Ein Jahr vor der Wahl: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein zu Gast im Studio

Heute legen wir unseren Schwerpunkt in der Sendung auf die hessische Landespolitik. Denn im Herbst 2023 werden die Hessen einen neuen Landtag wählen.

Hessen ein Jahr vor der Landtagswahl. Heute zu Gast im Studio der hessische Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU.
Eva Dieterle, Moderatorin: Wo früher im Rahmen von Landtagswahlen über typische Landesthemen wie Bildung, Verkehr, Landwirtschaft und Soziales gesprochen wurde, gleicht die Politik aktuell eher einem einzigen Krisenmanagement. Und deshalb starten auch wir heute mit einem Blick auf eben diese Krisen.
Nachdem sich der Bund und die Länder vergangene Woche auf die konkrete Ausgestaltung des milliardenschweren Doppelwumms geeinigt hatten, soll zumindest keiner frieren müssen und die Wirtschaft mit der Energie so irgendwie über die Runden kommen.
Der russische Angriffskrieg – er tobt zwar im Osten Europas, in der Ukraine, aber seine Auswirkungen sind auch bei uns deutlich spürbar. Das, was die Politik in Hessen noch vor wenigen Jahren bestimmt hat – wer kann sich daran noch erinnern? Es muss im Vergleich zu heute recht unwichtig gewesen sein.
Heute setzen Corona, galoppierende Inflation, Energieknappheit und der Migrationsdruck, der schon wieder das Niveau von 2015 erreicht hat, Staat und Gesellschaft mächtig unter Druck. Und das Großthema Klimawandel ist weiterhin präsent – der Protest gegen die aktuelle Klimapolitik wächst und radikalisiert sich zunehmend.
Politiker sind rund um die Uhr damit befasst, die diversen Krisen zu managen. Unser heutiger Studiogast, der fast noch taufrische hessische Ministerpräsident Boris Rhein wird uns heute Rede und Antwort stehen und erklären, ob und wenn ja wie wir in dieser Lage bestehen können.
Dieterle: Und jetzt begrüße ich ihn hier bei mir im Studio, den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein. Herzlich willkommen!
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen: Danke, Frau Dieterle. Guten Tag.
Dieterle: Herr Rhein. Sie haben ja Ihr Amt in Krisenzeiten übernommen und das überlagert alles. Fehlt Ihnen manchmal die Zeit, diese klassische Landespolitik zu machen?
Rhein: Nein, wir müssen das zusätzlich leisten im Augenblick, weil eine Krise in der Tat die andere jagt. Das sind globale Krisen, die wir haben und das fordert uns natürlich enorm. Aber die Aufgaben, die für das Land zu lösen sind, sind weiter zu lösen. Und das spiegelt sich beispielsweise jetzt in unserem Doppelhaushalt wieder, der jetzt im Landtag ist, und da kann man die Themen auch ablesen, die den Hessen auf den Nägeln brennen.
Dieterle: Wir leben ja in einer Zeit knapper Energien. Können wir es uns angesichts dessen denn wirklich leisten, unsere Atomkraftwerke nicht bis zum Ende dieser Krise weiterlaufen zu lassen? Im April ist die ja wahrscheinlich noch nicht vorbei.
Rhein: Das wird sich zeigen. Wir haben als Union sehr früh gesagt, wir brauchen eine Technologieoffenheit, 360 Grad, und dazu gehört natürlich die Kernkraft dazu. Man darf nicht vergessen: Die drei Atomkraftwerke, die wir haben, versorgen 10 Millionen Haushalte und deswegen den Luxus, die einfach abzuschalten, den haben wir nie gehabt. Und das hat die Bundesregierung sehr früh unterschätzt und deswegen auch sehr viel Zeit verloren im Übrigen.
Dieterle: Ja, weil jetzt ist es ja so, dass es eben bis April erst mal vorläufig weitergeht.
