Einschätzungen von Politikwissenschaftler Prof. Uwe Jun

Wir wollen dieses politische Beben einordnen. Darüber spricht Eva Dieterle mit dem Politikwissenschaftler der Universität Trier.

Eva Dieterle, Moderatorin:
Guten Tag.
Prof. Uwe Jun, Politikwissenschaftler Universität Trier:
Einen schönen guten Abend.
Dieterle:
Herr Jun, Sie sind jemand, der das politische Geschehen seit vielen vielen Jahren intensiv verfolgt. Wie bewerten Sie das, was da gestern und heute in Berlin passiert?
Jun:
Sehr ungewöhnlich. So was haben wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher in der Form nur einmal erlebt, nämlich im Jahr 1982, als die FDP damals auch von Bundeskanzler Helmut Schmidt aus der sozialliberalen Koalition herauskatapultiert wurde. Erneut hat ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, diesmal Olaf Scholz, die Liberalen aus der Regierung herauskatapultiert, aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, unterschiedlichen politischen Sichtweisen, und auch wieder war das Thema Wirtschafts- und Finanzpolitik zentral. Das war es übrigens auch schon 1982.
Dieterle:
Der FDP-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz ist heute aus der FDP ausgetreten. War das auch für Sie eine Überraschung, was sagen Sie dazu?
Jun:
Ein sehr ungewöhnlicher Schritt von Volker Wissing, den er da vollzieht. Zumal ja die SPD, also der Bundeskanzler, die FDP herauskatapultiert hat aus der Koalition, nicht die FDP von sich aus gegangen ist. Davor hatte Volker Wissing ja in einem Zeitungsartikel gewarnt. Das wolle er nicht. Er wolle, dass die FDP in der Regierung bleibt. Am Ende es aber der Bundeskanzler, der die FDP herausbefördert hat. Insofern ein ungewöhnlicher Schritt, den Volker Wissing hier vollzieht.
Dieterle:
Welche Auswirkungen könnte das Ampel-Aus für die Koalitionen in Rheinland-Pfalz und Hessen haben? Die daran beteiligten Parteien müssen ja jetzt auch in den Wahlkampf-Modus wechseln?
Jun:
Na ja, die Ampelkoalition in Rheinland Pfalz funktioniert ja deutlich besser als die auf Bundesebene. Das hat mehrere Gründe. Zum einen, dass die Akteure hier deutlich mehr Vertrauen zueinander haben, aber auch, dass sie eben weniger die für die Parteien zentralen wichtigen politischen Themen in Mainz entscheiden müssen. Das ist dann in Berlin der Fall, wo eben dort die Markenkern der Parteien viel stärker betroffen sind. Aber auf der anderen Seite, klar, müssen jetzt auch die Landesparteien sich darauf einstellen, dass die Bundestagswahl nicht mehr allzu fern ist. Und auch die Landesparteien müssen jetzt schauen, dass sie eben hier in den Wahlkampfmodus stärker wieder umschalten. Und ich befürchte aber nicht, dass eine Landesregierung davon so stark betroffen sein wird, dass am Ende ein Bruch auch hier einer der beiden Koalitionen, dann am Ende dabei herauskommen wird.
Dieterle:
Selten hatten wir spannendere politische Zeiten, Herr Jun, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Jun:
Ich danke Ihnen.