden Verträgen drin sind, die möglicherweise zum Jahresende dann beendet werden. Und dann kommen die neuen Preise, die neuen Marktpreise. Und was man jetzt so hört, ist auch hier eine Verdreifachung bis Vervierfachung zu erwarten.
Dieterle: Wie können Unternehmen das überhaupt noch abfangen? Also diese gestiegenen Kosten. Wird das dann an die Verbraucher weitergegeben? Das geht ja auch nicht ohne Grenzen.
Heger: Man muss, glaube ich, bei den Unternehmen unterscheiden. Da, wo wir im Unternehmen, so wie in jedem Haushalt auch, Gas einsetzen, um zum Beispiel eben die Räumlichkeiten zu heizen oder eben auch mal Brauchwasser zu heizen, das ist ein Teil des Energieverbrauchs und da müssen wir genauso einsparen können, wie wir das von allen Privathaushalten verlangen. Aber wir im Unternehmen, wir setzen dann ja noch Gas und Strom ein – bleiben wir beim Gas -, wo wir im Prozess damit was bewirken. Zum Beispiel ein Zahnrad, was in ein Getriebe muss, muss erst durch einen Gasbrenner gehärtet werden. Und das kann ich nicht weglassen. Und da ist auch keine Effizienzsteigerung möglich. Oder beim Einsatz von Strom: Wir brauchen es in der Gießerei, um eben Eisen zu schmelzen. Da ist keine Effizienzsteigerung möglich. Das heißt, eine Verteuerung trifft uns voll. Wir können nicht ausweichen. Und wenn wir in meinem Beispiel in der Gießerei als energieintensive Unternehmen, so sind wir ja schon eingestuft, 10% der bisherigen Produktionskosten durch Strom und Gas hatten und sich der Preis aber dann Vertreter vervierfacht, dann wird plötzlich das zur Belastung von 40%. Das heißt, da kommen 30% obendrauf. Nichts, was man mit Produktivität wegstecken kann, sondern nur möglich, wenn wir an die Kunden rangehen und das weitergeben müssen.
Dieterle: Spinnen wir das Ganze mal weiter. Mal angenommen, es würde irgendwann gar kein Gas mehr aus Russland kommen, ist das so ein Worst-Case-Szenario, mit dem die Wirtschaft mit dem die Unternehmen auch jetzt schon rechnen müssen?
Heger: Also wenn kein Gas mehr aus Russland kommt, dann ist natürlich die Hoffnung, dass wir uns woanders irgendwo eindecken können. Ich glaube, alle Unternehmen haben sich damit auseinandergesetzt, was wohl wäre, wenn sie mal tageweise vielleicht von der Versorgung abgeschnitten wären, machen sich dazu Gedanken. Das Horrorszenario aber, ein solche Mangelware könnte sich mal Monate hinziehen, das ist wirklich unvorstellbar. Immer noch. Trotzdem müssen wir uns damit auseinandersetzen und bestimmte Lösungen dafür finden. Das Ausweichen wäre zum Beispiel wichtig, dass man da, wo man Gas benutzt hat, möglicherweise jetzt in einem Fuel Switch auf einen anderen Energieträger übergeht, zum Beispiel einen Gasbrenner ersetzen durch einen Ölbrenner und somit eigentlich dann der Gasmangellage ausweichen möchte.
Dieterle: Das hätte aber fatale Folgen für die Wirtschaft. Kommen wir vom Gas zum Strom und da sieht es ja auch eigentlich keinen Deut besser aus. Immer noch laufen die Diskussionen, ob jetzt die Atomkraftwerke weiterlaufen gelassen werden sollen oder nicht, die drei verbliebenen, die wir noch haben. Und eine Entscheidung gibt es nicht. Die ist aber doch längst überfällig, oder?
Heger: Sie ist es. Wir verstehen ja jetzt auch, wie Gas und Strom zusammenhängen. Wir brauchen immer noch Gas, um Strom herzustellen, und wir haben uns eine Energiewende vorgestellt. Das ist ein komplexes System und wir merken, wie anfällig es für Störungen ist. Wir brauchen deswegen, um hier eine Planbarkeit reinzubekommen, unbedingt eine Verlängerung von den Atomkraftwerken. Wie lange, das muss rausgefunden werden. So lange, bis wir dann bei anderen Technologien weiter vorangeschritten sind. Denn wenn wir immer von erneuerbaren Energien reden, dann geht es eben darum, wie schnell können die Projekte realisiert werden. Und wir hören jetzt von der Bundespolitik, auch von der Landespolitik, dass es fest entschlossen ist, das zu tun. Aber das tatsächlich es passiert, das ist noch nicht zu erkennen.
Dieterle: Herr Heger, vielen Dank, dass Sie heute zu diesen Themen bei mir im Studio waren.
Heger: Gerne, danke schön.