Rhein: Na ja, Frau Dieterle, man muss sich das vorstellen. Also wir haben diskutiert und diskutiert. Erst hieß es, das sei gar nicht möglich, dann hieß es, es gebe keine Brennstäbe. Dann gab es einen Stresstest, dann gab es ein Ergebnis des Stresstests. Aber der Bundeswirtschaftsminister hat dann eben von den drei Atomkraftwerk zwei nur in Reserve gestellt, also nicht mal in Betrieb gestellt, sondern in Reserve.
Dann musste der Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz bemerkbar machen. Also wir haben einfach viel zu viel Zeit auf dem Weg verloren. Jetzt haben wir glücklicherweise ein Entlastungspaket, das hätten wir viel früher haben können, wenn man das gemacht hätte, was die Union gleich gefordert hat, nämlich nicht über die unselige Gaspreisumlage zu diskutieren, sondern gleich eine Gas- und Strompreisbremse zu installieren.
Dieterle: Die Atomkraft ist das eine, ein anderes Thema ist natürlich das Gas. Wir haben hier Gasvorräte in Deutschland, wir nutzen sie aber nicht, importieren stattdessen Gas aus dem Ausland. Das kann doch nicht die Lösung sein.
Rhein: Nein, das ist auch nicht die Lösung. Also ich finde das auch moralisch problematisch, hier eine solche Diskussion aufzumachen über das Thema Fracking, was natürlich ganz besonders in Niedersachsen ein großes Thema ist, und dann Gas auf diese Art und Weise ja in Wirklichkeit ja auch nicht klimafreundlich dann zu importieren, das kann nicht die Lösung sein.
Wir haben die Situation in Hessen jedenfalls, dass unsere Speicher gefüllt sind. Da bestehen keine Probleme derzeit. Und das gibt uns im Grunde einen optimistischen Ausblick auf den Winter.
Dieterle: Heißt das, Sie wären theoretisch offen dafür, dass über Fracking noch mal diskutiert wird? Das ist ja aktuell in Deutschland verboten, aber man könnte das ja ändern.
Rhein: Nun ist es ja kein hessisches Thema. Es ist aber natürlich ein bundesweites Thema. Und ich sage das noch mal: Technologieoffenheit, 360 Grad. Wir können uns im Augenblick nicht leisten, auf Energiequellen und auf Möglichkeiten und auf Optionen zu verzichten. Wir müssen derzeit alle Optionen von den erneuerbaren Energien bis eben zur Kernkraft nutzen.
Dieterle: Wir haben noch mehr vor. Wir wechseln das Thema, kommen jetzt zum Bereich Einwanderung. Da ist es ja so, dass die Kapazitätsgrenzen vielerorts schon erreicht sind, dass auch Unterbringungsmöglichkeiten nahezu erschöpft sind. Wie ist die Situation ganz konkret in Hessen?
Rhein: Man muss schon sagen, da kommt nicht nur eine große Welle auf uns zu, sondern die große Welle ist schon da. Ich bin der kommunalen Familie sehr dankbar für die Aufgabe, die sie da schultert. Das ist enorm, was Kommunen derzeit leisten. Und das ist auch der Grund gewesen, warum wir auf Bundesebene so energisch dafür gestritten haben, dass der Bund mit viel Geld uns unterstützt, damit wir dieses Geld an die Kommunen weiterleiten können, die die Hauptlast der Aufnahme tragen.
Aber damit ist es nicht getan. Der Bund ist vor allem für die Sicherung der Außengrenzen zuständig, und da muss viel mehr geschehen. Die Bundesinnenministerin hat mal eine Rückführungsoffensive angekündigt. Davon ist nichts übrig geblieben. Deswegen: Auch da müssen alle Optionen gezogen werden, um die Lage zu bewältigen. Derzeit haben wir das im Griff, aber es ist eine große Anstrengung.
Dieterle: Daran anknüpfend möchte ich auf ein hessisches Beispiel schauen. Wir schauen jetzt nach Niedernhausen im Rheingau-Taunus-Kreis. Dort musste jetzt in einer Halle eine weitere Notunterkunft eröffnet werden und wir hören mal, was der Bürgermeister dazu sagt.
