Diskussion über Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag

Deutschlands Wirtschaft krankt und das liegt auch daran, dass die Arbeitnehmer zu oft krank sind, meint auf jeden Fall der Allianz-Chef. Er schlägt vor, dass Arbeitnehmern am ersten Krankheitstag kein Lohn mehr gezahlt werden soll. Sein Vorschlag führt zu Kopfnicken bei vielen Arbeitgebern und zu hitzigen Diskussionen bei Arbeitnehmern auch in Rheinland-Pfalz und Hessen.

Es sind durchschnittlich 17,7 Tage, die ein deutscher Arbeitnehmer in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres krank war – so die Techniker Krankenkasse. Der Schnitt der Mitgliedsländer der Europäischen Union liegt bei acht Krankheitstagen. Deutschland sei mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen, so Allianz-Chef Oliver Bäte in einem Interview mit dem Handelsblatt. Er fordert die Streichung der Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag.
Wie kommt das bei den Arbeitnehmern an? Wir haben in Mainz nachgefragt.
Hans-Werner Karbach, Elektromeister
„Es gibt Jobs, da musst du parat stehen, da kannst du nicht blaumachen, vielen wird es sehr einfach gemacht.“
Jara Bersch, Krankenpflegerin
„Ja, also ich finde, es ist so ein bisschen Druckmittel gegen die Bevölkerung, nicht blau zu machen oder nicht krank zu machen, aber im Grunde genommen hat eigentlich jeder verdient, für seine Krankheit bezahlt zu werden. Es wäre schlimm, wenn das einfach nicht passiert.“
„Den ersten Tag zu streichen, finde ich nicht in Ordnung.“
Kranke Mitarbeiter kosten die Arbeitgeber viel Geld. Der Allianz-Chef rechnet vor: Arbeitgeber zahlen in Deutschland pro Jahr 77 Milliarden Euro Gehälter für kranke Mitarbeiter. Von den Krankenkassen kommen noch mal 19 Milliarden Euro hinzu. Das entspricht rund sechs Prozent der gesamten Sozialausgaben. Trotz der hohen Kosten ist für den Landesverband der rheinland-pfälzischen Unternehmer eine Lohnstreichung nicht der richtige Weg.
Steffen Jans, Landesverband der Unternehmer Rheinland-Pfalz
„Langfristig besser wären sicherlich Maßnahmen, die die betriebliche Gesundheitsförderung in den Betrieben strukturell umsetzen, das heißt betriebliche Gesundheitsförderung anbieten durch den Arbeitgeber, aber das auch annehmen durch die Arbeitnehmer, das wäre wichtig. Es geht also um eine gemeinsame Verantwortung, damit sozusagen jeder auch in Gesundheit investiert, denn wenn man gesund ist, dann hat man Spaß an der Arbeit, dann kann man Arbeit gut machen, dann hat man, glaube ich langfristig auch kein Problem mit hohen Krankenständen und das müssen beide Seiten umsetzen.“
Viele Unternehmer sind für die Abschaffung der telefonischen Krankmeldung, um den hohen Krankenstand zu senken. Für die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Rheinland-Pfalz wäre das kontraproduktiv, genauso wie die Streichung der Lohnfortzahlung.
Susanne Wingertszahn, DGB-Vorsitzende Rheinland-Pfalz
„Es ist auch ökonomischer Unfug. Es ist auch so, dass die Folgekosten annähernd doppelt so hoch sind. Menschen, die krank arbeiten, machen viel mehr Fehler, Menschen, die krank arbeiten, stecken die Kollegen an und Menschen, die krank arbeiten, brauchen viel, viel länger für die Genesung.“
Für die Initiative „Unternehmer in Bewegung“ ist der letzte wirkliche Standortvorteil, den Deutschland hat, seine schlauen und fleißigen Köpfe. Würden diese weiterhin regelmäßig ausfallen, sähe es für den Wirtschaftsstandort Deutschland bald zappenduster aus.