Die FDP in Erklärungsnot

Das „D-Day-Papier“ ist heute wohl der Begriff des Tages. Ein internes Dokument, das belegt, wie detailliert die Bundes-FDP ihren Ausstieg aus der Ampel-koalition geplant hat. Wochenlang haben die Parteispitzen die Existenz eines solchen Scheidungsplans abgestritten, ebenso bis zuletzt die militärische Wortwahl. Gestern Abend hat die FDP dann die Flucht nach vorne ergriffen und das Papier veröffentlicht. Und das schlägt ganz schön hohe Wellen.

„D-Day“ oder „Decision Day“ – der Tag der Entscheidung. Insgesamt neunmal taucht der Begriff in dem Papier auf. Der D-Day beschreibt den Tag im Zweiten Weltkrieg, als die West-Alliierten in Frankreich gelandet sind, um Europa von den Nazis zu befreien.
Ein Tag der Entscheidung ist es heute auch für ihn – FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: Er erklärt heute Morgen seinen Rücktritt. In Interviews hatte Djir-Sarai mehrfach beteuert: Er wisse nichts von dem Papier und der Kriegsrhetorik.
Bijan Djir-Sarai (FDP), Generalsekretär
„Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert. Dies war nicht meine Absicht, da ich selbst keine Kenntnis über dieses Papier hatte. Für einen solchen Vorgang ist der Generalsekretär verantwortlich. Daher übernehme ich die politische Verantwortung um Schaden von meiner Glaubwürdigkeit und der der FDP abzuwenden.“
Das Strategiepapier entwirft verschiedene Szenarien, wie die FDP den Bruch der Ampel-Regierung herbeiführen kann. Der „Impuls“ könnte ein Statement von Christian Lindner zur schlechten Wirtschaftslage sein, um das Ampel-Aus zu rechtfertigen. Auch den Zeitraum zwischen dem 4. und 10. November hält das Papier fest.
Die minutiöse Planung eines Regierungs-Endes, Formulierungen wie „Offene Feldschlacht“. Die Wirtschaftsministerin der rheinland-pfälzischen Ampel-Regierung zeigt sich schockiert.
Daniela Schmitt (FDP), Wirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz
„Die Wortwahl finde ich sehr befremdlich, sie irritiert mich, finde es nicht im richtigen Zusammenhang stehend, wenn man politisch Verantwortung trägt, solche Begrifflichkeiten aufzuwerfen. Andererseits: Natürlich muss man im politischen Geschäft auch sich mit unterschiedlichen Szenarien beschäftigen, aber die Existenz eines solchen Papiers finde ich erschreckend.“
Ein Papier, von dem sie nichts gewusst habe, obwohl sie Mitglied im FDP-Präsidium ist – Schmitt fordert deshalb eine ehrliche Aufklärung innerhalb der Partei.
Die Jungen Liberalen in Hessen begrüßen heute den Rücktritt des FDP-Generalsekretärs – verteidigen aber die Ausstiegspläne der Partei.
Tim Hordorff (FDP), Vorsitzender Junge Liberale Hessen
„Pläne hat ja jede Partei gehabt. Olaf Scholz hat ja auch schon Reden vorgeschrieben, die er vom Teleprompter ablesen konnte. Im Sommer gab es ein Treffen von Roten und Grünen; dass man sich vorbereitet, ist glaube ich, richtig. Es geht jetzt um Inhalte, es geht um Wahlkampf und darum, wie wir Deutschland langfristig führen wollen und da haben wir Antworten und auch gute Antworten und ich denke, wir können die Menschen davon überzeugen.“
Wirtschaftsliberale Antworten auf die Wirtschaftskrise, von denen man die Ex-Koalitionspartner SPD und Grüne nicht überzeugen konnte. Auch deshalb sei es besser gewesen, dass Ampel-Bündnis aufzukündigen.
Eine Erzählung, die angesichts der miserablen Beliebtheit der Ampel funktionieren könnte, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun. Die FDP werde im Wahlkampf versuchen …
Prof. Uwe Jun, Politikwissenschaftler Uni Trier
„… ihre Wählerinnen und Wähler, ihre Stammwählerschaft zu überzeugen, dass das Ende der Koalition, auch wie es von ihr geplant war, wenn auch letztlich Olaf Scholz das Ende vollzogen hat, dass es also für die FDP und für Deutschland ein gutes Zeichen gewesen wäre, dass man aus dieser Koalition ausgestiegen sei.“
Ein Ausstieg, den man mit diesem Papier erstmals geplant hat: Darin wird der Wahlkampf nach dem Ampel-Aus als „Offene Feldschlacht“ genannt. In diese „Offene Feldschlacht“ startet die FDP befreit von der Ampel, aber auch geschwächt von einer hausgemachten Glaubwürdigkeitskrise.