Joachim Reimann, CDU, Bürgermeister Niedernhausen am 07.11.2022
“Ich erwarte schon, dass von Bundesseite aus dafür gesorgt wird, dass die Zahlen in einem kontrollierbaren und auch stemmbaren Rahmen bleiben werden. Mir ist völlig klar, dass man das nur bis zu einem gewissen Grad auch steuern kann.”
Dieterle: Ja, hat er damit nicht recht? Denn die finanziellen Mittel und auch der Platz, die sind ja nicht grenzenlos.
Rhein: Nein, der Bürgermeister hat vollkommen recht. Wir brauchen auf der einen Seite sehr viel Geld vom Bund. Der Bund hat jetzt in den Verhandlungen 1,25 Milliarden € verstetigt, zugesagt. Das werte ich als Erfolg. Das ist aber noch nicht genug, und wir wissen auch nicht, wie die Lage sich entwickelt. Und deswegen haben wir mit dem Bund auch vereinbart, dass wir über Ostern 2023 uns die Lage sehr genau anschauen und dann möglicherweise über weiteres Geld verhandeln müssen.
Aber wir müssen nicht nur mit Geld unterstützen, sondern wir müssen auch in der Sache unterstützen. Das bedeutet, dass wir vor Ort Hilfeleistungen und Hilfestellungen möglich machen müssen. Dafür haben wir Hessen eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die besteht aus den Staatssekretären im Sozial-, im Innen- und auch im Finanzministerium, die in den nächsten Tagen dort auch wirklich ganz greifbare Möglichkeiten unterbreiten werden.
Und ich werde noch in der nächsten Woche mit den kommunalen Spitzenverbänden das Gespräch darüber führen, wie wir sie unterstützen können. Und zwar wirklich tatsächlich und auch so, dass man es spürt.
Dieterle: Der Bürgermeister hat ja gesagt, das muss in einem stemmbaren Rahmen bleiben. Sie haben ihm Recht gegeben. Das heißt, Sie sprechen sich da für eine Begrenzung in diesem Zusammenhang aus?
Rhein: Na ja, ich will den alten Bundespräsidenten Gauck zitieren: “Unser Herz ist groß, aber unsere Möglichkeiten sind natürlich begrenzt”. Wir können das schon stemmen. Ein Land wie Deutschland kann Zuwanderung in Notsituation stemmen. Das sieht ja auch unser Grundgesetz so vor. Und ich glaube, Menschen, die in Not geraten – nehmen Sie nur die Ukrainer -, die sind hier bei uns herzlich willkommen. Wir wollen sie unterstützen, wir wollen sie auch aufnehmen und wir wollen ihnen helfen. Aber wir müssen natürlich auch schauen, dass es bewältigbar bleibt. Und deswegen ist der Bund gefordert, die Außengrenzen besser zu sichern, als er das derzeit tut.
Dieterle: Wir schauen auf eine weitere Konsequenz dessen, und das sind die Tafeln. Die sind nämlich zunehmend überfordert. Der Andrang hat sich verdoppelt, gleichzeitig gehen Spenden zurück, und vielerorts musste sogar ein Aufnahmestopp verhängt werden. Zeigt das nicht genau, dass wir da auch an die Grenzen des Machbaren kommen in Deutschland?
Rhein: Ja, das ist auch ein Grund, warum wir sehr frühzeitig in Hessen einen Sozialgipfel einberufen haben und mit den Sozialverbänden darüber diskutiert haben, was können wir tun? Wir haben aufgrund dessen ein “Hessen steht zusammen”-Programm aufgelegt, 200 Millionen €, die wir in die Hand nehmen, 3 Milliarden € Bürgschaftsrahmen, und eine erste Maßnahme aus diesem Programm wird sein, dass wir die Tafeln mit 2,2 Millionen € zusätzlich unterstützen, weil sie wirklich an ihre Kapazitäten gekommen sind und unsere Unterstützung brauchen, weil sie eine großartige Arbeit leisten.
Dieterle: Aber ich möchte das mal einordnen Der Sozialstaat hat versagt, denn nur deswegen gibt es ja diese Tafeln, diese privaten Initiativen, wo Ehrenamtliche quasi als Reparaturbetrieb des Ganzen funktionieren und die subventioniert jetzt der Staat. Das kann doch nicht die Lösung des Problems sein.
