Der Schleusentaucher von Kostheim

Wie Flüsse die Landschaft prägen, so prägen sie auch die Menschen, die an ihnen leben und arbeiten. Der Main zum Beispiel fließt 77 Kilometer durch Hessen und ist Naherholungsgebiet, Lebensraum  und Wirtschaftsweg für die Region. Damit Binnenschiffe überhaupt durch den Main fahren können, gibt es im hessischen Teil sechs Schleusen. Diese müssen auch einwandfrei funktionieren und regelmäßig repariert werden. Wie das funktioniert, zeigen wir in unserer Serie „Einflüsse“.

Bernhard Steinkamp, Industrietaucher am Main
„Für mich ist der Main Heimat natürlich. Ich bin sehr heimatverbunden als Frankfurter, ja. Einfach wenn ich auf den Main rausgehe oder rausfahre oder auch unter Wasser fühle ich mich schon zu Hause.“
Letzte Einsatzbesprechung auf der Mimir in Kostheim. Christian Scherg geht mit seinem Team nochmal den Ablauf und die Gefahren durch. Denn ein riskanter Einsatz steht bevor. Die Wand der Schleuse muss geschweißt werden, und zwar unter Wasser. Ein Schiff hat die Schleuse gerammt und die empfindliche Wand beschädigt. Die Folge: Der Boden an der Schleuse senkt sich immer weiter ab.
Experte dafür ist Bernhard Steinkamp. Er taucht schon seit 17 Jahren im Auftrag des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Main. Für den Frankfurter ist so ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.
Bernhard Steinkamp, Industrietaucher am Main
„Ich bin am Main groß geworden, ja. Und ich war am Anfang nicht tauchen als Jugendlicher oder Kind, aber wir waren immer mit den Füßen drin. Haben Fischchen gefangen. Jetzt ist es halt so, ich habe dann eigentlich quasi mein Hobby zum Beruf gemacht und das ist halt schon ganz cool.“
Jetzt heißt es erst mal: Konzentration an Bord. Bernhard Steinkamp muss in seinen Taucheranzug. Alles muss perfekt sitzen, denn unter Wasser lauern Gefahren von mehreren Seiten.
Bernhard Steinkamp, Industrietaucher am Main
„Erst mal von Bauteilen, die abstehen könnten oder Schifffahrt, die Wellen schmeißt. Man wird rumgewirbelt. Man hat natürlich das Wasser um sich. Man ist ja abhängig von allem, von anderen Leuten, von der Crew und da muss nur ein kleiner Fehler passieren, da kann auch schon mal irgendwas sein.“
Die Schleuse in Kostheim ist 340 Meter lang und somit die größte in ganz Europa. Jedes Schiff, das vom Main in der Rhein möchte, muss hier mit Präzision durchfahren. Sie ist nach Iffezheim am Rhein die meistbefahre Binnenschleuse in ganz Deutschland. Die meisten Schiffe, die hier durchfahren, haben Kies, Düngemittel und Treibstoff geladen. Für den Frankfurter Flughafen hat eine Schleusenkammer sogar Sondermaße. Umso wichtiger, dass die Taucher dafür sorgen, dass hier alles gut in Schuss ist.
Christian Scherg, Tauchermeister Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main
„Zum Beispiel, wenn die Schleusen hier nicht mehr funktionieren bis hoch nach Frankfurt, dann würde der Flughafen nicht mehr mit Kerosin beliefert werden können. Und das ist natürlich sehr wichtig, sonst können auch die Flieger nicht mehr starten.“
Damit das nicht passiert, muss Bernhard Steinkamp jetzt das Loch schließen. In zwei Metern Tiefe sieht er fast gar nichts. Der Taucher muss sich fast komplett auf seinen Tastsinn verlassen. Das Team überwacht den Tauchgang von außen und greift im Notfall ein. Stück für Stück schweißt Bernhard Steinkamp die Platte fest. Eine zeitintensive Arbeit unter Wasser. So braucht das Team für eine Reparatur wie diese manchmal mehrere Tage.
Aber jetzt ist die Platte endlich fest. Noch ein letzter prüfender Blick vom Chef.
Christian Scherg, Tauchermeister Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main
„Ja, jetzt sehe ich sie gut. Alles klar. Wunderbar.“
Und die Arbeit ist getan. Zumindest für heute, denn Aufträge haben die Taucher genug.
Bernhard Steinkamp, Industrietaucher am Main
„Die Schiffe sind in den letzten Jahren größer geworden. Früher war es normal zwischen acht Meter 20 breit und jetzt elf 45 ist so das Standardmaß. Und dadurch kommen natürlich auch mehr Anfahrungen zustande, dadurch, dass die Schiffe einfach breiter sind und auch mehr frequentiert ist, die Wasserstraße. Und dadurch, klar, entstehen überall Schäden, da wo gefahren wird, passiert etwas.“
Und so geht es für Bernhard Steinkamp morgen wieder zum Tauchen in den Main. Denn trotz der Gefahren fühlt er sich im Fluss wohl. Fast wie zu Hause.