Ein Jahr Ukraine-Krieg – Gedenken an den russischen Überfall

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine bedeutet: ein Jahr verbrecherische Angriffe auf die Menschen im Land. Russlands Einmarsch war ein Schock für Europa. Der Krieg hat aber nicht nur Europa, sondern die Welt verändert und er hat bereits Tausende Menschen das Leben gekostet. An diesem traurigen Jahrestag zeigen auch Rheinland-Pfalz und Hessen Solidarität mit den Menschen, die in der Ukraine um ihr Leben fürchten. Wir zeigen gleich Demonstrationen und lassen die Politik zu Wort kommen – zunächst aber sprechen wir mit den Menschen, die vor dem Krieg geflohen und als Flüchtlinge bei uns angekommen sind.

Svetlana,11 Jahre alt
„Am 26. Februar, zwei Tage nach Kriegsbeginn, war mein 11. Geburtstag. Es was Mitternacht und ich habe ich mich im Keller mit meinem Vater versteckt. Ich habe Raketen gehört und hatte große Angst. Das war das schrecklichste Erlebnis, der schrecklichste Geburtstag, den ich je hatte.“
Die 11-jährige Svetlana ist am 3. März mit ihrer Mutter aus der Ukraine geflohen. Hier in einem Kurs für Kunsttherapie in Kelkheim kann sie ihrer Leidenschaft für Malerei und Design nachgehen und dabei versuchen, gemeinsamen mit anderen geflüchteten Menschen aus der Ukraine, die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit zu verarbeiten. Dabei agiert Kunsttherapeutin Juliana Mikaelian als Begleiterin, gibt den jungen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe.
Juliana Mikaelian, nebenberufl. Kunsttherapeutin
„Man merkt wirklich, vor einem halben Jahr, als wir den Kurs angefangen, waren die ganz anders. Sie waren erschöpft, haben die ganze Zeit geschwiegen. Und manche waren anders, die waren nervös und sehr laut. Und langsam, Schritt für Schritt, sind die Kinder wieder Kinder. Und das freut mich sehr.“
Der Malkurs ist ein gemeinsames Werk von den Vereinen „Miteinander leben in Kelkheim“ und „Gemeinsam für die Ukraine“. Letzterer ist auch in der Ukraine selbst aktiv. Seit Kriegsbeginn hat er mit 13 LKW schon etwa 230 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine – hauptsächlich an Krankenhäuser – geliefert.
Tetyana Fischer, Gemeinsam für die Ukraine e.V.
„Primär geht es uns um die medizinische Versorgung, für die Leute vor Ort. Also unsere letzten Transporter, die gingen nach Dnibro. Und Dnibro ist der Hauptknotenpunkt für die medizinische Versorgung von Kriegsverletzten. Weil die Nähe zur Front, die ist da. Und viele Kriegsverletzte werden in Dnibro medizinisch behandelt.“
Und auch in Rheinland-Pfalz: Zeichen der Solidarität. Eine Initiative der Gemeinde Mandern hat hier kurz nach Kriegsbeginn sechs leerstehende Häuser renoviert: Als Unterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine.
Christiane Herrig, „Initiative „Mandern hilft“
„Sie sind versorgt mit allem, sie bekommen Unterstützung bei allem Möglichen. Und gleichzeitig muss man aber sehen, dass die Traumatisierung und, dass der Schmerz über das was sie erlebt haben, tief sitzt. Die Menschen sind entwurzelt, verzweifelt. Und auch heute kommen immernoch Tränen, Ängste und Sorgen, wenn die Menschen an den Kriegsbeginn und an die Kriegssituation in der Ukraine denken.“
In Mandern leben derzeit etwa 80 Flüchtlinge aus der Ukraine. Einer davon ist Dimitri, der seit Anfang Januar in einem der sechs Häuser wohnt. Sein Vater erlitt bei der Flucht aus Mariupol zwei Herzinfarkte, muss jetzt mit einer Behinderung leben und liegt aktuell in Deutschland im Krankenhaus. Für ihn ist Ditmitri nach Deutschland gekommen.
Dimitri, seit Januar in Mandern
„Es ist nicht einfach. Denn wir denken ständig an die Ukraine und verfolgen die Nachrichten, seitdem wir geflohen sind. Man ist zerissen! Einerseits ist man jetzt an einem sicheren Ort. Andererseits sind all deine Verwandten und Freunde und das Leben, das du hattest und ja auch noch hast, alles ist noch dort. Das ist hart. Aber so oder so: Wir sind mit dem Krieg verbunden – das prägt einen für immer.“
Währenddessen träumt Svetlana in Kelkheim davon einmal Designerin zu werden. Der Malkurs macht ihr Hoffnung, ihrem Ziel trotz des Krieges einen Schritt näher gekommen zu sein. Und auf solche kleinen Zeichen der Hoffnung kommt es an, sagt Tetyana Fischer. Ihr Appell: Nicht aufhören zu helfen, zuzuhören, zu spenden. Denn nach wie vor, auch ein Jahr nach Kriegsbeginn, ist für alle Ukrainer – egal ob geflohen oder noch im Kriegsgebiet – nichts mehr wie es einmal war.
Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine – das haben heute Tausende Rheinland-Pfälzer und Hessen zum Ausdruck gebracht. Viele Aktionen und Demonstrationen gab es. Eine der größten fand in Frankfurt statt.
Blau und Gelb – diese Farben dominieren heute die Frankfurter Innenstadt. Mehr als tausend Menschen sind in der Mainmetropole auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.