Rhein: Nein, der Sozialstaat hat nicht versagt, sondern der Sozialstaat hat natürlich enorme Lasten derzeit zu tragen. Und wir helfen auch jedem, dem wir helfen können. Und Deutschland ist kein Land, in dem die Menschen Not leiden müssen, sondern es Unterstützung gibt.
Dieterle: Aber ohne diese Initiativen würde es nicht gehen.
Rhein: Und deswegen unterstützt der Staat sie ja auch wirklich nach Kräften. Wie gesagt, beispielsweise mit 2,2 Millionen € jetzt zusätzlich in diesem Jahr und das Jahr ist bald zu Ende. Und die Unterstützungszusage gilt natürlich auch für die Zukunft.
Dieterle: Kommen wir zu einem Thema, das auch mit dem Sozialstaat zusammenhängt. Heute morgen hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelfraktionen das neue Bürgergeld beschlossen.
Das Bürgergeld – ein Herzensprojekt der SPD. Mit der Reform will die Bundesregierung ab Januar das Hartz-IV-System ablösen. Der Plan: Die Regelsätze sollen steigen und die Arbeitslosen von den Jobcentern weniger unter Druck gesetzt werden. Kritik kommt von der Union: Das Bürgergeld setze falsche Anreize und bedeute das Ende des Prinzips „Fördern und Fordern.“ CDU-Chef Friedrich Merz sieht im Bürgergeld einen Schritt in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens – er hat bereits angekündigt, dass die Union die Reform im Bundesrat stoppen werde.
Dieterle: Ja, und wir wollen jetzt wissen: Wie wird sich Hessen im Bundesrat positionieren? Folgen Sie den Vorgaben Ihres Parteivorsitzenden?
Rhein: Der Parteivorsitzende ist Parteivorsitzender und die Länder sind Länder. Aber trotzdem: Wir werden als Land Hessen dem nicht zustimmen können. Wir werden uns natürlich aufgrund der Koalition, die wir mit den Grünen haben, nach unseren Vereinbarungen enthalten im Bundesrat.
Dieterle: Was in diesem Fall ein klares Nein bedeutet.
Rhein: Das führt in diesem Fall dazu, dass der Vermittlungsausschuss höchstwahrscheinlich angerufen werden wird und ich halte das für dringend notwendig, Verbesserungen und Optimierungen des Bürgergeldes herbeizuführen. So wie es ist, kann es nicht bleiben.
Dieterle: Ist denn dieser Ansatz des Reformvorhabens, dass man eben weniger auf Zwang und mehr auf Vertrauen und auch auf Weiterbildung setzt, falsch?
Rhein: Es kommt darauf an. Also, es gibt Dinge, bei denen wir ja mitgehen als Union. Wir wollen die Sätze erhöhen, das ist doch selbstverständlich. Und deswegen würde ich dem Bund jetzt auch empfehlen:Trennt die Sätze jetzt erst mal ab, da gehen wir mit. Aber es gibt viele Punkte, die wir nicht so sehen. Beispielsweise werden falsche Anreize dadurch gesetzt, dass diejenigen, die sich nicht kooperativ zeigen in den Jobcentern, beispielsweise bei der Annahme zumutbarer Arbeit. Das kann nicht sein, dass es dann keine Sanktionen mehr gibt. Das Prinzip “Fördern und Fordern” wird dadurch vollkommen außer Kraft gesetzt. Und das ist doch nicht gerecht. Ein zweiter Punkt, der nicht zu vernachlässigen ist, ist das sogenannte Schonvermögen. Wenn einer zwei oder drei Jahre gearbeitet hat und ein hohes Vermögen hat, ist das ja etwas anderes, als wenn jemand 40 Jahre gearbeitet hat.
Da muss man doch Unterschiede machen, denn auch das ist nicht gerecht. Und da wollen wir Verbesserungen herbeiführen, weil wir wollen nicht, dass es einen Weg in das bedingungslose Grundeinkommen gibt. Denn auch das entspricht nicht unseren Regeln. Und auch das setzt die falschen Anreize und führt dazu, dass Arbeit sich nicht mehr lohnt.
