Einsatz in Tansania – im Interview: Dr. André Borsche

Anderen Menschen helfen – das ist Beruf und Berufung für Dr. André Borsche. Er ist der Chefarzt der Plastischen Chirurgie am Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach und außerdem der Vorsitzende von Interplast Germany – einem gemeinnützigen Verein, der kostenlos schwerverletzte Patienten in Entwicklungsländern operiert. Gerade war Dr. Borsche wieder im Ausland unterwegs, diesmal in Tansania. Gleich spreche ich mit ihm hier im Studio über seinen Einsatz – vorher zeigen wir Ihnen ein paar Eindrücke aus Afrika.

Najema ist 11 Jahre alt. Vor einem Jahr war ihr Hemd am offenen Feuer in Brand geraten – ihre rechte Achselhöhle war danach komplett verkohlt. Vor Ort wurde sie nicht umfänglich behandelt. Die Folge: Eine riesige Narbe, die ihren Arm an den Brustkorb fesselte. Dr. André Borsche und seine Kollegen konnten die Vernarbung lösen. Zur Heilung musste Najema noch länger einen Gips tragen. Doch trotz Gips – wie glücklich sie ist, das sieht man ihr deutlich an.
Insgesamt konnten die Ärzte in ihren zwei Wochen in Tansania 72 Menschen operieren – viele von ihnen mehrfach. Darunter Kinder wie Najema mit schweren Verbrennungen, aber auch Kinder und Erwachsene mit Gaumenspalten, Handfehlbildungen und Tumoren am ganzen Körper.
67 Mal ist Dr. Borsche schon für Interplast Germany auf Reisen gegangen. Seine Urlaube nutzt der Chirurg aus Bad Kreuznach, um in Ländern wie Indien, dem Libanon und in Bolivien kleine und große Patienten zu operieren.
Im Diakonie Krankenhaus Bad Kreuznach ist Dr. Borsche Chefarzt der Chirurgie. Auch hier empfängt er immer wieder Patienten aus aller Welt. Wie Aßchab aus Tschetschenien. Kurz nach seiner Geburt bildet sich ein fußballgroßer Tumor in seinem Gesicht. Viermal wird Aßchab von Dr. Borsche operiert.
Aßchab
„Doktor Borsche ist nicht einfach mein Arzt, er ist in erster Linie mein Freund, mein bester Freund.“
Ayna, Aßchabs Mutter
„Ich werde Doktor Borsche dafür bis ans Ende meiner Tage dankbar sein.“
Ganz viel Dankbarkeit von Kindern und ihren Eltern konnte Dr. Borsche auch jetzt wieder bei seinem Einsatz in Tansania spüren.
Auf diesen Bildern trägt Najema noch ihren Gips. Den durfte sie aber mittlerweile ablegen, ihren Arm kann sie wieder frei bewegen.
Die kleine Najema – nur eines von vielen Kindern, deren Leben Dr. André Borsche für immer verändert hat.

 