Yaroslava Liashenko
„Ich bin hier, weil ich die Ukraine unterstützen will, weil ich glaube, dass die Menschen dort nicht nur für ihren Frieden und ihr Land kämpfen, sondern um Frieden für das gesamte Europa.“
Till Brandt
„Und ich denke, dass wir absolut solidarisch sein sollten mit den Ukrainern und dass die Ukrainer keine Chance haben ohne Waffen.“
Wie er fordern viele der Demonstranten mehr militärische Unterstützung zur Verteidigung gegen Russland und eine Verurteilung des russischen Präsidenten.
Eine kleinere, aber nicht minder emotionale Kundgebung fand rund einen Kilometer entfernt vor dem russischen Generalkonsulat statt. Blumen, Kunst und jede Menge ukrainische Flaggen sollen an das erinnern, was aktuell in der Ukraine passiert.
Auch in Wiesbaden wird heute die ukrainische Flagge gehisst. Zum Jahrestag des Krieges tauschen sich Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk über die aktuelle Lage aus – und sie sind sich ziemlich einig.
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Jeder Friedensvorschlag ist ein guter Vorschlag. Wichtig ist nur, dass es für die Ukraine keinen Diktat-Frieden geben kann. Ich glaube, das ist das, was wir feststellen müssen. Und insoweit müssen wir alle dafür sorgen – und ich glaube, das ist die Grundvoraussetzung –, dass die russische Armee aus der Ukraine vertrieben wird.“
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse Europa die Waffenlieferungen ausbauen. Von der Bundesregierung fordert der Ministerpräsident mehr Geld für die Kommunen, damit diese sich besser um die Flüchtlinge aus der Ukraine kümmern könnten.
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Markus Appelmann, Moderator: Gerade eben haben wir ihn an der Seite des Ministerpräsidenten gesehen, nun sprechen wir mit ihm, Vadym Kostiuk, der ukrainische Generalkonsul in Frankfurt, der für Hessen und Rheinland Pfalz zuständig ist. Guten Tag, Herr Kostiuk.
Vadym Kostiuk, Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt: Guten Abend, Herr Appelmann.
Appelmann: Ein Jahr Krieg in Europa, ein Jahr Krieg in der Ukraine – mit welchen Gefühlen und Gedanken gehen Sie heute durch diesen Tag?
Kostiuk: Wir gehen … alle Ukrainer gehen an diesen Tagen mit Gefühlen großer Trauer um verlorene Menschenleben, Zivilisten, unsere Verteidiger. Aber wir gehen auch mit dem Gefühl der Hoffnung, dass wir unser Land bald befreien von russischen Aggressoren. Und werden das tun auch mit starker Unterstützung unserer westlichen Partner – die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland, baltische Staaten, Polen und viele, viele andere, für denen die Worte wie Demokratie und Werte und Menschenleben nicht ein leeres Wort ist.
Appelmann: Sehr viele Menschen flüchten aus der Ukraine, auch zu uns nach Hessen und Rheinland Pfalz. Haben diese Menschen Hoffnung, dass sie bald wieder in ihr Land zurückkehren können? Wie geht es den Flüchtlingen hier bei uns?
Kostiuk: Die Personen, die Schutz hier in Deutschland oder in Hessen gefunden haben, die sind sehr, sehr dankbar allen Ländern, allen Staaten, allen deutschen und europäischen Bürgern dafür, dass sie das Herz für ukrainische geflüchtete Personen gefunden haben und dass die in Familien aufgenommen wurden. Also da spreche ich recht herzlichen Dank dafür.
Appelmann: Immer wieder wird das deutsche Engagement in Frage gestellt. Das verurteilte Bundeskanzler Olaf Scholz nun zum Jahrestag. Er hob noch einmal hervor, was Deutschland bei der Ukraine-Unterstützung leiste. Sehen Sie das auch oder was fordern Sie von der Politik?
Kostiuk: Das ist in der Tat so, also die deutsche Regierung hat uns sehr, sehr viel geholfen und wir sind auch dafür dankbar. Uns freut sehr, dass die deklarierte Zeitwende nie zu Zeitverschwendung geworden ist, sondern wirklich zu tatkräftigen Schritten, die uns dazu führen, dass wir so schnell wie möglich unser Land befreien.
Appelmann: Herr Generalkonsul, Ihre Landsleute, aber auch die Menschen bei uns, wünschen sich Frieden. Friedensverhandlungen hat nun auch China ins Gespräch gebracht. Unter welchen Bedingungen wird die Ukraine an den Verhandlungstisch mit Russland zurückkehren? Wie realistisch ist der Frieden?
Kostiuk: Die Ukraine kann sich vorstellen, Verhandlungen mit Russland – und mit Russland meinen wir nicht den heutigen Präsidenten Putin. Diese Verhandlungen sind erst dann möglich, wenn alle ukrainische Gebiete befreit werden, inklusive Donbas und die Halbinsel Krim, wenn alle Kriegsverbrecher vor Tribunale gestellt werden und wenn alle Schäden, die unserem Land und unserem Volk zugefügt worden waren, dass die auch aus finanziellen Mitteln des Aggressoren gedeckt werden. Erst dann können wir uns vorstellen, dass wir uns an einen Verhandlungstisch setzen könnten.
Appelmann: … sagt der ukrainische Generalkonsul in Frankfurt, Vadym Kostiuk. Danke Ihnen.