Dieterle: Kann dieses ganze Thema nicht aber auch zur Gefahr für die CDU werden, weil die Ampel dann einfach sagen wird: 2Die CDU ist schuld, dass die Menschen nicht mehr Geld bekommen”?
Rhein: Nein, ich glaube, dass die Menschen, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, die dafür sorgen, dass dieses Land läuft, durchaus wollen, dass die Regeln, über die wir gerade gesprochen haben, auch bestehen bleiben. Und ich will gerne ein Beispiel nennen. Das kann doch nicht richtig sein, dass jemand, der im Mindestlohn arbeitet, am Ende möglicherweise das Gleiche oder sogar weniger hat als jemand, der eben dann durch das Bürgergeld gefördert wird.
Das führt doch nicht dazu, dass derjenige dann sagt: “Dann gehe ich weiter im Mindestlohn arbeiten”, sondern das führt genau zum Gegenteil. Das kann in Deutschland niemand wollen. Deswegen ist es notwendig, dass die Union und dass die Bundesländer diesen Weg jetzt gehen.
Dieterle: Herr Rhein, all diese Krisen, die uns gerade umtreiben, die werden auch einen Einfluss auf die Landtagswahl in Hessen im kommenden Jahr haben. Und darum geht es jetzt bei uns, um die aktuelle Lage der CDU mit Blick auf den Herbst 2023.
Bisher deutet wenig darauf hin, dass die Hessen unbedingt einen Wechsel in der Landespolitik wollen. In der aktuellen Umfrage liegt die CDU mit 27 Prozent vorne, gefolgt von Grünen und SPD mit jeweils 22 Prozent.
Doch die Zeiten sind schwer einschätzbar. Verwerfungen in der Wirtschaft und damit einhergehende Zukunftsängste können Umfragen von heute rasch veralten lassen.
Und selbst wenn die CDU es am Wahlabend schaffen würde, stärkste Partei zu werden … was wäre denn, wenn es trotzdem für Grün-Rot reichen würde? Denn, dass Tarek Al-Wazir es sich nicht zutrauen würde, selbst den Ministerpräsidenten zu geben – das denkt in Hessen nun kaum jemand.
Rhein: Ist das nicht eine konkrete Gefahr für die größte Partei im Land, dass sich eventuell Nummer zwei und Nummer drei zusammentun, vielleicht mit der FDP, und sie dann neben der AfD auf der Oppositionsbank landen?
Rhein: Also, ich glaube jeder,der die Geschehnisse im Bund verfolgt – insbesondere die FDP, weiß das -, der weiß, dass das nun wirklich kein erstrebenswertes Bündnis ist. Das Ampel-Bündnis bringt Deutschland nicht voran. Die Ampel ist so heterogen, dass es alles zu lange dauert, das gezögert wird, dass gezaudert wird. Die Dinge werden nicht angepackt. Das können wir für Hessen nicht wollen.
Und deswegen: Ich bin über diese Momentaufnahmen der Meinungsumfragen ganz zufrieden, aber wir werden das ausbauen müssen und den Menschen in Hessen deutlich machen müssen, was sie davon haben, dass eine Union die Landesregierung anführt.
Dieterle: Im Nachbarland Rheinland Pfalz scheint das mit der Ampel aber ganz gut zu funktionieren.
Rhein: Na ja, auch da – wenn Sie sich anschauen, was beispielsweise wir in Hessen hier zustande bringen und was in Rheinland Pfalz geschieht -, ich glaube, da können die Hessen schon ganz zufrieden sein, dass sie eine Regierung haben und zwar seit 1999 unter der Führung von christdemokratischen Ministerpräsidenten.
Dieterle: Man hat ja den Eindruck, die Koalition in Hessen läuft menschlich wie auch vom Regieren her ja ähnlich geräuschlos, wie das unter Volker Bouffier der Fall war. Aber im Wahlkampf, da muss ja mehr kommen als einfach, dass Sie mit Grün weitermachen wollen. Wie wollen Sie sich profilieren – auch gegen den Koalitionspartner?