Eva Dieterle, Moderatorin: Das berührt einfach immer wieder so sehr. Und jetzt begrüße ich ihn hier bei mir im Studio. Dr. André Borsche, schön, dass Sie Zeit gefunden haben. Guten Abend!
Dr. André Borsche, Plastischer Chirurg Diakonie Krankenhaus: Guten Abend.
Dieterle: Sie sind jetzt frisch aus Tansania zurück. Welche Eindrücke haben Sie im Gepäck?
Dr. André Borsche, Vorsitzender Interplast Germany e.V.: Man ist erst einmal überwältigt von der Herzlichkeit dieser Menschen, die dankbar waren, dass man gekommen ist, die gar nicht mehr damit gerechnet haben, dass überhaupt Hilfe aus Deutschland ihr Krankenhaus erreichen wird. Und trotz der ganz wirklich schweren Arbeit, die wir in zwei Wochen dort geleistet haben, ist man innerlich aufgeladen und sehr, sehr glücklich.
Dieterle: Wie kann ich mir das vor Ort vorstellen? Da sind Familien, die mit ganz viel Hoffnung von weit hergereist kommen. Wie entscheidet man dann, wem geholfen werden kann und wem nicht? Und wie schwer fällt das auch dann Nein zu sagen?
Borsche: Das ist ganz schwierig. Es ist natürlich viel, viel mehr, die eigentlich operiert werden wollen. Und auch bei einigen muss man sagen, es wäre schön, wenn man sie auch noch operieren könnte. Aber eigentlich müssen wir eine Auswahl treffen und wir schauen natürlich, dass es diejenigen sind, meistens die Kinder, die noch das ganze Leben vor sich haben oder wo wir wissen eigentlich, dass wir durch die Operation am meisten auch bewirken können. Bei Najema war es ja so, dass der Arm überhaupt nicht mehr funktionierte. Und wenn eine zwei-, dreistündige Operation hier eine freie Beweglichkeit dann schenkt, dann ist das ein Geschenk auch für einen selber.
Dieterle: Einer Ihrer Patienten war auch der 9-jährige Bakara. Wir sehen hier gerade Bilder. Wie konnten Sie dem Jungen helfen?
Borsche: Ja, da haben wir lange vorher diskutiert, ob wir es überhaupt machen, weil das Risiko der Operation war nicht unerheblich, da eine riesen Omphalozele, das ist ein seit Geburt bestehender Nabel Bruch, der immer größer wurde. Und wenn er irgendeine kleine Verletzung gehabt hätte, wäre er vielleicht verblutet, weil nur ein ganz dünnes Häutchen vor dieser fußballgroßen Vorwölbung war. Und glücklicherweise hatten wir aber auch wirklich sehr fähige Chirurgen vor Ort, die mit mir zusammen in vierstündiger Operation wirklich in feinster Arbeit diese feine Haut über diesem großen Bruch gelöst haben und wirklich so verschließen konnten, dass es um ein Vielfaches kleiner geworden ist.
Dieterle: Das ist eine Geschichte, die Mut macht. Jetzt leben wir mitten in der Corona-Pandemie. Die macht natürlich auch vor anderen Kontinenten nicht halt. Wie war das dort unter Corona auch zu arbeiten?
Borsche: Ja, wir waren natürlich auf alles eingestellt. Wir haben jeden Patienten getestet, aber glücklicherweise war nicht ein einziger wirklich Corona positiv. Und die berichteten auch, dass sie im Sommer einige Fälle gehabt hätten, auch ein Jahr auf der Intensivstation, die verstorben seien. Aber an sich ist das im Moment dort in dem Süden Tansanias gar kein Thema gewesen. Die haben viel mehr mit ihrer Malaria zu tun, mit allen anderen Dingen. Und man muss sagen, dass Sterben schon auch mehr an der Tagesordnung ist. Man stirbt wegen fast banalen Dingen dort und man nimmt es auch irgendwo hin. Und das ist für uns, die wir eigentlich die Individualität ja lieben und jeden einzelnen eigentlich alles geben wollen, fast etwas ungewöhnlich.
Dieterle: Umso wichtiger ist natürlich auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten vor Ort und auch, dass sie ihr Know-How weitergeben. Wie läuft das ab?
Borsche: Ja, das war diesmal ein richtiger Glücksfall, weil wirklich der deutsche Chirurg, der dort schon seit einiger Zeit wirkt, wirklich zum Ziel hat, nicht alles selber zu machen, sondern die eigenen Afrikaner zu ihren Patienten zu führen. Und denen haben wir wirklich viele Tricks, Tipps und technische Sachen vermitteln können. Und zum Schluss habe ich wirklich Teile der Operation dem afrikanischen Kollegen assistieren können und war total begeistert, auch wie geschickt er das gemacht hat. Insofern läuft das jetzt auch weiter. Wir haben ja auch ein bisschen Geld dagelassen, dass sie den Patienten auch weiterhelfen. Gerade den, die wir ja schon geholfen haben und natürlich auch denen, die noch in Zukunft dort kommen werden.
Dieterle: Jetzt sind Sie ja Chefarzt am Diakonie-Krankenhaus in Bad Kreuznach. Dann sind Sie Vorsitzender von Interpalast Germany, dann diese Auslandsreisen, wo Sie ja auch so viel helfen – wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?
Borsche: Ja, das klappt eigentlich nur, weil ich ganz liebe Leute habe, die mir helfen. Und die wichtigste Frau ist da wirklich meine Frau, die auch bei Interplast kräftig mitwirkt, das heißt ziemlich oft auf Reisen auch mich begleitet und mir da den Rücken stärkt. Unsere Sekretärin Camilla Völpel aus Roxheim, die ist auch so ein lebendes Beweis, dass mit Herz und Seele sie alles dafür tut. Und da spielt es gar keine Rolle, ob es Mitternacht ist oder wie auch immer, wenn wir was Gutes tun, ist sie voll mit dabei.
Dieterle: Klar, Ihre große Hilfsbereitschaft. Sie sind jetzt gerade zurück aus Tansania. Was sind denn die nächsten Projekte? Gibt es schon wieder Reisepläne?
Borsche: Ja, wir würden natürlich sehr gern nach Indien wieder oder nach Bolivien. Dort haben wir schon viele Einladungen und Karten gekriegt. Aber ich glaube, im Moment trauen wir uns noch nicht. Aber es wartet noch ein ganz schwerverletztes Kind, was von einer Hyäne im Gesicht ganz fürchterlich entstellt worden ist. Und das wird nach Bad Kreuznach kommen. Und da werden wir einiges an Aufgaben haben.
Dieterle: Das heißt, es wird nicht ruhiger. Herr Doktor Borsche, ich wünsche Ihnen jetzt erst mal ein paar ruhige Tage vielleicht trotzdem zum Jahreswechsel, und bedanke mich ganz herzlich, dass sie wieder bei uns im Studio war.
Borsche: Ja, ganz herzlichen Dank, merci.