Rhein: Das Verhältnis zu den Grünen ist wirklich ganz ausgezeichnet. Es ist ein Vertrauensverhältnis, das ist ein Verhältnis, was sehr konstruktiv ist und es funktioniert auch im Persönlichen zwischen Tarek Al-Wazir und mir sehr gut. Da gibt es überhaupt gar nichts. Und auch die Fraktionsvorsitzenden arbeiten wirklich außergewöhnlich positiv und gut zusammen. Das ist schon mal etwas Gutes für ein Land, weil Politiker sollen sich nicht streiten, sondern sollen die Dinge voranbringen.
Aber ich glaube, auch da ist sehr deutlich, dass es natürlich Unterschiede gibt zwischen Union und Grünen. Beispielsweise wollen wir natürlich auch Klimaschutz. Das ist ein ureigenes CDU-Thema. Die Bewahrung der Schöpfung ist ein ureigenes CDU-Thema. Aber wir wollen eben nicht bevormunden. Wir wollen nicht verordnen, sondern wir wollen vereinbaren. Wir wollen Ökologie und Ökonomie und zwar sozialverträglich zusammenbringen. Sehen Sie sich unseren Haushalt an: 1,8 Milliarden € sind eben im Haushalt vorgehalten für entsprechende Klimaschutzmaßnahmen. Das zeigt, mit der Union funktioniert Klimaschutz und innere Sicherheit und vieles andere eben auch. Und ich glaube, das werden wir in den nächsten Monaten sehr deutlich machen müssen.
Dieterle: Das waren die Themen der CDU. Ich möchte noch mal auf die CDU selbst schauen und da auf eine Aussage des CDU-Bundesvize Carsten Linnemann. Er hat kürzlich gesagt, die CDU sei inhaltlich zu stark entkernt. Geben Sie ihm da recht?
Rhein: Nein, das kann ich nicht feststellen. Die CDU ist inhaltlich nicht entkernt, die CDU ist die starke Kraft der Mitte, die CDU ist die bürgerliche Kraft. Wir sind die einzige verbliebene Volkspartei in Deutschland. Ich kann keine inhaltliche Entkernung sehen. Ganz im Gegenteil. Wir sind in Koalitionen, da müssen wir Kompromisse machen, das ist doch selbstverständlich. Wenn wir alleine wären, würden wir vielleicht das eine oder andere prononcierter auch umsetzen, aber am Ende sehe ich eine verhältnismäßig große Zufriedenheit mit der Politik der Union. Denn wenn Sie die Frage stellen, unter welcher Führung soll beispielsweise das Land oder unter der Führung welcher Partei soll das Land Hessen vorankommen, dann sagen das zu 36 %, die Leute: soll die CDU machen.
Dieterle: Gibt es Ihnen nicht zu denken, dass die AfD, die ja so hart isoliert wird von den anderen Parteien, trotzdem zum Beispiel jetzt in Umfragen wieder auf rund 12 % kommt? Da muss doch die CDU Themen liegengelassen haben, sonst würde das ja gar nicht passieren.
Rhein: Da sind natürlich viele Menschen dabei, die gar nicht AfD-Anhänger sind, die ich ja auch niemals als Radikale bezeichnen würde. Es sind Leute dabei, die haben Sorgen und diese Sorgen haben wir gerade jetzt aufgenommen in den Verhandlungen mit dem Bund durch die Entlastungspakete, durch die Gaspreisbremse, durch die Strompreisbremse. Die Bürgerinnen und Bürger werden spüren, dass wir durch diesen Winter kommen, dass wir Sicherheit in unsicheren Zeiten geben. Ich glaube, das wird dafür sorgen, dass die AfD weitaus weniger Stimmen haben wird, als derzeit sich das in den Prognosen abzeichnet.
Dieterle: Das wird auf jeden Fall ein spannendes und auch ein für Sie forderndes Jahr. Herr Rhein, vielen Dank, dass Sie heute zum Interview hier waren.
Rhein: Ich bedanke mich.